
Wenn Gratulanten unlustiger sind als der Jubilar, dessen Witze sie aufwärmen, ist das bei einer Familienfeier nur ein bisschen peinlich - bei einer Jubiläumssendung im ZDF deutlich unangenehmer. Wer hat Johannes B. Kerner nur auf Otto Waalkes losgelassen?
Am Anfang steht da Friedrich Liechtenstein, verkleidet als Petrus am Himmelstor, und weist den Einlass suchenden Otto ab. Entsetzt stolpert der auf die Bühne, wo Moderator Johannes B. Kerner eine "gute Nachricht" für ihn hat: "Das ist gar nicht die Hölle, das ist das ZDF."
Und tatsächlich ist "Hölle" ja ein sehr starkes Wort. Ein bisschen Fegefeuer war aber schon dabei, als das Zweite Waalkes zu seinem 50-Berufsjahre-Jubiläum mit der Tribute-Show "Otto - Geboren um zu blödeln" ehrte.
Das Konzept wirkte wie ein Ottifant, der sich selbst einen Knoten in den Rüssel gemacht hat und solcherart behindert dann zwei Stunden lang Trötversuche betreibt.
Vieles von Waalkes' Werk ist unverwüstlich, schon durch den Samstagsbad-Frotteeschlafanzug-Nimbus, der heutige Erwachsene bei der Erinnerung an Otto-Shows, -Bücher und -Platten der Siebziger und Achtziger umschmiegt. Harry Hirsch. Peter, Paul and Mary are planning a bank robbery. Schaumi, das Sahne-Shampoo aus dem Hause Schweisskopf. Kardinal Klappstuhl, Bischof Beutel, Susi Sorglos sind immer noch lustig, daran ändert auch ein abgeschrappter Rahmen nichts.
Warum aber lässt man den grobhumorischen Kerner diese Sendung moderieren, der bei erster Schein-Gelegenheit einen Höhöhö-da-holt-er-seinen-Pinsel-raus-Schwitzewitz macht?
Warum betont man zuerst Waalkes' Einzigartigkeit - und lädt dann Comedians ein, die seine Nummern teilweise so deutlich schwächer interpretieren als er selbst?
Und warum, die groteske Zusammenführung von Frage eins und Frage zwei, lässt man Kerner mit Klampfe einen echten Klassiker zuschanden reiten: Das Schaflied mit Dörte und Haaaraaaald. Großhirn an Faust: ballen! Schließlich gibt es doch in Ottos Oeuvre ein sehr klares Bekenntnis gegen billige Kopisten und Blender: "Wer gefälschten Zaster prägt und Schuh' aus Alabaster trägt, verdient, dass ihn der Mast erschlägt."
Guido Cantz verplärrt die klassische Büttenrede von Pharma-Referent Dr. Dreist ("Die Muttermilch mit DDT/ die tut doch wirklich niemand weh"). Bülent Ceylan schickte Hänsel und Gretel auf einen Holzweg, "da trafen sie die Angela Merkel, die ist da schon seit vielen Jahren unterwegs" - was er so für lustig hält: "Wenn ich mach Witz, ihr müsst lachen, sonst macht Ali Bombenstimmung." Sascha Grammel holte wieder einmal die Bauchredner-Schildkröte im Hochzeitskleid raus. Und Thomas Anders (Kerner: "Er ist jetzt schon seit vielen Jahren von der Nora-Kette gelassen.") schnulzte das Otto-Liebeslied: "Du bist die Leber, ich bin die Wurst."
Zwischendrin gibt es gottlob auch gelungenere Ehrbezeugungen, etwa von der Ersten Allgemeinen Verunsicherung, die eine sorgfältig ottoisierte Version von "Ding Dong" sang, und von Willy Astor, der Ottos "Bergdoktor" ("Der Elsass hatte seinen Schlafanzug Vogesen.") mit gebührender Wortspiel-Wirbelei darbot.
Unter dem Tisch
Den lustigsten Satz sprach die österreichische Moderatorin Ingrid Thurnher mit ernster Miene in einem Einspieler aus dem Jahr 1997, als der Jubiläumskomiker sie in der Nachrichtensendung "Zeit im Bild" besuchte und völlig außer Kontrolle geriet: "Herr Waalkes sitzt unter dem Tisch." Eine gute Idee, von der man gerne mehr gesehen hätte: Zeigen, was von den kindheits-nostalgischen Kicherquellen übrig bleibt, wenn man sie ins zeitgenössische Setting überträgt. So wie Marti Fischer, von Kerner mit verbal-onkelhaftem Wangenkniff als "einer dieser verrückten Nachwuchsstars" vorgestellt. Wie in seinem YouTube-Format "Ein Loop zwischendurch" schuf Fischer ein Sample-Mosaik aus Waalkes Dubček-Rap von 1977.
Statt mehr von solchen Überraschungen wurde sinnlos Ottos erste Freundin hergezeigt, das Ostfriesland-Klischee totgenudelt, und prominente Aufsageköpfe sagten Plemplem-Sätze auf. Guido Cantz: "Mein Bruder hatte Otto-Platten." Katharina Witt: "Mein Fön kann sprechen, hahaha!". Auch Scorpions-Mütze Klaus Meine darf sich äußern, weil er mal in einem Otto-Film ein paar Sekunden pfeifend an einer Ecke stand. Und Roberto Blanco blökt: "Otto, du weißt, wir kennen uns, hähä!"
Es wäre sehr interessant zu wissen, wie Otto selbst das alles fand.
Manchmal, man konnte es in seinem Gesicht sehen, freute er sich wirklich. Über Bully Herbig, der herzlich über sein kindliches Fandom und ihre Freundschaft sprach und mit dem er gemeinsam die Trio-Da-da-da-Version von "Hänsel und Gretel" sang. Über Marius Müller-Westernhagen, der ungewohnt ungestelzt von der gemeinsamen WG-Zeit und prekären Sauftouren erzählte und Waalkes als "wunderbaren Menschen" beschrieb - was Kerner sogleich mit "so ein schönes Kompliment - von einem deutschen Superstar!" plattwalzte.
Wer moderiert eigentlich sein 50-Jahre-Jubiläum?
Anja Rützel, Jahrgang 1973, taucht für den SPIEGEL u.a. im Trash-TV-Sumpf nach kulturellem Katzengold. In ihrer Magisterarbeit erklärte sie, warum "Buffy the Vampire Slayer" eine sehr ausführliche Verfilmung der aristotelischen Argumentationstheorie ist. Sie glaubt: "Everything bad is good for you" - und dass auch "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!" tieferen Erkenntnisgewinn liefern kann. Ihr Buch über ihre Liebe zu Take That erschien als Teil der Musikbibliothek bei Kiepenheuer und Witsch.