
Transgender-"Polizeiruf" aus Magdeburg Mordmotiv Vagina-Neid
- • Hacker-"Polizeiruf" aus Magdeburg: Lowtech-Cops in der Hightech-Falle
- • "Polizeiruf" über illegale Autorennen: Magdeburg auf Speed
Als sie vor drei Jahren das erste Mal verhaftet wurde, war sie laut ihren Papieren noch ein Mann. Als sie sie nun das zweite Mal in Kontakt mit der Polizei gerät, ist sie eine Frau. Die Unschuldsvermutung galt und gilt bei ihr nur bedingt. Die Blumenverkäuferin Pauline Schilling (Alessija Lause) ist es gewohnt, dass Spekulationen befeuert werden, wo der Körper Geschlechtergrenzen übertritt. Wer für das Gegenüber nicht fassbar erscheint, auf die oder den lässt sich leicht jeder Verdacht projizieren.
Im Falle von Pauline Schilling ist das der Verdacht, zwei junge Frauen getötet zu haben. Vor drei Jahren wurde eine Prostituierte ermordet aufgefunden, jetzt die Arzthelferin einer psychiatrischen Praxis. Bei beiden Frauen wurden nach dem Tod die Beine verschnürt, so als wollte der Täter oder die Täterin das Geschlechtsorgan der Opfer zudrücken.
Mit der Prostituierten pflegte Schilling damals Kontakt, weil diese die Frau verkörperte, die sie selber werden wollte. Die Arzthelferin arbeitete bei der Therapeutin, die Schilling bei der Geschlechtsangleichung begleitete. Für die Polizei ist die Transfrau die ideale Täterin, schon weil die rituell anmutende Inszenierung der beiden Opfer die Tat sexuell lesbar macht: Mordmotiv Vagina-Neid?
Dieser Transgender-"Polizeiruf" ist sehr plastisch. Vor allem in seinen Dialogen. Am besten aber sind die kurzen Gesprächsszenen zwischen Kommissarin Doreen Brasch (Claudia Michelsen) und der Hauptverdächtigen, weil sie die Projektionsmechanismen der einen als auch die Selbstbehauptung der anderen auf den Punkt bringen.
Kommissarin: "Warum haben Sie Prostituierte besucht?"
Verdächtige: "Um Frauengespräche zu führen. Am Anfang habe ich sogar dafür bezahlt. Und dann waren Jessi und ich irgendwann Freunde."
Kommissarin: "Sie haben gesagt, dass Jessica Peschke Ihnen den einen oder anderen experimentierfreudigen Freier abgetreten hat."
Verdächtige: "Weil man mir das geglaubt hat."
Brasch pathologisiert und kriminalisiert ihr Gegenüber, Schilling besteht auf ihr Frausein, auf ihre sexuelle Strahlkraft. Die Auseinandersetzung zwischen Spekulation und Selbstbehauptung geht in eine zweite Runde:
Kommissarin: "Waren Sie neidisch auf Jessica Peschke, auf das, was sie hatte, auf das Echte?"
Verdächtige: "Bitte was?"
Kommissarin: "Na ja, wenn jemand eine Frau war, dann war das Jessica Peschke, und wenn jemand, damals jedenfalls, noch keine Frau war, dann waren Sie das."
Verdächtige: "Sie haben keine Ahnung, mein Körper war damals vielleicht noch nicht soweit, aber mein Kopf war es immer."
Dieser "Polizeiruf" ist der bislang anspruchsvollste aus dem lange Zeit glücklosen TV-Revier in Sachsen-Anhalt. Drehbuchautor Wolfgang Stauch und Regisseur Torsten C. Fischer hatten schon in der vorherigen Folge milde innovative Akzente gesetzt, hier finden sie einen Weg, das Transgender-Thema in den Sonntagskrimi zu bringen, ohne dass da ein allwissender Erklärbär den Sachverhalt für die ganz Blöden erläutern muss. Die Therapeutin (Birge Schade), die der Verdächtigen bei ihrer Geschlechtsangleichung begleitet hat und der Polizei Auskunft gibt, ist ebenfalls transgender. Sie argumentiert sehr plastisch - und nicht aus der im Sonntagskrimi üblichen Expertinnen-Distanz.
