
Neuer "Tatort" in Weimar: Ulmen und Tschirner immer an Weihnachten
Tschirner und Ulmen als TV-Ermittler Wer ist der Schrägste im "Tatort"-Land?
Dienst nach Vorschrift? Das war gestern, zumindest in den "Tatort"-Revieren dieses Landes. In welches Sendegebiet man auch schaut, überall wird frühverrentet, umgebaut und aufgestockt. Keine große ARD-Anstalt, die zurzeit nicht neue Ermittlerteams auf Sendung schickt oder dies zumindest plant.
Der Westdeutsche Rundfunk hat gerade neben Köln und Münster mit dem TV-Revier in Dortmund seinen dritten "Tatort" an den Start gebracht. Der Saarländische Rundfunk will 2013 mit Devid Striesow als TV-Kommissar Furore machen, und der Norddeutsche Rundfunk schickt im nächsten Jahr mit Teams um Wotan Wilke Möhring und Til Schweiger gleich zwei unterschiedliche Hamburger "Tatorte" ins Rennen. Sogar der in Sachen Krimis besonnene Bayerische Rundfunk, bei dem seit über 20 Jahren der fast niemals langweilige Münchner "Tatort" läuft, setzt jetzt noch einen drauf: Ab 2014, so wurde letzte Woche bekanntgegeben, wird man von Franken aus ermitteln lassen; das Team steht noch nicht fest.
Und am Mittwoch verkündete nun der Mitteldeutsche Rundfunk, dass es einen vorerst einmaligen "Tatort" aus Weimar geben wird. Hauptdarsteller sind Nora Tschirner und Christian Ulmen, zwei ausgewiesene Humoristen. Vom Sender wird das Krimiprojekt als "Event" beworben, seine Ausnahmestellung zeigt sich schon daran, dass es in den Weihnachtsfeiertagen 2013 ausgestrahlt wird. Finanziell soll der Krimi ebenfalls den Rahmen sprengen, zur Co-Finanzierung holte man die Degeto mit ins Boot, die ARD-eigene Produktionsgesellschaft.
Tumor als Ausstiegsklausel
Ein "Tatort" ist eben längst nicht mehr ein "Tatort", er ist ein Großereignis; das Serielle wird ihm mehr und mehr ausgetrieben. Einerseits hilft das, sich in der Aufmerksamkeitsökonomie innerhalb der unübersichtlichen ARD zu behaupten, andererseits halsen sich die Sender keine unliebsamen Verpflichtungen auf. Man entscheidet von Episode zu Episode. So ermittelt etwa Ulrich Tukur einmal jährlich im 2010 neu geschaffenen Wiesbadener "Tatort"-Revier, als Ausstiegsklausel dient ihm ein Tumor im Kopf seiner Figur. Wenn Tukur oder der Sender keine Lust mehr haben, stirbt der Kommissar eben.
Til Schweigers Kriminalist in Hamburg - gerade wird Drehbeginn gefeiert - soll nach Aussage der Verantwortlichen ohne so eine Exit-Strategie auskommen, aber auch Schweiger wird nur einmal pro Jahr agieren. Durch solche Arrangements lassen sich Stars an die Reihe binden, die ihr, unabhängig vom künstlerischen Ergebnis, eine ganz neue Art von Strahlkraft geben. Eine Aufgabe von Schweiger wird es außerdem sein, ein junges, mit dem Privatfernsehen sozialisiertes Publikum zum Ersten zu locken.
Einer anderer Grund für die voranschreitende Diversifikation des "Tatort" - mit dem Weimarer Team wird 2013 das 21. an den Start geben - liegt in der föderalen Struktur der ARD. In anderen fiktionalen Bereichen jenseits des "Tatort" schafft es der Sender einfach nicht, erfolgreich regional verortete Geschichten für junge Zuschauer zu erzählen. Eine Katastrophe etwa ist die Spaßkrimi-Initiative "Crime & Smile" im Vorabendprogramm. Die unterschiedlichen Produktionen unter diesem Titel-Dach sind ein Graus, die Quote ist überwiegend bescheiden, gerade die anvisierten jungen Leute schalten nicht ein. Man schaue sich nur einmal die Kripo-Posse "Akte Ex" an, die der MDR ebenfalls in Weimar produzieren lässt: Humor wie in den fünfziger Jahren, Spannung auf Kindergartenniveau.
So gesehen ist der geplante "Tatort" aus Weimar für den MDR natürlich eine große Chance. Quote, Qualität und regionale Akzentuierung könnten so einfach vereint werden. Die Autoren haben gute Namen: Murmel Clausen hat mit "Hubert und Staller" zwar eine "Crime & Smile"-Posse auf dem Kerbholz - er war aber auch am Drehbuch vom "Schuh des Manitu" beteiligt. Sein Co-Autor Jörg Tensing hat neben exzellenten Krimis die grandiose "Bloch"-Episode "Der Fremde" mit Vadim Glowna in seiner Filmographie.
Der Tonfall ihres gemeinsamen "Tatort" wird wohl in Richtung des Münsteraner "Tatort" gehen, also irgendwo zwischen Schnurre und pechschwarzer Komödie liegen. Für Tschirner und Ulmen dürfte es ein Leichtes sein, diese Krimifärbung umzusetzen. Schon zu Zeiten ihrer Anfänge bei MTV haben sie sich aufs Amüsanteste gekabbelt.
Bleibt die Frage, ob der "Tatort" diese Aufladung als Ereignis-TV auf Dauer verträgt. Ach, wie wunderbar wäre es doch, eine Folge zu sehen, die endlich mal nichts Besonderes sein will. Sondern einfach nur ein guter Krimi.