Neue Star-Wars-Serie »Obi-Wan Kenobi« Der alte, weiße Jedi und das Schwinden der Macht

In der »Star Wars«-Saga stand Obi-Wan Kenobi stets im Schatten interessanterer Figuren. Jetzt bekommt Ewan McGregor in einer neuen Serie doch noch seinen großen Solo-Auftritt als alternder Jedi-Meister. Oder auch nicht.
Ewan McGregor als Obi-Wan Kenobi: Wie Lawrence von Galactica

Ewan McGregor als Obi-Wan Kenobi: Wie Lawrence von Galactica

Foto: Lucasfilm Ltd. / © 2022 Lucasfilm Ltd. & ™

Es ist aber auch ein Kreuz mit diesen Jedi-Rittern. Noch nicht mal Verstecken und die Füße stillhalten klappt: Das Gute, die hell leuchtende Seite der Macht in ihnen bahnt sich immer irgendwie einen Weg – und wird im Zweifel zum Verhängnis.

»Dieser Jedi-Kodex ist wie ein Juckreiz«, sagt dann auch der Grand Inquisitor (Rupert Friend) zu seinen finsteren, in schwarzes Leder gekleideten Kollegen, mit denen er die letzten verbliebenen Gutmenschen in einer der Diktatur des Bösen verfallenen Galaxie aufstöbert, um sie auszumerzen: Ihr Mitgefühl, ihre Hilfsbereitschaft und Empathie, hinterlasse eine Fährte, der man nur folgen müsse.

Damit ist man schon mittendrin in der neuen, sechsteiligen »Star Wars«-Serie, deren Episoden eins und zwei seit Freitag beim Streamingdienst Disney+ zu sehen sind. Nachdem sich die ersten beiden Serien der Sternenkrieg-Saga um zwei Nebenfiguren, die Kopfgeldjäger »The Mandalorian« und Boba Fett drehten, rückt Disney nun mit Obi-Wan Kenobi (Ewan McGregor) erstmals eine zentrale Figur der ewig populären Franchise in den Vordergrund der TV-Sparte.

Moses Ingram als Inquisitorin Reva: Komplexer neuer Charakter

Moses Ingram als Inquisitorin Reva: Komplexer neuer Charakter

Foto: Matt Kennedy / © 2022 Lucasfilm Ltd. & ™

Schon lange gab es Pläne, dem Jedi-Meister Obi-Wan Kenobi, einer der Stars der ersten und zweiten Kinotrilogie, seinen eigenen Film zu widmen, Regie sollte ursprünglich der renommierte britische Filmemacher Stephen Daldry (»Billy Elliot«, »The Hours«) führen. Doch die vergleichsweise müde Performance der Standalone-Filme »Rogue One« und »Solo« sowie der geballte Fan-Unmut über die dritte und bisher letzte »Star Wars«-Trilogie führten zu einem Umdenken bei Rechteinhaberin Disney und Lucasfilm-Produzentin Kathleen Kennedy.

Sie gingen 2019 in Klausur wie ihr Filmheld Obi-Wan Kenobi nach dem Ende von »Episode III: Die Rache der Sith« (2005) und landeten nach ihrem Comeback mit »The Mandalorian« einen Publikumshit für den damals neuen Disney+-Dienst.

Bezeichnend für die neue, auf Streaming konzentrierte »Star Wars«-Strategie des Konzerns ist, dass bei einer Präsentations-Sause diese Woche in Anaheim im US-Bundestaat Kalifornien neue Kinofilme offenbar kaum eine Rolle spielten, obwohl zumindest einer, »Rogue Squadron« von »Wonder Woman«-Regisseurin Patty Jenkins, bereits konkret für Ende 2023 geplant ist.