Bettina Müller / HR
Wie besetzt man so eine Transgender-Geschichte? In der Serie "Pose", die in New Yorks fabulöser queerer Ballroom-Szene der Achtziger spielt und gerade bei Netflix zu sehen ist, werden die Transfrauen von Trans-Darstellerinnen gespielt. Das Filmprojekt "Rub und Tug" über einen transgender Unterweltkönig wurde letztes Jahr auf Eis gelegt, nachdem die vorgesehene Hauptdarstellerin Scarlett Johansson erkannt hatte, dass sich ihre Figur als Mann identifiziert.
Eine Frau, schon immer
Auch die Verantwortlichen des "Polizeiruf" haben bei der Besetzungsfrage mit sich gerungen. Ursprünglich war für die Hauptrolle eine Trans-Schauspielerin angedacht; weil die Suche erfolglos blieb, wurde eine nicht-transgender Schauspielerin engagiert. Das mag nicht ideal erscheinen, entspricht aber der Logik der Figur: Weil diese sich immer als Frau gefühlt hat, wird sie von einer Frau verkörpert und nicht von einem Mann, der sich als eine verkleidet.
Die Schauspielerin Alessija Lause ringt der Sehnsucht ihrer Pauline, endlich auch im Spiegel der anderen als das wahrgenommen zu werden, was sie ist, einige starke Szenen ab. Etwa in der Beziehung zu einem Sparkassen-Angestellten, der unfähig ist, seine Anziehung in offene Liebe zu verwandeln - ein Motiv, das auch im Transgender-Spektakel "Pose" eine zentrale Rolle spielt.
Zugegeben, der in Raucherkneipen, Bordellen und Sparkassen-Restaurants spielende "Polizeiruf" ist kein Spektakel; es gibt Momente, da quietscht es im Getriebe, um den identitätspolitischen Subtext in den Krimi-Plot zu bringen. Doch als Grußadresse des Mainstream-Fernsehens an eine Gesellschaft der offenen Geschlechtsentwürfe hält er einige überraschend glaubwürdige, überraschend zärtliche Momente parat.
Bewertung: 8 von 10 Punkten
"Polizeiruf 110: Zehn Rosen", Sonntag, 20.15 Uhr, ARD
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Am Tatort: Kommissarin Brasch (Claudia Michelsen) und Kollege Köhler (Matthias Matschke)
Die Liebe einer Frau: Pauline (Alessija Lause) will mit Sebastian (Jan Krauter) zusammen sein - aber der zaudert.
Ein Ritualmord? Brasch bekommt erste Infos vom Rechtsmediziner (Henning Peker).
Die Untersuchungen führen Brasch und Köhler unter anderem in ein Kellerverlies.
Blumenverkäuferin mit Geheimnis: Pauline Schilling in ihrem Laden
Serienthema Trans: In dem Ballroom-Spektakel "Pose" werden Transgender-Frauen auch von Transgender-Frauen verkörpert.
Untersuchungen im Abgrund: entdeckt einen Kerker mit Schlafsack und Luftmatratze.
Aufgebracht: Köhler lässt sich von Freise (Sven Schelker), dem Freund der toten Arzthelferin, provozieren.
Verhör: Köhler glaubt Schilling nicht und nimmt sie in die Mangel.
Freundinnen beim Schuleschwänzen: Gleich entdecken Julia (Moana Goetze) und Catalina (Sophia Sauermann) eine Leiche.
