

Raus aus dem Schlabberlook, rein in die neue Identität. Also in den grauen Anzug, der sonst beim ewig jungen Freizeithemden-Typen Ivo Batic (Miroslav Nemec) nutzlos im Schrank rumhing. Ein Undercoverjob ist für den Polizisten nicht mehr als eine lustvoll abgeleistete Extraschicht: keine Vorbereitung, keine Absprache, nur die Improvisation zählt.
Da steht er dann vor zwei zwielichtigen Unternehmerinnen in Hosenanzügen, die eine Drückerkolonne leiten. Im Umfeld der Klinkenputzertruppe gab es einen Todesfall - die Trauerzeit hält sich in Grenzen, nun werden neue Bewerber getestet. Als serviler Ex-Kellner, der zu alt für das Geldverdienen im jugendorientierten Gastrogewerbe geworden ist, stellt sich Batic vor. Dann lächelt er höflich sein Alte-Jungen-Lächeln. Natürlich bekommt er den Job.
Das Erfreuliche ist: Für die Polizeiarbeit ist einer wie Batic offensichtlich nie zu alt. Gemeinsam mit seinem Kollegen Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) ist er jetzt schon seit über 20 Jahren im Dienst im Münchner TV-Revier, als schloweiße Wuschelköppe ohne nennenswertes Privatleben sind die beiden die Verlässlichsten unter den "Tatort"-Veteranen. Bei ihnen gibt es keine Komm-wir-schunkeln-uns-mal-durch-den-Fall-Haltung wie so oft bei den fast ebenso lange im Dienst befindlichen Kollegen Ballauf und Schenk in Köln, aber auch nicht diese aufgesetzte Ist-die-Welt-nicht-schlimm-Betroffenheit von Odenthal und Kopper in Ludwigshafen, dem dienstältesten "Tatort"-Team.
Stattdessen herrscht eine immer wache, niemals zynische Routine. Und die wirkt gerade vor dem Hintergrund der hysterischen Umbauarbeiten, die zurzeit im "Tatort"-Land vorgenommen werden, vor all den neuen spektakulären TV-Revieren, die zwischen Weimar und Waterkant entstehen, erbaulich.
Wer steckt hinter der neuen Spendenindustrie?
Immer schön Tempo halten, aber bitte nicht theatralisch werden! Mit gut dosierter Empathie steigen Batic und Leitmayr in die jeweilige Recherche ein. Beim Stegreif-Undercoverjob des einen sammelt nun der andere die Scherben auf. So ist es ja bei den Münchner immer: Einer drippelt vor, der andere mahnt zur Umsicht. Den beiden angejährten Jungs fehlt zuweilen die Mutter, die Rolle übernehmen sie deshalb wechselseitig füreinander. Dabei schaut man ihnen so gerne zu, dass man beinahe übersieht, wenn der Plot nicht aufgeht.
Das ist jetzt leider bei der aktuellen "Tatort"-Episode "Ein neues Leben" der Fall. So leger Batic in den Fall stolpert, so verquer ist die Handlung konstruiert (Buch: Fred und Léonie-Claire Breinersorfer). "Tierrettung direkt" heißt die Spendensammler-Truppe, die mit Handy-Fotos von kulleräugigen Robbenbabys die Bewohner von Mietskasernen ihre EC-Karten zücken lässt - um dann später mit entlockter PIN am Geldautomaten die Konten leerzuräumen.
Geführt wird der kriminelle Verein von zwei Ex-Prostituieren, von denen die eine der anderen in Liebe zugetan ist. Verkörpert werden sie von Nina Proll ("Nordrand") und Mina Tander ("Fremder Freund"), zwei Schauspielerinnen, die gewöhnlich auch kompliziertere Identitätskonstruktionen leichthändig zu Leben verhelfen. Aber hier? Lesbische Liebe, Rotlichtvergangenheit, Kampfweiberattitüde - ein bisschen viel Psycho-Mumpitz, um einen modernen zwielichtigen Wirtschaftszweig ins Visier zu nehmen, der sich ja eher durch eine gewisse Pseudoseriösität auszeichnet.
Keine Fußgängerzone, in der man momentan nicht von einer eloquenten Tierschutzdarstellerin an den Info-Tisch und ans EC-Lesegerät gekobert wird. Fragt man nach einer Internetseite, wird einem mit Wink auf die traurigen Tieraugen auf der Info-Broschüre bedeutet, dass Spenden nur jetzt, direkt auf der Straße eingezahlt, Sinn machen. Wer steckt hinter dieser neuen Spendenindustrie? Wie wird bei der Rekrutierung vorgegangen? In welchem gesellschaftlichen Umfeld funktioniert dieses Deppenmelken? Statt diesen Frage nachzugehen, verliert sich der Krimi von Elmar Fischer (drehte 2010 den weitsichtigen Wirtschaftsthriller "Im Dschungel") in spekulativen Sperenzchen.
Da nützt es am Ende nichts, dass Ivo Batic beim Spendeneinsammeln an der Haustür mal wieder sein schönstes Old-Boy-Lächeln aufsetzt.
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