Zum Tod von Leonard Nimoy Er war es immer und wird es immer sein - Mr. Spock

Leonard Nimoy alias Mr. Spock
Foto: CorbisEs gibt eine reichlich flache Komödie aus dem Jahr 1999, die den Kult um "Star Trek" veralbert. Die Hauptpersonen von "Galaxy Quest" sind arbeitslose Darsteller einer seit Langem eingestellten Sci-Fi-Serie, die sich ihren Lebensunterhalt nun auf Fan-Conventions verdienen müssen.
Einer dieser Helden ist Sir Alexander Dane, ehemaliger Bühnenschauspieler, der für seine Fans seit Jahrzehnten nur noch der kühle Außerirdische "Dr. Lazarus" ist. Seine Rolle beschränkt sich auf steife Gesten, ein bewegungsloses Gesicht und das Rezitieren pathetischer Alien-Weisheiten. Natürlich hasst er das alles: Die Anspruchslosigkeit der Rolle, die Reduzierung seiner ganzen Karriere nur darauf.
Man lacht, versteht das und fragt sich: Ob das für Leonard Nimoy auch so war?
Leonard Nimoy, am 26. März 1931 in Boston als Spross einer jüdisch-orthodoxen Familie geboren, war Regisseur, Fotograf, Produzent, Autor, Synchronsprecher, Bühnenschauspieler, Lyriker und ein ganz passabler Sänger ziemlich fürchterlicher Lieder ("The Ballad of Bilbo Baggins").
Vor allem aber war er 63 Jahre lang als Schauspieler präsent in TV und Kino. Und doch sieht man, wenn man nun an ihn zurückdenkt, nicht sein Gesicht, sondern das von Spock, der spitzohrige Wissenschaftsoffizier des Raumschiff Enterprise: Die Rollengestalt war bekannter als der Darsteller dahinter. Es gibt kaum einen Schauspieler, der derart stark auf eine einzige Rolle festgelegt wurde wie Leonard Nimoy.

Nimoy als Spock mit Kollegen von der Enterprise
Foto: AP/ ParamountEr litt nicht darunter. Nimoy schrieb:
"Ich bin nicht Spock.
Aber warum drehe ich mich dann um, wenn ein Fremder auf der Straße mich bei diesem Namen ruft? Warum fühle ich einen Stich, wenn jemand fragt: 'Was ist mit Ihren Ohren passiert?'
Ich bin nicht Spock.
Aber warum fühlt es sich wohlig an, wenn ich Komplimente über Vulkanier höre oder lese? Auf dem Aufkleber am Wagen vor mir steht 'Spock for President'. Ich lächle voller Stolz. Ich bin nicht Spock.
Aber: Wenn ich es nicht bin, wer dann? Und wenn ich nicht Spock bin, wer bin ich dann?"
Das Zitat stammt aus seiner zweiten Autobiografie "Ich bin Spock" von 1996. Schon das Konzept des Buches zeigt die Ironiefähigkeit des Autors: Es ist nicht Nimoys Autobiografie, sondern die seiner Rolle. Seine eigentliche, erste Autobiografie hieß "Ich bin nicht Spock" (1975). In beiden Büchern kommen die beiden nicht voneinander los, nur die Perspektive wechselt.
Nimoys schauspielerisches Talent hatte sich früh gezeigt. Mit acht, heißt es, stand er erstmals auf der Bühne, mit 20 Jahren erstmals vor der Kamera. Seine Rollen waren klein aber zeittypisch: vor allem Western, Abenteuer und Science Fiction. Dabei blieb er so sehr Schauspieler der zweiten Reihe, dass man ihn in manchen TV-Serien bedenkenlos in bis zu acht verschiedenen Rollen auftreten ließ. Wer merkt sich schon das Gesicht von dem Typen, der den Kumpan des Bösen spielt?
Denn auch in den ersten 20 Jahren seiner Karriere war Nimoy reichlich festgelegt: Er spielte meist Charakterschwache, Kriminelle, Saboteure, Verräter. Sein schmales, scharf geschnittenes, aber längliches Gesicht, seine dunklen Haare und schmalen Augen mögen in einer Zeit dazu beigetragen haben, in der der Held gern einen weißen Hut auf dem blonden Haupt trug.
Bis Ende der Sechzigerjahre gelang es Nimoy nicht, aus diesen Schublade heraus zu kommen. Und dann beamte ihn die Enterprise in eine Welt mit ganz neuen Möglichkeiten.

Letzter gemeinsamer Film: Nimoy mit der Crew der Enterprise NCC-1701-A
Foto:Paramount Pictures/ dpa
Nach einer ersten, ziemlich miesen Pilotfolge ergriff Nimoy 1967 die Chance, der Serie seinen Stempel aufzudrücken und sich selbst einen Charakter maßzuschneidern, der sein Image nachhaltig verändern sollte.
Nimoy spielte den Vulkanier Spock als Inbegriff der logischen Vernunft und absoluten Selbstbeherrschung. Nie emotional, immer objektiv und stets dem Gemeinwohl verpflichtet. Im Grunde war Spock eine Art genialisch gebildeter Heiliger inmitten eines Trash-Settings, dessen eigentlicher Held nicht viel mehr tat, als Feinde zu verprügeln und Frauen zu küssen. Kirk aber mochte noch so sehr das hyperaktive Alphamännchen mimen - ohne Spock war er ein langweiliges Nichts. Spock war dagegen neu: Er machte Weisheit und guten Willen zum Kontrastprogramm der fliegenden Fäuste.

Mr. Spock aus "Star Trek": Leonard Nimoy ist tot
Dass er sich mit dieser einen Rolle für den Rest seines Lebens zu einer Art Marke machen würde, hat Nimoy nicht ahnen können. Er hat es aber akzeptiert: Spocks stetig wachsende Popularität färbte auf ihn ab. Aus dem Nebendarsteller krummer Mieslinge war das Alter Ego einer überlegenen Intelligenz geworden. Nimoy nutzte das, um abseits von TV-Bildschirm und Kinoleinwand seine künstlerische Verwirklichung zu suchen.
Dort war Nimoy ein gebildeter Schöngeist, der nicht immer ganz trittsicher zwischen Popkultur und Anspruch balancierte. In seinem Werk finden sich kindische Popsongs neben Bänden selbstverfasster Gedichte. Als Fotograf war er künstlerisch ambitioniert, mitunter kombinierte er Bildbände mit Lyrik.
1975 schrieb er über "Star Trek":
"Ich bin sehr stolz darauf, Teil dieser Serie gewesen zu sein. Ich fühle, dass sie sich mit Moral und philosophischen Fragen in einer Weise befasst hat, wie sich das viele von uns im richtigen Leben wünschen würden."
So wie er? Nimoy hat mit Spock eine moralische Ikone der Popkultur geschaffen. Die rechte Hand wie zum Schwur erhoben, Mittel- und Ringfinger gespreizt, machte er die zentralen Werte der Vulkanier zum Gruß aller Wesen guten Willens: "Live long and prosper". In der deutschen Synchronisation meist: "Lebe lang und in Frieden."
Für einen Vulkanier ist das auch der letzte Gruß.
Leonard Nimoy wurde 83 Jahre alt.