Stattdessen wurde enthüllt, dass Jude Law in der neuen Serie »Skeleton Crew« mitspielen wird. Bereits bekannt war, dass Diego Luna seine Rolle aus »Rogue One« in der Serie »Andor« wieder aufnehmen und Rosario Dawson eine eigene Serie über die bei Fans beliebte Jedi-Ritterin Ahsoka aus »The Mandalorian« bekommen wird.

Kleine, saftig aussehende Fleischrechtecke

Doch zunächst bekommt »Obi-Wan Kenobi« doch noch seinen großen Solo-Auftritt. Die Serie spielt zehn Jahre nach dem Ende von »Die Rache der Sith« und etwa genauso lange vor »Eine neue Hoffnung«, also dem Ur-»Star Wars«-Film von 1977, in dem Alec Guinness den schon gealterten Mönch mit dem Lichtschwert verkörpert. Ewan McGregor hatte nach dem verheerenden Kritikerspott über George Lucas’ sogenannte Prequel-Trilogie der Nullerjahre eigentlich gar keine Lust mehr, sich noch einmal die Jedi-Kutte überzuwerfen, doch wahrscheinlich ist an der Juckreiz-Theorie was dran: Wenn die »Star Wars«-Macht lockt – und damit eine erkleckliche Gage und sehr viel Publicity – kann sich selbst der dünkelhafteste Charaktermime nicht erwehren.

Obi-Wan lebt zurückgezogen auf dem Wüstenplaneten Tatooine, um klandestin über den heranwachsenden Luke Skywalker zu wachen, der dort auf einer Farm bei Onkel Owen und Tante Beru aufwächst. McGregors bärtiger Jedi-Meister schon ein bisschen faltiger im Gesicht, aber noch kein Alec Guinness, reitet wie eine Art Lawrence von Galactica auf seinem kamelartigen Eopie durch die Einöde. Um Geld zu verdienen, arbeitet er am Fließband einer Open-Air-Schlachterei, die mitten in der Wüste aus einem dort gestrandeten Riesenviech kleine, saftig aussehende Fleischrechtecke herausschneidet. Also genau solche gut portionierten kleinen Happen, wie die, die Disney für neue Serien, Comics oder Filme aus seinem Box-Office-Monster »Star Wars« hackt.

Schön selbstironisch ist auch, wie ein merkantil gewiefter Jawa ihm später in seiner Höhle jenes Modell eines »T16 Skyhopper«-Flugzeugs für sündhaft viel Geld verkaufen will, mit dem der kleine Luke in »Eine neue Hoffnung« spielt: »Diese Dinger sind schwer zu kriegen«, meckert der Jawa, der natürlich genau weiß, wie begehrt und teuer solche Original-»Star Wars«-Merchandise-Artikel bei Sammlern sind.

Ja, es gibt Humor, exzellent in Szene gesetzte Landschaften und Kreaturen – und viel Fan-Service in dieser Serie, die für Obi-Wan zur Charakterprobe wird: Den Jedi plagen Schuldgefühle, weil er als dessen Lehrer nicht verhindern konnte, dass Anakin Skywalker zur dunklen Seite der Macht wechselte und Darth Vader wurde. Zudem glaubt er seinen Freund und Protegé tot, nachdem er ihm auf dem Lavaplaneten Mustafar die Beine weggesäbelt und ihn den Flammen überlassen hatte.

Desillusioniert fristet er auf Tatooine sein Diaspora-Dasein und versucht nächstens vergeblich, zu seinem alten Mentor Qui-Gon spirituellen Kontakt aufzunehmen, wie es ihm Yoda einst auf den Weg gab. Doch die Macht, der Glaube an das Gute, schwächelt in Obi-Wan, so sehr, dass er sich in einem Petrus-Moment auch verleugnet, als ihn ein gejagter Jedi um Hilfe bittet. Wir erinnern uns: Es ging in »Star Wars« auch immer um die Balance der »Force« zwischen Gut und Böse, also zwischen Machthunger, Zorn und Egozentrik einerseits, Selbstlosigkeit, Güte und Humanismus andererseits. Droht Obi-Wan Kenobi über Selbstzweifel und Gram nun ebenfalls der dunklen Seite anheimzufallen?