Murot in Hessen
Keine Angst vor dem Pianisten! Ob am Klavier, an der Kettensäge oder am Maschinengewehr – Ulrich Tukur als Kommissar Murot ist fast immer eine Sensation. Fast immer: Die Nummer mit den Gauklern in der Zirkus-Folge »Schwindelfrei« von 2013 war wirklich übel, dafür war die Tarantino-meets-Truffault-Folge »Im Schmerz geboren« 2014 ein absolutes Meisterwerk, und auch die Doppelgänger-Folge Und Jacques-Tati-Hommage vom November war ein echter Lichtblick in düsteren Tagen.
Bettina Müller / HR
Lannert und Bootz in Stuttgart
Richy Müller als Thorsten Lannert und Felix Klare als Sebastian Bootz sind prima Kerle. Der eine mit tragischer Undercover-Ermittler-Vergangenheit, der andere als ehrenhaft gescheiterter Ehemann. Seit 2008 sind sie im Einsatz, am Anfang wurden die Fälle noch arg routiniert runtergespült. Doch die jüngsten Stuttgart-Episoden behandelten auf ästhetisch höchstem Niveau Aufregerthemen wie Stuttgart 21, unaufgearbeitete RAF-Geschichte sowie Pflegenotstand. Und der Sniper-Krimi (siehe Bild) bot zuletzt großes Thriller-Kino.
Benoît Linder/ SWR
Die ewigen Junggesellen: Seit weit mehr als einem Vierteljahrhundert sind die beiden älteren Jungs jetzt schon im Einsatz – und immer noch gut für einen Skandal. Unvergessen eine der jüngeren Episoden, in der Kommissar Ivo Batic (Miroslav Nemec, M.) und Kollege Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) im Münchner Porno-Milieu ermittelten. Aber auch der melancholische Surfer-Krimi mit Portugal-Impressionen und das brutal genaue Sittengemälde aus der Münchner Vorstadt vor der Sommerpause waren Vorzeigewerke für den ARD-Sonntagskrimi.
Gorniak, Winkler und Schnabel in Dresden
Lustig ging es los, unentschieden ging es weiter, düster ist es geworden. Alwara Höfels, Karin Hanczewski und Martin Brambach hatten in den ersten Folgen sehr zu kämpfen mit dem unausgegorenen Konzept des MDR. Höfels zog inzwischen die Konsequenzen und verabschiedete sich. Nun hat Cornelia Göschel als Kommissarin Winkler übernommen. Der Dresden-»Tatort« will nun ein harter, zeitgemäßer Cop-Krimi sein.
Berg und Tobler im Schwarzwald
Eva Löbau als Franziska Tobler und Hans-Jochen Wagner als Friedemann Berg benötigen keine Dialogfanfaren oder exotische Rollenbiografien. Sie verwerten, was dieser witterungsintensive Krimi-Schwarzwald hergibt. Ein Heimatkrimi, in dem alles lokal produziert wird: Obst, Schnaps, der Tod. Mit den letzten, exzeptionellen Folgen bewies das Revier in Deutschlands äußerstem Südwesten aber auch eine extreme Risikobereitschaft und zeigte jeweils einen Fall aus der Perspektive eines Schizophrenen, eines Sexualstraftäters und einer Prostituierten.
Boerne und Thiel in Münster
Der Prof und der Proll: Seit 2002 ermitteln Jan Josef Liefers als Gerichtsmediziner Karl-Friedrich Boerne und Axel Prahl als Frank Thiel zwischen Keksdynastien, Kartoffelkönigen und Spargelkaisern. Der eine Snob und eng verbandelt mit der Münsteraner Honoratiorenschaft, der andere St.-Pauli-Fan und Outsider. Eine Kombination, mit der anfangs gekonnt grotesker Humor in den »Tatort« geschmuggelt wurde, der erschöpfte sich in den letzten Jahren aber in Gag-Kanonaden. Trotzdem jede einzelne Boerne/Thiel-Folge ein Quotenhit.
