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ARD-Film "Mein Sohn Helen": Endlich Frau!

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Transgender-Komödie in der ARD Heino Ferch hat 'n Mädchen als Sohn

Der Vater ist ein harter Kerl und der Sohn ein zartes - Mädchen. Transgender zur Primetime in der ARD, das funktioniert nur mit dem didaktischen Gummihammer. Die Macher der Komödie "Mein Sohn Helen" hätten gern ein bisschen mehr wagen dürfen.

Tobias Wilke (Heino Ferch) hat's leicht. Nach dem Tod seiner Frau muss der Koch zwar seinen hübschen Sohn Finn (Jannik Schümann) allein erziehen. Der 16-Jährige ist aber das, was man ein "aufgewecktes Kerlchen" nennen könnte und seinem Vater überdies ein guter Kumpel. Eines Tages eröffnet ihm Finn, dass er nun ein Auslandsjahr bei einer Tante in San Francisco verbringen werde: "Du wirst mich nicht verlieren, versprochen!" Als nach Jahresfrist der Vater seinen Sohn vom Flughafen abholen will, hat der sich in die hübsche Helen verwandelt: "Ich leb' jetzt als Mädchen!"

Ab jetzt hat's Tobias Wilke nicht mehr leicht.

Geschichten über die Abweichung von zugewiesenen Geschlechterrollen können ebenso heikel wie heiter sein. Heikel, weil alles ohne Voyeurismus oder Paternalismus angepackt werden muss. Heiter, weil der Stoff abseits aller Konflikte auch eine gewisse Komik birgt - und es schließlich darum gehen sollte, das Leben zu bejahen. "Mein Sohn Helen" entscheidet sich zur besten Sendezeit für den goldenen Mittelweg und bemüht sich, alles Heikle am Ende in Heiterkeit münden zu lassen. Zuvor lief auf dem gleichen Sendeplatz schon die schwullesbische Patchwork-Comedy "Vier kriegen ein Kind", auch da überwog die Heiterkeit.

Ein Koffer mit Frauenkleidern im Keller

Der Plot dreht sich um Finn/Helen, der/die zu kaum einem Zeitpunkt als Opfer erscheint. Als Helen trägt sie den Kopf so gerade, dass sie eine Nackenstarre davon bekommen müsste. Nicht nur den Vater und dessen Freunde konfrontiert sie frontal mit ihrer Umwandlung, sondern auch die Klassenkameraden: "Wusstet ihr denn nicht, dass ich Transgender bin?" Tobias Wilke jedenfalls ahnte, anders als die verstorbene Mutter, nichts von den chemischen Pubertätsblockern oder dem Koffer mit den Frauenkleidern im Keller.

Heino Ferch spielt einen sehr männlichen Mann an der Grenze zur Brucewillishaftigkeit. Beherzt knallt er Steaks auf den Grill, trägt eine Motorradlederjacke und wird zunächst das Gefühl nicht los, seinen Sohn verloren zu haben. Er möchte verstehen, "was passiert ist". Will sich der Sohn nur der Mutter nahe fühlen? Ist ihm in der "Schwulenhochburg" etwa sexuelle Gewalt widerfahren? Und ist der ganze Umwandlungsquatsch womöglich "nur so'ne Phase"?

Die Szenen zwischen Vater und Tochter gehören zu den stärksten des Films. Beide ringen auf ihre Weise um Verständnis, und beide wirken in diesen Momenten wie echte Menschen. Das ändert sich an der Schule, wo Helen ebenso selbstbewusst auftritt und vor eine Wand aus Häme läuft: "Ist jetzt Halloween, oder was?" Gerade die gröberen Mitschüler nehmen Helen wahlweise als "Schwuchtel" oder "Transe" wahr, als hätten sie von dem Themenkomplex oder auch nur Conchita Wurst nie gehört. Die Ex ist verständlicherweise verstört, der Direktor gefordert - nur die Vertrauenslehrerin war von Anfang an eingeweiht.

Was in der Umkleidekabine nichts nützt, da ist Helen auf sich allein gestellt. Mit Geschrei aus der Mädchenkabine verbannt, geht Helen zu den Jungs, und die wollen naturgemäß "die Titten sehen" und stimmen einen "Ausziehen! Ausziehen"-Chor an, bevor sie selbst Hand anlegen. Derweil holt sich der Vater Rat bei seinen Kumpels, die haben "im Internet" nachgeschaut und erklären ihm, wie das mit der anstehenden Geschlechtsumwandlung läuft. Helen probt verführerische Blicke vor dem Spiegel, immer wieder erscheint ihr dabei als wohlwollender Geist die verstorbene Mutter.

Und während Tobias Wilke die posthume Vertrauens- und Ehekrise mit seiner Frau löst, zieht seine Neutochter mit den Mädels aus der Klasse mit viel Sekt und Gegacker um die Häuser.

Jannik Schümann spielt keine einfache Rolle. Er gibt die Helen mit einer Mischung aus geborgter Stärke und irritierend verhuschter Kaninchenhaftigkeit. Vielleicht auch, weil Helen selbst in ihrer femininen Rolle noch nicht ganz angekommen ist. "Dass Mädchen bei jeder Gelegenheit anfangen loszuheulen, ist ein Gerücht", erklärt die verständnisvolle neue Freundin.

Die ist leider, wie die meisten Nebenfiguren, nur Pappaufstellerin in einem Erklärstück. Wo ein Kammerspiel zwischen Vater und Kind ausreichend gewesen wäre, entfaltet sich ein modellhaftes Gesellschaftspanorama. Jede Geste und jeder Satz klingt wie aus einer entsprechenden Broschüre abgelesen. Jedes nur mögliche Problem wird angerissen, um seiner wünschenswertesten Lösung zugeführt werden zu können. Wer das Thema in seiner ganzen Tiefe und Komplexität behandelt sehen will, schaut sich lieber das vor kurzem im Kino angelaufene Gender-Drama "Eine neue Freundin" von François Ozon an.

Wirklich heiter wird es dabei nur sehr selten, selbst die heiklen Verwicklungen wirken wie aufgeschminkt. Und so stöckelt die Geschichte unter Dauerberieselung mit betont gefühlvollem Indiepop betulich ihrem Happy End entgegen. "Mein Sohn Helen" wird kein hartes Herz bewegen. Es handelt sich immerhin um einen Versuch der unterhaltsamen Aufklärung, richtet sich aber an bereits Aufgeklärte.


"Mein Sohn Helen", Freitag, 20:15 Uhr, ARD

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