Imperiale Sturmtruppen auf dem Spielhöllen- und Drogenhändler-Planeten Diayu: Dort spielt die zweite Episode von »Obi-Wan Kenobi«

Imperiale Sturmtruppen auf dem Spielhöllen- und Drogenhändler-Planeten Diayu: Dort spielt die zweite Episode von »Obi-Wan Kenobi«

Foto: Lucasfilm Ltd. / © 2022 Lucasfilm Ltd. & ™

In den ersten beiden Episoden sieht es noch nicht danach aus. Aber das erste große Wiedertreffen zwischen ihm und Darth Vader wartet bereits: Hayden Christensens spektakuläre Rückkehr wird am Ende der zweiten Folge bereits angeteasert. Der Auftritt des ultimativen Bösewichts dürfte Obi-Wans Geschichte überschatten, so wie es schon immer war in seiner bisherigen »Star Wars«-Karriere. Die Herausforderung der von Deborah Chow gedrehten und produzierten Serie wird also sein, den Charakter dieser beliebten, aber bisher unterbelichteten Figur tatsächlich zu definieren – und nebenbei am Ende zu erklären, wie aus dem 50-jährigen McGregor binnen nur weniger Sternenkriegsjahre ein weißhaariger Greis werden kann. McGregor müht sich redlich, die Kluft zwischen dem jüngeren und dem älteren Obi-Wan zumindest sprachlich zu überbrücken: Er lässt seine Figur mit einem sehr dezidiert britischen Alec-Guinness-Akzent sprechen.

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Ob das reicht, wird das Drehbuch zeigen. Erschwerend kommt nach den ersten Episoden hinzu, dass – mal wieder – vieles interessanter wirkt als seine Figur. Alternde weiße Männer haben es ja bekanntlich schwer zurzeit, sogar in der zuletzt diverser und femininer gewordenen »Star Wars«-Welt: Die offenbar ebenfalls »Macht«-begabte Inquisitorin Reva (Moses Ingram) ist ein offenbar sehr komplex angelegter neuer Charakter. Die ehemalige Jedi-Ritterin ist böse und gnadenlos, aber auch gebeutelt vom Rassismus des Nazisystems, in dem sie als Schwarze Karriere machen will. Sie hat viel Potenzial, Obi-Wan die Show zu stehlen.

Und dann ist da der andere Skywalker-Spross, zu dessen Rettung Obi-Wan seinen Posten auf Tatooine dann doch verlässt und sich ein letztes Mal zum Kampf aufrappelt: Die noch kleine, aber schon hinreißend nassforsche Prinzessin Leia wird von Revas Häschern (unter anderem Flea von den Red Hot Chili Peppers) aus der Obhut der Adelsfamilie Organa entführt, um Obi-Wan aus der Deckung zu locken. Ähnlich wie das sogenannte Baby Yoda im »Mandalorian« wird das freche Kind, das an Kenobis Jedi-Fähigkeiten ebenso zweifelt wie daran, dass er als ihr Vater durchgehen könnte (»eher mein Großvater«), zum Joker und heimlichen Star der Serie: Die junge Schauspielerin Vivien Lyra Blair, bekannt aus dem Netflix-Hit »Bird Box«, ist nach nur wenigen Auftritten schon eine talentierte Szenendiebin.

Armer Obi-Wan. Möge die Macht – und die Aufmerksamkeit des Publikums – mit ihm sein.

»Obi-Wan Kenobi«: Jeden Mittwoch eine neue Folge bei Disney+

Anmerkung: In einer früheren Version dieses Artikels wurde ein Zitat irrtümlich der Inquisitorin Reva zugeordnet, es ist jedoch der Grand Inquisitor, der die Worte spricht.

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