Schürk und Hölzer in Saarbrücken
Die neue Düsternis: Nachdem Devid Striesow als Kommissar Stellbrink eher glücklos versucht hatte, gute Laune im Saarland zu verbreiten, ist der Relaunch zum April 2020 im guten Sinne spaßbefreit geraten: Daniel Sträßer (l.) als Adam Schürk und Vladimir Burlakov als Leo Hölzer sind so geheimnisvolle wie grimmige Ermittler. Ihr erster Auftritt war stark und stimmig, der zweite ist noch in Arbeit. Nur an den im Saar-»Tatort« stets fragwürdigen Frauenbildern sollte unbedingt noch geschraubt werden.
Borowski und Sahin in Kiel
Der Weltenwandler: Als Klaus Borowski ist Axel Milberg am besten, wenn er in Parallelkosmen von Psychopathen hinabsteigt – vielleicht weil Borowski selbst nah am Wahnsinn gebaut ist. Seit 2003 dabei, stand er bis 2009 sinnigerweise unter der Beobachtung einer Polizeipsychologin. Doch die Frauen kommen und gehen im Borowski-»Tatort«. Nach Maren Eggert und Sibel Kekilli hat nun die hoch gehandelte türkeistämmige Schauspielerin Almila Bagriacik (»4 Blocks«) die Rolle des weiblichen Sidekicks übernommen.
Tschiller in Hamburg
The Last Action Hero: Der zu Extra-Konditionen engagierte Megastar Til Schweiger brachte der Krimireihe keine Megaquoten als Kommissar Tschiller. Auch nicht durch Panzerfaust- und Helene-Fischer-Einsatz. Nach an der Publikumsfront gescheiterten Action-Blockbuster-Versuchen zeigte die sechste Folge den Haudrauf dann als gebrochene Figur. Mal sehen, wie es weitergeht. Nach der begonnenen Therapie des letzten deutschen Action-Cops darf er jetzt gern wieder zur Schusswaffe greifen.
Dorn und Lessing in Weimar
Ist das noch ein Krimi? Nora Tschirner als Kommissarin Dorn und Christian Ulmen als Kollege Lessing lassen mit lässiger Eleganz die üblichen »Tatort«-Ermittlerstanzen ins Leere laufen – und das ausgerechnet im Einflussgebiet des MDR, wo man sich früher schwertat mit Humor und Subversion. Nach der anfänglich schleppenden Programmierung als Event-»Tatort« ermitteln Dorn und Lessing nun zweimal im Jahr.
Falke in Norddeutschland
Für immer Punk: Wotan Wilke Möhring als Kommissar Falke hört Punk und trägt zum Schlafen wie zum Ermitteln ein fadenscheiniges Ramones-Shirt. Erst war er in Hamburg unterwegs, dann musste er Til Schweiger die Stadt überlassen und zog ins norddeutsche Umland ab, jetzt darf er wieder in Hamburg ermitteln. In der Rolle der Co-Ermittlerin agiert Franziska Weisz als Julia Grosz. Zwei Folgen im Jahr.
Faber und Bönisch in Dortmund
Die Kranken: Jörg Hartmann schluckt als Peter Faber reichlich Pillen und schlägt Toiletten kaputt. Anna Schudt als Kollegin Martina Bönisch steigt mehr zum Frustabbau als zum Lustgewinn mit Callboys und Staubsaugervertretern ins Bett. Eines der wenigen TV-Reviere mit stringenter Figurenentwicklung. Die Elite des deutschen Fernsehkrimis. Bei den jungen Sidekicks herrscht allerdings ein gewisses Kommen und Gehen. Noch dieses Jahr wir Aylin Tezel den Krimi verlassen, als Nachfolgerin wird im nächsten Jahr Stefanie Reinsperger zu sehen sein.
Brix und Janneke in Frankfurt
Wie sind die denn drauf? So ausgeglichen wie Paul Brix (Wolfram Koch, l.) und Anna Janneke (Margarita Broich, r.) geht sonst niemand in Fernsehkrimideutschland zur Arbeit. Gute Laune als Alleinstellungsmerkmal, ein interessanter Dreh. Statt Reibung die geballte Aufmerksamkeit für den jeweiligen Fall. Brix war früher bei der Sitte, Janneke hat zuvor als Psychologin gearbeitet: Eine gute Ergänzung, um in die harten, kranken und doch oft auch heiter verdrehten Fälle des hessischen »Tatorts« hinabzusteigen. Hier wird gern experimentiert, unvergessen der Geisterhaus-Horror, der für heftige Debatten innerhalb der ARD sorgte. Zwei Folgen im Jahr.
Rubin und Karow in Berlin
Er ein Schwein, sie eine Schlampe: Im Gegensatz zu den einstigen sonnigen Hauptstadt-Cops Ritter und Stark sind »Tatort«-Nachfolger Mark Waschke als Robert Karow und Meret Becker als Nina Rubin mit extrem schwarzem Strich gezeichnet. Während Karow in der ersten Episode krumme Geschäfte mit der Drogenmafia laufen hat, vergnügt sich Rubin bei SM-Spielchen in den Hinterhöfen von Kreuzberger Hipster-Bars. Neben krassen Charakterzeichnungen gibt es im radikal modernisierten Berliner »Tatort« vor allem stimmige Hauptstadtimpressionen. Zwei Folgen pro Jahr. Meret Becker wird die Reihe bald verlassen, ihre Nachfolgerin wird Corinna Harfouch.
Lindholm in Hannover und Göttingen
Die Frau von heute: Seit 2002 ist Maria Furtwängler in der Rolle der Charlotte Lindholm in Niedersachsen unterwegs und wurde in den letzten Jahren zum Inbegriff der modernen weiblichen Ermittlerin. WG-erfahren, hochschwanger während brisanter Ermittlungen, später brachte sie Kind und Karriere gut zusammen. Lindholm ist die personifizierte Selbstoptimierung, im Herzen konservativ, aber offen für Experimente. Inzwischen steht Lindholm die von Florence Kasumba gespielte Kommissarin Anaïs Schmitz zu Seite.
Voss und Ringelhahn in Franken
Die Fremden: Felix Voss ist ein verirrtes und verschlossenes Nordlicht mit Vorliebe für Techno-Exzesse, Paula Ringelhahn machte noch zu Mauerzeiten aus dem Osten rüber, weil sie an Freiheit und Demokratie glaubte. Jetzt ermitteln die beiden Kommissare, die überhaupt nicht zueinanderpassen, in einer Gegend, in der sie zudem noch deplatziert wirken. Eine reizvolle Grundsituation. Einmal jährlich gehen Fabian Hinrichs und Dagmar Manzel als ungleiches Paar im Hinterland von Unter-, Mittel- und Oberfranken auftreten. Hinrichs hatte zuvor schon in einer BR-Episode als Ermittler-Kauz Gisbert für Furore und verliebtes Publikum gesorgt.
Eisner und Fellner in Wien
Der doppelte Espresso: Seit 1999 ermittelt Harald Krassnitzer als Major Moritz Eisner mürrisch, praktisch, gut. An die 5000 Tassen Mokka und andere starke koffeinhaltige Getränke hat er seitdem in sich hineingeschüttet. Seit 2011 wird er von Adele Neuhauser als Bibi Fellner unterstützt, einer (meistens) trockenen Alkoholikerin mit Hang zur Halbwelt am Prater. Wien, düster und kalt wie ein kleiner abgestandener Schwarzer. 2014 gab es den Grimme-Preis.
