Fotostrecke

MDR-"Polizeiruf": Grüße vom rechten Rand!

Foto: ARD

Neuer "Polizeiruf" aus Magdeburg Mein Sohn, die Nazi-Sau

Magdeburg hat endlich einen "Polizeiruf" - und gleich geht's um Neonazis. Brisanter Stoff, den aber selbst Spitzenkräfte wie Claudia Michelsen als Kommissarin Wodka und Sylvester Groth als Kommissar Rohkost nur ungelenk umsetzen.

Ganz weich sprechen sie die Konsonanten ihrer Heimatstadt aus: "Machdeburch". Ansonsten herrscht Stechschritt-Intonation. Eine Gruppe von Neonazis hat eine Industrieruine zu Wohnraum umgewandelt, heute ist Sommerfest, es gibt sogar eine Hüpfburg für die Kleinen. Und zum Tanz spielt eine Band namens Blitzkrieger auf.

In der Ansprache erklärt einer der jungen Lokalpatrioten, dass man Magdeburg nicht aufgeben, dass man nicht wie alle anderen jungen Leute fortgehen werde, sondern an die Zukunft der Stadt glaube. Magdeburg, so die fiktiven Nazis in einer Szene des neugeschaffenen "Polizeiruf", soll wieder schöner werden.

Ähnliches, wenn auch anders umgesetzt, dürften die realen Stadtväter im Sinn haben. Umso glücklicher war man, als bekannt wurde, dass der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) sein langgedientes "Polizeiruf"-Revier in Halle schließt, um ein neues in der Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt zu eröffnen. Ein wichtiger Image-Faktor.

Die Freude war aber schnell getrübt, als bekannt wurde, dass es gleich in der ersten Folge ums Thema Rechtsextremismus gehen soll. Hinter den Kulissen soll es Stress gegeben haben. Am Ende sah man wohl ein, dass es besser sei, mit einem negativen Image in der ARD-Primetime vertreten zu sein als gar nicht. Zur Premiere in einem Multiplex-Kino von Magdeburg im September sprach Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) schließlich ein paar tapfere Worte.

Mit dem Thema Neonazismus im deutschen Fernsehen ist das ja so eine Sache; gerne stellt man ein paar rasierte Schädel als Angststaffage ins Bild, die tieferen Ursachen für den Extremismus bleiben aber meist ungeklärt. Der neue "Polizeiruf" versperrt sich so einem spekulativem Glotzen auf die Glatzen. Er ist tatsächlich brisant, weil er die Verbindungen zwischen rechtem Untergrund und bürgerlicher Gesellschaft aufzuzeigen versucht. Die Nazis organisieren in der Auftaktfolge "Der verlorene Sohn" Kinderfeste, sie holen die Jugendlichen zu Sportkursen, sie versuchen, mit Kampagnen für die Stadt zu werben. Klassisches Honoratiorentum, leider eben vom rechten Rand.

Lady Wodka und Kommissar Rohkost

Eine starke Prämisse - der aber eine starke Inszenierung fehlt. Der MDR hat keine Kosten und Mühen gescheut, vielversprechendes Personal anzuheuern. Mit Claudia Michelsen ("42plus") und Sylvester Groth, die beide aus dem Osten stammen, hat man zwei der besten deutschen Schauspieler als Kommissare gewonnen; mit den Brüdern Friedemann und Christoph Fromm (Regie und Buch) eine der effizientesten Kreativzellen des deutschen Fernsehens. Die beiden hatten im ja selten abgefilmten Magdeburg schon Szenen für ihr Emmy-gekröntes Nachkriegspanorama "Die Wölfe" gedreht. Hier nun geben alle zusammen so viel Gas, dass sich der Zuschauer gleich zu Anfang überfahren fühlen muss.

Allein Claudia Michelsen als Hauptkommissarin Doreen Barsch: Heizt mit dem Motorrad nachts über Elbbrücken, obwohl sie kurz zuvor versucht hat, einen Typen am Tresen für einen One-Night-Stand mit etlich gemeinsam gekippten Schnapsgläsern besoffen zu machen. Lederjacke und Biker-Boots, massive Hormon-Ausschüttungen und hohes Aggressionspotential: So eine schüchtert Kerle schnell ein. Hat mit 17 einen Sohn bekommen, den sie nie recht in ihr Partyleben integrieren konnte, führte Beziehungen mit Kriminellen. Was für eine Vita.

Sylvester Groth als Hauptkommissar Jochen Drexler ist das Gegenteil: Hat immer im Stillen gearbeitet, benutzt brav öffentliche Verkehrsmittel, isst zum Frühstück Salat aus der Tupper-Dose.

Lady Wodka und Kommissar Rohkost: Der Kontrast zwischen den Ermittlern, die bei ihrem ersten Einsatz den Mord an einem afrikanischen Asylbewerber aufzuklären haben, wirkt noch arg konstruiert. Von der natürlichen Symbiose, die zum Beispiel Nina Kunzendorf als Sinnlichkeitsbombe und Jochen Król als zugeknöpfter Jazzsnob bis Anfang dieses Jahres im Frankfurter "Tatort" an den Tag legten, sind die Magdeburger noch weit entfernt.

Das Erzählen folgt hier keinem Flow, stattdessen folgt eine aufgesetzte Wendung auf die nächste. Der Hauptverdächtige, ein zwielichtiger russischer Sportstudiobesitzer, der mit Anabolika handelt, ist ein ehemaliger Liebhaber von Ermittlerin Barsch. Damit nicht genug: In der Neonazi-Zelle, zu der die Untersuchungen führen, hat ihr verlorener Sohn eine neue Heimat gefunden. Ein bisschen viel Zufall, auch mit viel Wohlwollen mag man da irgendwann nicht mehr folgen.

Dabei liegt gerade in der Kombination von überforderter Ermittlermutter und hasserfülltem Nazi-Sohn brisantes Potential. Der rechte Rand, er beginnt gleich im Behördenumfeld. Auch diese Unterstellung wird den Stadtvätern von Magdeburg nicht schmecken.


"Polizeiruf 110: Der verlorene Sohn", Sonntag, 20.15 Uhr, ARD

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren