Abschied des Intendanten Bellut
Was wird aus der Anstalt?
Intendant Thomas Bellut geht. Für die Nachfolge werden Norbert Himmler und Bettina Schausten gehandelt. Der pragmatische Programmmacher oder die meinungsstarke Politjournalistin – wer führt das ZDF in die Zukunft?
Terminlich ist die Ankündigung ein bisschen unglücklich geraten. Es ist keine Woche her, dass die CDU-Mittelstandsvereinigung gefordert hatte, ARD und ZDF zusammenzulegen, da gab der ZDF-Intendant Thomas Bellut an diesem Dienstag bekannt, sich nach Ablauf seines jetzigen Vertrages im März 2022 nach zehn Jahren nicht mehr um eine weitere Amtszeit zu bewerben.
Nun ist die Mittelstandsvereinigung mit ihrem Ruf nach einem Einschrumpfen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks eine Minderheit in der Union. Aber die plakative Forderung fügt sich in einen massiven vielstimmigen Chor an populistischen Stimmen, den man auch nicht ganz ignorieren kann. Die Front gegen ZDF und ARD wird immer breiter – und reicht inzwischen bis in die Ebene parlamentarischer Entscheidungsträger. Das zeigte sich im Dezember, als im Landtag von Sachsen-Anhalt die von den 16 Ministerpräsidenten beschlossene Erhöhung des Rundfunkbeitrags gekippt wurde.
Jetzt muss das Bundesverfassungsgericht darüber entscheiden, wie es weitergeht; mit einem Urteil ist erst im Herbst dieses Jahres zu rechnen. Bellut informierte deshalb vor zwei Wochen den ZDF-Verwaltungsrat, wie er mit dem Budgetloch von 150 Millionen für dieses Jahr umgehen werde – er machte aber auch deutlich, dass es bei ausbleibender Erhöhung zu deutlichen Einsparungen im Programm käme.
Strategische oder erschöpfte Entscheidung?
Wie also ist Belluts Ankündigung zu verstehen, ab 2022 nicht mehr als ZDF-Frontmann bereitzustehen? Ist er einfach zermürbt von den Spar- und Abwicklungsdebatten um seinen Sender? Oder steht dahinter der Plan, eine Person als Nachfolgerin oder Nachfolger zu installieren, die schon durch ihr Alter einen längeren Atem als der 65-jährige Bellut hat, um die Selbstbehauptungskämpfe des ZDF zu führen, die sich über das gesamte Jahrzehnt ziehen dürften?
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht überall in Europa unter Beschuss, anderswo sogar noch sehr viel stärker als in Deutschland. In Großbritannien etwa blasen Boris Johnsons Tories aus der Regierungsposition schon länger zum Angriff auf die BBC; Anfang letzten Jahres hatte der damalige, als erfolgreich geltende BBC-Manager seinen vorzeitigen Rückzug bekannt gegeben, damit eine jüngere Person folgen könne, um die Sendeanstalt durch die medienpolitisch voraussichtlich extrem turbulenten Zwanzigerjahre zu führen.
Hausgewächs versus Meinungsmacherin
Eine solch langfristige Perspektive könnte auch hinter Belluts sehr frühen Ankündigung der Staffelholzübergabe stecken – zumal ein »natürlicher« Nachfolger schon in den Startlöchern steht: Norbert Himmler. Dessen Vertrag als Programmdirektor endet günstigerweise ebenfalls im März 2022. Er müsste für den neuen Job vielleicht nicht einmal sein Büro wechseln.
Himmler, 50, ist ein ZDF-Hausgewächs und gilt als pragmatischer Inhalte-Manager und behutsamer Erneuerer. Er baute die ZDF-Tochter ZDFneo mit auf und etablierte den Sender dank Formaten wie »Neo Magazin Royale« mit Jan Böhmermann als junge Marke. Inzwischen hat Himmler den konfliktfreudigen Unterhalter und Satiriker ins Hauptprogramm geholt. So was gilt bei den sehr, sehr langsam mahlenden Mühlen des ZDF als mutig.
Norbert Himmler
Foto: Markus Hintzen / ZDF
Außerdem hat Himmler zusammen mit Bellut die Produktion von fiktionalen Formaten angetrieben. Gemeinsam mit seinem Chef organisierte er 2018 eine europäische Koproduktions-Allianz mit den öffentlich-rechtlichen Sendern France Télévisions und RAI, um hochwertige Schauwertserien wie »Mirage – Gefährliche Lügen« herzustellen. Zudem testete Himmler schon Einzelkooperationen mit dem Streamingdienst Netflix aus. Und mit der Bestsellerverfilmung »Der Schwarm« ist unter Führung seiner Programmdirektion eine Serie in Vorbereitung, die zum teuersten Fernsehprojekt Europas werden könnte.
Himmler könnte der Mann sein, der einerseits über genug Innovationskraft verfügt, um im ZDF den digitalen Umbau und eine moderne inhaltliche Aufstellung voranzutreiben – und andererseits über genug Stallgeruch, um die 3500 Festangestellten auf dem Lerchenberg mit auf den schwierigen Weg in die Zukunft zu nehmen. Das ZDF wird ja allgemein in Anspielung auf die amtsstubenartige Stimmung, die dort herrscht, nur »die Anstalt« genannt. Himmler wäre auf jeden Fall der Kandidat von Gnaden Belluts - der hat den 15 Jahre jüngeren Kollegen ja mit aufgebaut.
Bettina Schausten
Foto: Markus Hintzen / ZDF
Wer ins ZDF hineinhört, der vernimmt bei der Nachfolgediskussion aber auch noch einen zweiten Namen. Nach SPIEGEL-Informationen ist auch Bettina Schausten im Gespräch. Sie ist stellvertretende Chefredakteurin des ZDF sowie Leiterin der Hauptredaktion Aktuelles und einem größeren Publikum vor allem durch ihre Moderationen beim »heute-journal« bekannt. Übergreifende Programmbereiche hat Schausten, 55, zwar noch nicht verantwortet, dafür gilt sie als durchsetzungsfähige und meinungsstarke Politjournalistin.
Bei Schausten könnten zwei ganz unterschiedliche Faktoren in Bezug auf die ZDF-Intendanz positiv zusammenwirken: Dass mit ihr erstmalig eine Frau die graue Anstalt managen würde, spräche progressive Geister an. Und dass mit ihr eine ausgewiesen konservative Journalistin an den Start gehen würde, würde jener immer größeren Zahl an Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als geschlossenen linksliberalen Block verdammen.