
TV-Serie "Orphan Black": Aufstand der Klon-Kriegerinnen
TV-Serie "Orphan Black" Aufstand der Klon-Kriegerinnen
Ganz am Anfang der Serie, da geht es Sarah Manning so richtig dreckig: blasser Teint, zu viel Eyeliner, zerschlissene Shorts. Die junge Frau hat allen Grund, mies drauf zu sein. Vor zehn Monaten ist sie aus Toronto abgehauen, jetzt kehrt sie zurück, um alte Wunden zu heilen. Es ist dunkel, sie ist müde, und sie steht allein an einem zugigen Bahngleis, versucht vergeblich, nach langer Funkstille ihre Tochter über ein Münztelefon zu erreichen. Ach ja, und dann ist da noch die Sache mit dem Suizid. Ein Scheißtag.
Während Sarah noch in den Telefonhörer flucht, kommt eine Frau auf den Bahnsteig, sie schluchzt, wirkt verzweifelt, zieht Schuhe und Blazer aus. Sarah nähert sich ihr von hinten, doch da ist es schon zu spät. Die beiden Frauen sehen sich nur wenige Sekunden direkt an, dann läuft die Fremde vor einen Zug. Sie ist sofort tot. Der Anblick allein wäre schon schlimm genug, selbst für die abgebrühte Punkerin Sarah. Doch der richtige Schock geht tiefer: Die Fremde war eine optische Kopie ihrer selbst.
Die BBC-Science-Fiction-Serie "Orphan Black" erzählt davon, wie die Waise Sarah die Identität der Toten annimmt - mit allem, was dazu gehört: das volle Bankkonto, der Sixpack-Freund, der Job als Polizistin. Doch bald folgt die Erkenntnis, nur ein Klon von vielen zu sein. Und deshalb auf der Liste eines Mörders zu stehen.
Die Serie macht süchtig
Klone, Identitätsklau, Rollentausch: Das sind beliebte Erzählstränge für TV-Serien. Manchmal geht das gründlich schief, wie beispielsweise bei "Buffy"-Darstellerin Sarah Michelle Gellar, die sich in "Ringer" nach dem vermeintlichen Tod ihrer Zwillingsschwester eine Staffel lang als eben diese ausgeben durfte. Manchmal entwickeln sich daraus harmlos-nette Serien wie "Drop Dead Diva", die ideal zur Hintergrundberieselung taugen.
Doch bei "Orphan Black" haben sich die Serienmacher um Graeme Manson und John Fawcett mehr Mühe gegeben. Trotz vertrauter Plots erschaffen sie eine mysteriöse, süchtigmachende Serienwelt, in der neben Schwarz und Weiß viel Platz für Grautöne bleibt. Die Mischung stimmt: "Orphan Black" ist nicht zu sehr Science-Fiction, nicht zu sehr Schnulze, nicht zu sehr Drama. Aber von allem ein bisschen und in der Kombination überzeugend.
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Die Klone werden nicht nur von außen bedroht, von einem Serienkiller. Sie plagen sich auch mit sehr persönlichen Fragen: Wer ist man, wenn es weitere Ichs gibt? Und: Wer ist das Original, wer bloß eine Kopie?
Eine herausragende Rolle spielt die kanadische Schauspielerin Tatiana Maslany, 28. Ihr nimmt man nicht nur die abgerockte Punkerin Sarah ab, eine Art britische Lisbeth Salander ohne Hacker-Kenntnisse. Sondern auch sämtliche andere Klon-Rollen, die sie übernimmt: die stylishe Polizistin, die spröde Soccer-Mom, die Hippie-Wissenschaftlerin. Am Ende vergisst man, dass sämtliche Rollen von derselben Person gespielt werden, so unterschiedlich sind Aussehen, Ausdruck und Dialekt.
Maslany bekam für ihre Darstellung einen Critics' Choice Award als beste Schauspielerin in einer Drama-Serie und setzte sich dabei unter anderem gegen Claire Danes ("Homeland") und Elisabeth Moss ("Mad Men") durch. Sie war außerdem für einen Golden Globe nominiert. Auch die Nebencharaktere in "Orphan Black" sind gut besetzt, einzig der Part von Sarahs Pflegebruder und bestem Freund Felix (Jordan Gavaris) droht zu stark ins Klischee abzurutschen: Er, der schwule Künstler und Stricher, liebt Lipgloss, gezupfte Augenbrauen und überkandidelte Gesten. Doch er ist einer der wenigen Zuverlässigen und Guten in Sarahs Leben und wird so nach einigen Folgen doch noch zum Sympathen.
Produziert wurde "Orphan Black" von Temple Street Productions in Kanada, im Auftrag von BBC Worldwide. Am Freitagabend startet die Serie nun auch im deutschen Fernsehen. Zu sehen sind die zehn Folgen auf ZDFneo, im Herbst will der Sender die zweite Staffel ausstrahlen. In den USA und Kanada ist diese bereits Mitte April angelaufen. Mit dabei: alte Fragen. Und neue Klone.
"Orphan Black", Freitag, 22 Uhr, ZDFneo