"Postillon24" beim NDR Pointen, von ganz weit hergeholt

Anne Rothäuser und Thieß Neubert von "Postillon24": Wirklich lustig war nur der Wetterbericht

Anne Rothäuser und Thieß Neubert von "Postillon24": Wirklich lustig war nur der Wetterbericht

Foto: ARD

Der "Postillon" ist eine der großen Erfolgsgeschichten im komischen Genre. Jetzt bringt der NDR das Angebot als "Postillon24" ins Fernsehen - und scheitert.

Das Sympathischste an "Der Postillon" ist die Tatsache, dass es ihn überhaupt gibt. Seit 2008 arbeitet Stefan Sichermann, ein ehemaliger Werbetexter, an seriös präsentierten Nachrichten mit einem erleichternden Dreh ins Sinnfreie. Damit ist er so erfolgreich, dass er inzwischen davon leben kann. 2013 hat ihn das Grimme-Institut mit einem Preis in der Kategorie "Information" ausgezeichnet - augenzwinkernd, versteht sich. In ihrer Begründung lobte die Jury, "Der Postillon" beraube täglich eine Nachricht ihrer "Verkleidung", und die stehe "dann nackt da - dem Humor preisgegeben. Auch wenn einem manchmal das Lachen im Hals stecken bleibt vor lauter Wahrheit im Witz."

Besonders gespannt waren die Kritiker auf die Übersetzung der Erfolgsformel "ins Videoformat". Im Netz schon länger zu bewundern, kommt "Postillon24" nun ins NDR-Fernsehen, 15 gut versteckte Minuten um Mitternacht. Die Nachrichtensendung ist mit ihren Gaga-Meldungen an die gefühlsverchromten "News Shows" des Privatfernsehens angelehnt und wird professionell präsentiert von Anne Rothäuser und Thieß Neubert. Die Anmutung ist so täuschend echt, dass nicht wenige Zuschauer im nächtlichen Dämmerzustand sie für echt halten könnten. Bis die Nachrichten kommen. Erzählt wird von einer Mutter, die bei der Geburt vertauscht wurde. Oder von einem Punk, der "jetzt auch" EC-Karten akzeptiert. Oder die Ehefrau, die wegen des Tinnitus ihres Mannes nicht einschlafen kann. Naja.

Gelungener schon der Beitrag zur drohenden Altersarmut, in dem die Bundesregierung eine Verdoppelung des Einwegpfands beschlossen hat, "als wichtiger Bestandteil des Rentenpakets" und als "würdevolle Alternative zum Betteln".

In länglichen Einspielfilmchen werden die Ideen mit Laiendarstellern routiniert durchdekliniert, bis dem Thema auch der letzte denkbare Witz entlockt ist. Die Pointen sind so weit hergeholt, dass man sie auch schon von Weitem kommen sieht. Überdies laufen, wie andernorts die Börsenwerte, am unteren Bildschirmrand unablässig Kalauer niederer Preisklasse durchs Bild: "Glatt gelogen: Werbeversprechen für Faltencreme sorgt für Stirnrunzeln", "Kannten sich nur flüchtig: Bonnie und Clyde hatten kaum Zeit füreinander" oder "Sucht die Nadel im Heuhaufen: Bauer findet sein Fixbesteck nicht mehr". Im Netz liest sich dieser "Newsticker" wie eine sprachspielerische Zugabe. Bei "Postillon24" unterstreicht er das Serielle und Schematische dieses humoristischen Handwerks. Sprachwitz lässt nach, wenn er Darsteller braucht.

Wie die "Heute-Show" sich ästhetisch und inhaltlich an "Jon Stewart" orientiert, so stützt sich "Der Postillon" auf die US-Satireseite "The Onion" - wo allerdings über die pure Verballhornung von Nachrichten im günstigsten Fall weit hinausgegangen wird. Dort öffnet sich dann ein satirisches Paralleluniversum, in dem alle Gesprächsrunden, alle Expertenmeinungen, alle Leserkommentare und alle Anzeigen aufs Bizarrste gefälscht sind. Neben viel Jux und Ulk bleibt aber immer erkennbar, worauf der Spott zielt - und das sind im Zweifelsfall eben nicht die Punks oder die Flaschensammler. Bei "Postillon24" ist es egal, über wem der Spott ausgeschüttet wird, eine politische Haltung ist nicht erkennbar. Auch deshalb will, was im anarchischen Netz oft genug funktionieren mag, im hierarchischen Fernsehen nicht so recht zünden.

Wirklich lustig im Sinne von "dem Humor preisgegeben" war im Grunde nur der Wetterbericht am Ende, mit seinem "Dreckstief aus dem Westen, das Schneeregen mit sich bringt, den jetzt echt kein Schwein mehr gebraucht hat und der das ganze verdammte Wochenende lang anhält".

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