

Hamburg - Kommt es in dem Strafverfahren gegen die frühere NDR-Fernsehspielchefin Doris J. Heinze zu einem Deal? Der Prozess vor dem Hamburger Landgericht ist am Donnerstag nach der Verlesung der Anklage unerwartet unterbrochen worden. Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung zogen sich zu einem Gespräch zurück, um über einen möglichen Deal zu verhandeln. Bereits im vergangenen Jahr hätten die Beteiligten versucht, sich auf eine Strafe zu einigen, sagte der Vorsitzende Richter: "Zu einer Verständigung haben diese Gespräche allerdings nicht geführt."
Heinze soll laut Anklage unter den Pseudonymen Marie Funder und Niklas Becker eigene Drehbücher von sich und ihrem Mann beim Norddeutschen Rundfunk (NDR) eingeschleust haben. Die 63-Jährige muss sich deshalb wegen schwerer Bestechlichkeit, schwerer Untreue und Betrugs vor der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts verantworten. Auch Ehemann Claus Strobel und die Münchner Produzentin Heike Richter-Karst sind angeklagt. Den dreien werden 14 Straftaten zwischen 2003 und 2007 zur Last gelegt. Die Affäre war vor knapp drei Jahren aufgeflogen.
Heinze war unter anderem für die Nord-"Tatorte" aus Hamburg, Hannover und Kiel verantwortlich. Sie herrschte auch über Serien wie "Polizeiruf 110" und etliche weitere Produktionen. Beim NDR galt sie als mächtige Frau, in der Branche als hochkarätige Expertin.
Mit dem NDR hatte Heinze bereits im Juni 2010 einen Vergleich geschlossen. Beide Seiten einigten sich darauf, dass das Arbeitsverhältnis von Heinze ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist am 9. September 2009 endete. Ebenso wurde eine Einigung über die Rückzahlung strittiger Honoraransprüche erzielt. Der Übereinkunft war eine fristlose Kündigung durch die Rundfunkanstalt vorausgegangen, gegen die sich Heinze vor dem Arbeitsgericht zur Wehr gesetzt hatte.
Der nun unterbrochene Strafrechtsprozess gegen Heinze fällt in eine Phase, in der die ARD ohnehin eine ganze Reihe von Betrugsaffären zu verarbeiten hat. So wurde etwa im August vergangenen Jahres gegen den suspendierten MDR-Unterhaltungschef Udo Foht wegen Betrugs und Untreue ermittelt. Und im November 2011 trennte man sich von dem Fernehmanager Hans-Wolfgang Jurgan, dem Geschäftsführer der potenten ARD-Produktionsgesellschaft Degeto. Interne Ermittlungen hatten gravierende Mängel in seiner Verantwortung ergeben. Unter anderem wurden offensichtlich Produktionsetats nach Lust und Laune überzogen.
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Wegen NDR-Drehbuchaffäre vor Gericht: Die einst so erfolgreiche NDR-Fernsehspielchefin Doris J. Heinze (Archivfoto vom 30.12.2007)muss sich vor der Wirtschaftsstrafkammer des Hamburger Landgerichts wegen schwerer Bestechlichkeit, schwerer Untreue und Betrugs verantworten. Laut Anklage schleuste Heinze unter Pseudonym eigene Drehbücher bei ihrem Sender ein - und schusterte ihrem Ehemann verdeckt Aufträge zu.
Landgericht Hamburg: Am Donnerstag hat der Prozess gegen die ehemalige Fernsehspielchefin des NDR begonnen. Kurz nach Verlesung der Anklage wurde die Verhandlung unterbrochen. Die Beteiligten zogen sich zu Verhandlungen über einen Deal zurück.
Die Schauspieler Katrin Sass und Edgar Selge in "Die Freundin der Tochter": Das Drehbuch für das TV-Melodram schrieb Heinze unter ihrem Pseudonym Marie Funder. Sie reichte es beim NDR an, kassierte das Autorenhonorar und realisierte als verantwortliche Redakteurin den Film auch gleich. Die ARD strahlte den Film am 23. September 2009 trotzdem aus - mit geändertem Abspann. Heinze tauchte mit ihrem Klarnamen als Drehbuchautorin auf.
"Tatort"-Folge "Auf der Sonnenseite": Heinze war für die vom NDR produzierten Folgen der erfolgreichen Krimiserien "Tatort" und "Polizeiruf" verantwortlich. Auch der Hamburger "Tatort" um den verdeckten Ermittler Cenk Batu (Mehmet Kurtulus, r.) gehörte zu ihrem Einflussbereich.
"Polizeiruf": Für die Folge "Die armen Kinder von Schwerin" soll Heinze das Treatment selbst geschrieben haben. Der "Polizeiruf" wurde 2009 erstmals ausgestrahlt, der WDR wiederholt ihn am 9. August.
Wegen Unregelmäßigkeiten bei der ARD-Produktionsfirma Degeto geschasst: Hans-Wolfgang Jurgan
Bescherte dem MDR einen Betrugsskandal: Ex-Unterhaltungschef Udo Foht
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