
Panik-Talk: Maischbergers Krisenkollaps
Panik-Allerlei bei Maischberger Schlingernd durch die Apokalypse
Es war schlimm. Wird's bald noch schlimmer? Eine spannende Frage, die "Menschen bei Maischberger" diesmal unter der etwas alarmistischen Überschrift "Panikjahr 2011: Kommt 2012 der Kollaps?" aufgeworfen hat. Ein havarierter Atommeiler in Japan, eine bröckelnde Währung in Europa, ungewisse Umwälzungen in Arabien - Krisen überlagern einander derzeit wie feuchte Farbschichten eine frischgestrichene Wand, die Katastrophe in Permanenz scheint die Signatur unserer Zeit zu sein.
Gerne hätte man daher einem ausführlichen Gespräch darüber mit dem ehemaligen ARD-Börsenonkel Frank Lehmann gelauscht, dessen Handwerk die Beruhigung ist. Und der früh feststellte: "Die Sendung ist ja furchtbar grausam, was den Titel angeht." Mit wohligem Grusel hätte man dem konservativen Haudegen Peter Scholl-Latour dabei zugesehen, wie er aus der tiefen Zisterne seines Wissens eimerweise Pessimismus schöpft. Lindernd hätten die frommen Mahnungen von Margot Käßmann sein können, der Nähmaschine Gottes. Gerne hätte man gewusst, woher der rechte Journalist Roger Köppel aus der Schweiz ("Weltwoche") seinen aufreizenden Optimismus nimmt, und noch lieber hätte man den linken Journalisten Jakob Augstein ("Der Freitag") dabei beobachtet, wie er Köppel Wort für Wort zu widerlegen sucht. Allein, es ging alles ein wenig durcheinander und kaum apokalyptisch zu in dieser verkappten Jahresrückblickssendung.
Westerwelle, haha, Merkel, hehe, Guttenberg, hihi
Gleich zu Beginn durfte der Kabarettist Mathias Richling als kleine "tour d'horizon" durch das vergangene Jahr seine typisch hektischen Scherzchen über das politische Personal machen, Westerwelle, haha, Merkel, hehe, Guttenberg, hihi, und man merkte sogleich: Es war und wird alles gar nicht so schlimm. Oder? Fangen wir mal mit der Ökonomie an. Wo sollen wir denn nächstes Jahr noch unser Geld anlegen? "Och, Immobilien, Gold, the sky is the limit", rät Lehmann. Kommen die Euro-Bonds? "Klar werden wir einen europäischen Finanzausgleich haben", das wünschten sich auch die Asiaten. Lehmann nimmt einem mit seiner Leutseligkeit selbst dann alle Sorgen, wenn er sagt, dass er einem leider keine Sorgen nehmen könne, dann erst recht.
Käßmann nickt zustimmend und lehrt, der Begriff "Ökonomie" leite sich vom griechischen Wort "oikos" für Haus- und Wirtschaftsgemeinschaft ab, und im "Haus Europa" wünschten sich nun "die Menschen etwas mehr Ruhe". Als sie dann auch noch den Götzen Mammon ins Spiel bringt, beendet Köppel den Kirchentagskitsch mit dem Hinweis, bei "den Märkten" handele es sich keineswegs um obskure biblische Mächte, sondern "um uns alle" beziehungsweise um unser irgendwo obskur vor sich hinarbeitendes Geld. Treffer. Sogar Augstein sekundiert, das Problem dürfe nicht moralisiert, sondern müsse politisiert werden. Versenkt.
Köppel köppelt weiter, die von Lehmann erwartete "Schuldengemeinschaft" wäre Europas Untergang. Augstein hält dagegen: "Wir haben eine Bankenkrise", das Wort von der "Schuldenkrise" sei nur ein ideologischer Kampfbegriff. Es gelte, gewissen Eliten das Handwerk zu legen. Für eine Weile prallen hier ungebremst die gegensätzlichsten Meinungen aufeinander, dass die Funken fliegen: Augstein sieht den "längst widerlegten Neoliberalismus an der Macht", Köppel "den totalen Triumph sozialdemokratischer Ideen".
Und jetzt zu etwas völlig anderem
So geht das hin und her, bis ausgerechnet Scholl-Latour schlichtend eingreift und das Problem verkleinert, indem er es durch das bewährte Teleobjektiv der Geschichte betrachtet: Gerade die Schweiz mit ihren lange verfeindeten Kantonen gebe doch das Modell ab für die Europäische Union. Aus der "karolingischen Achse" zwischen Frankreich und Deutschland müsse Europa neu entstehen, der "rheinische Kapitalismus" sei nun einmal durch den "angelsächsischen Casino-Kapitalismus" ersetzt worden.
Hier beendet Sandra Maischberger den relevanten Teil des Abends und zaubert in bester Monty-Python-Manier "something completely different" aus dem Hut: Karl-Theodor zu Guttenberg! Sein Aufstieg, sein Fall, seine Rückkehr. Mit dem "Panikjahr 2011" hat das nichts zu tun, dient aber zur Vorbereitung der Frage an Käßmann, ob sie nun in die SPD einzutreten oder wenigstens wieder Bischöfin zu werden beabsichtige. Nein, nein, und nochmals nein, nicht einmal Guttenbergs komisches Comeback mag die Kirchenfrau kommentieren. Zur vielleicht etwas vorschnellen Rückkehr des Freiherrn aber hat jeder eine Meinung, und so verbreitet sich bald eine ungut aufgeheizte Kaffeekränzchenatmosphäre.
Arabien und Atomausstieg nicht vergessen!
Erst ein Einspieler zum Arabischen Frühling bringt die schlingernde Sendung wieder zur Besinnung, auch wenn auf der Karte von Nordafrika fälschlicherweise Algerien als Umsturzland dargestellt wird - vielleicht, damit das alles etwas bedrohlicher wirkt. Scholl-Latour hat darüber gerade ein Buch geschrieben, hier ist er ganz Geostratege, hier darf er's sein. Wir sollten "zu Gott beten", dass in Ägypten 2012 die verhältnismäßig moderaten Muslimbrüder an die Macht kämen - und nicht die von Saudi-Arabien finanzierten Salafisten. Scholl-Latour kann gerade noch eine Lanze für Syrien brechen, das sei "immerhin der letzte laizistische arabische Staat", da schüttelt Herr Lehmann schon den Kopf über die unbedachte Energiewende der Kanzlerin. Spätestens ab 2020, orakelt Lehmann, komme es nämlich zu einem "gigantischen Verteilungskampf ums Öl". Frau Käßmann findet den Ausstieg aus der Atomkraft trotzdem gut. Augstein auch. Köppel nicht so sehr.
Einig sind sich am Ende alle, als es um deutsche Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien oder Angola geht. Schlimm. Wird's bald noch schlimmer? Kommt jetzt 2012 der Kollaps? Klar kommt der, sogar knüppeldick. Laut dem Kalender der Maya wird am 21. Dezember 2012 die Welt untergehen. Wo ist eigentlich Erich von Däniken, wenn man ihn mal braucht?