Ballauf und Schenk in Köln
Das Ehepaar: Klaus J. Behrendt als Max Ballauf und Dietmar Bär als Freddy Schenk standen lange für den guten alten Soziokrimi – kein Thema, das von den beiden nicht warmherzig wegermittelt und wegerklärt wurde. Schenk hat zu Hause eine Frau, die man noch nie gesehen hat. Aber mal ehrlich: Was kann die schon gegen seine große Liebe Ballauf ausrichten? Seit 1997 dabei, drei bis vier Fälle im Jahr. Nachdem Anfang 2014 Assistentin Franziska grausam aus dem TV-Revier gemordet wurde, geht es bei den Kölnern düsterer und unversöhnlicher zu. Steht den beiden »Tatort«-Oldies eigentlich ganz gut.
Odenthal in Ludwigshafen
Die Experimentiermaschine: Hier gab es die schönsten amourösen Eskapaden und die verwegensten Storys – samt Ausflug ins All. Ulrike Folkerts als Lena Odenthal ist seit 1989 im Einsatz, Andreas Hoppe als Mario Kopper stieß 1996 dazu, hat aber den »Tatort« 2017 wieder verlassen. Zurzeit stellt der SWR mit dem TV-Revier allerhand Versuche an, die beiden Impro-Folgen blieben aber weit hinter den Erwartungen zurück. Trotzdem: Bitte weiter experimentieren!
Murot in Hessen
Keine Angst vor dem Pianisten! Ob am Klavier, an der Kettensäge oder am Maschinengewehr – Ulrich Tukur als Kommissar Murot ist fast immer eine Sensation. Fast immer: Die Nummer mit den Gauklern in der Zirkus-Folge »Schwindelfrei« von 2013 war wirklich übel, dafür war die Tarantino-meets-Truffault-Folge »Im Schmerz geboren« 2014 ein absolutes Meisterwerk, und auch die Doppelgänger-Folge Und Jacques-Tati-Hommage vom November war ein echter Lichtblick in düsteren Tagen.
Foto:Bettina Müller / HR
Lannert und Bootz in Stuttgart
Richy Müller als Thorsten Lannert und Felix Klare als Sebastian Bootz sind prima Kerle. Der eine mit tragischer Undercover-Ermittler-Vergangenheit, der andere als ehrenhaft gescheiterter Ehemann. Seit 2008 sind sie im Einsatz, am Anfang wurden die Fälle noch arg routiniert runtergespült. Doch die jüngsten Stuttgart-Episoden behandelten auf ästhetisch höchstem Niveau Aufregerthemen wie Stuttgart 21, unaufgearbeitete RAF-Geschichte sowie Pflegenotstand. Und der Sniper-Krimi (siehe Bild) bot zuletzt großes Thriller-Kino.
Foto:Benoît Linder/ SWR
Die ewigen Junggesellen: Seit weit mehr als einem Vierteljahrhundert sind die beiden älteren Jungs jetzt schon im Einsatz – und immer noch gut für einen Skandal. Unvergessen eine der jüngeren Episoden, in der Kommissar Ivo Batic (Miroslav Nemec, M.) und Kollege Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) im Münchner Porno-Milieu ermittelten. Aber auch der melancholische Surfer-Krimi mit Portugal-Impressionen und das brutal genaue Sittengemälde aus der Münchner Vorstadt vor der Sommerpause waren Vorzeigewerke für den ARD-Sonntagskrimi.
Foto: Hendrik Heiden/ Hendrik Heiden/ BRSchürk und Hölzer in Saarbrücken
Die neue Düsternis: Nachdem Devid Striesow als Kommissar Stellbrink eher glücklos versucht hatte, gute Laune im Saarland zu verbreiten, ist der Relaunch zum April 2020 im guten Sinne spaßbefreit geraten: Daniel Sträßer (l.) als Adam Schürk und Vladimir Burlakov als Leo Hölzer sind so geheimnisvolle wie grimmige Ermittler. Ihr erster Auftritt war stark und stimmig, der zweite ist noch in Arbeit. Nur an den im Saar-»Tatort« stets fragwürdigen Frauenbildern sollte unbedingt noch geschraubt werden.
Foto: Manuela Meyer/ SRMelden Sie sich an und diskutieren Sie mit
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