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"Queer Eye": Wer sind die fabelhaften Fünf und was tun sie genau?

Foto: Christopher Smith/ Netflix

Umstylingshow "Queer Eye" Nach zehn Minuten heult man von Herzen

In ungemütlichen Zeiten erinnert uns die Lebenshilfesendung "Queer Eye" daran, aufmerksam mit uns und anderen umzugehen. Jetzt gibt es die vierte Staffel der Umstylingshow - und ihren Blick in eine herzlichere Welt.

Man dachte ja wirklich, man wäre über den Reiz der Reality-Sendung "Queer Eye" hinweg, in der in jeder Folge fünf Männer in das Leben eines Menschen hineinschneien, um dessen Stil, Wohnung und Selbstliebe aufzupolieren. Leergeheult, ausgeseufzt. Klar, man würde immer noch gerne stundenlang mit Jonathan über Augencreme reden, sich von Tan den Aufblusungsgrad des perfekten French Tuck zeigen lassen. Aber die große Rührung, die wäre dann wahrscheinlich doch vorbei.

Dieses Gefühl, das einen in den Anfangstagen bei jeder Folge der Umstylingshow "Queer Eye" überwältigt hatte, als ob da gerade irgendwas in einem plötzlich ganz schmelzig würde wie der Kern eines perfekten Schokoküchleins. Das einen jedes Mal wieder mindestens an einer Stelle heulend auf dem Sofa sitzen ließ, weil das fünfköpfige Beraterteam, die sogenannten "Fab Five", wieder einmal erfolgreich Haare geschnitten, Hemden in Hosen gestopft, Häuser renoviert und Leben sanft neu angeschubst hatten.

Hatte man nicht schon in den Endfolgen der vergangenen, dritten Staffel gespürt gehabt, diese Magie wäre irgendwie versickert, weil "Queer Eye" von dieser Gefühlsüberschwappung der ersten Folgen nun zwar nicht schlechter, aber eben erwartbarer geworden war? Und ging er einem nicht manchmal nun schon ganz zart auf die Nerven, der ewige Eifer zur Selbstverbesserung, so liebevoll und freundlich diese Aufrüschungs- und Abschleifungsmaßnahmen auch durchgeführt wurden?

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"Queer Eye": Wer sind die fabelhaften Fünf und was tun sie genau?

Foto: Christopher Smith/ Netflix

Ein bisschen ungemütlicher wurde die Sendung, je mehr Folgen man von ihr sah, weil man immer öfter von den gerade Umgemodelten wegdriftete, immer konkreter darüber nachdachte, was Jonathan, Antoni, Tan, Bobby und Karamo wohl an einem selbst verändern würden, was man länger schon an sich selbst erneuern wollte? Die süße Limo, sie prickelte nicht mehr so recht.

Eine gute Dosis "Yas, Queen!"

Und dann schaut man die erste Folge der neuen, vierten Staffel, die am Freitag auf Netflix gestartet ist, und heult schon nach zehn Minuten zum ersten Mal und von Herzen. Weil sich die Welt eben seit der vergangenen Staffel nicht ausreichend geändert hätte, als dass man diese kleine Fluchtsendung nicht doch noch sehr gut gebrauchen könnte.

Jonathan besucht mit den anderen seine alte Highschool und macht mit bei der Cheerleader-Choreografie, er kann die alte Hoch-das-Bein-Routine aus seiner aktiven Jubelzeit immer noch. Jetzt ist er zurückgekommen, um seine alte Musiklehrerin aufzuhübschen, die immer noch ihr ganzes Engagement der Schule widmet und darüber sich selbst ein bisschen vergessen hat.

Die Lehrerin kriegt eine schöne Frisur und einen neuen Mantel, aber eigentlich sind das wie immer nur Chiffren. Und schon ist man wieder komplett eingenommen für diese wunderbare Sendung, die immer noch schafft, was eigentlich unmöglich ist: eine Umstylingshow zu sein, die sich nur sehr oberflächlich um Oberflächlichkeiten dreht. Und den Mut zur Selbstverbesserung zu propagieren, ohne in neoliberalen Optimierungsmist abzudriften. Die frische Frisur, der schöne Mantel und das neue, schicke Lehrerzimmer sind nur Symbol für das, was in den Leben der Umfrisierten und neu Eingekleideten bisher fehlte: ein aufmerksamer Blick auf sich selbst.

Die acht Folgen der vierten Staffel sind also mehr vom gleichen, aber sie liefern eben immer noch etwas, das immer noch rar ist im Fernsehen. Angefangen von der Quietsch-Klischee-freien Darstellung fünf queerer Männer, die längst noch nicht die Selbstverständlichkeit ist, die sie sein sollte. Dazu der klug dosierte Ton und der besonnene Einsatz jener Elemente, deretwegen man sich in dieses Format verliebte: Jonathan benutzt seine Euphorie-Catchphrase "Yas, Queen!" nicht über Gebühr oft, die langen, sinnlichen Schnuppereinblendungen, in denen Antoni an einem Pfirsich riecht, sind genau ausführlich genug, nicht mehr.

Einsatz für Helden

Und der politische Subtext ist nur soweit ausformuliert, dass er unmissverständlich, aber nicht aufdringlich ist. Etwa in Szenen, in denen Jonathan ein Mädchen highfived, das gerade erzählt, bei der Präsidentschaftswahl an ihrer Schule hätte Hillary Clinton gewonnen. Ihren Empowerment-Gedanken und ihr Es-ist-okay-anders-zu-sein-Credo schiebt diese Sendung wie ein niedliches, trojanisches Pony so womöglich auch in die Köpfe der Zuschauer, die sich sonst reflexhaft gegen derartige Gedanken sträuben würden.

In Staffel vier sind es besonders engagierte "Heroes" (wie die Protagonisten der Folgen genannt werden), die sich durch ihren Einsatz für die Gemeinschaft eine Heimsuchung durch die Fab Five verdienen: Sie organisieren Kulturevents für die Latino-Community, bauen Häuschen für obdachlose Armee-Veteranen und engagieren sich für Menschen mit Behinderungen.

Manchmal gerät der Einsatz der fünf queeren Augenpaare dann doch fast zu buttrig, zu märchenhaft tschirpig - etwa, wenn der 30-jährige Wesley, der niedergeschossen wurde und seitdem im Rollstuhl sitzt, in Begleitung vom Peptalk-Beauftragten Karamo zum ersten Mal den Mann trifft, der auf ihn schoss, und dieses Treffen fast übermenschlich versöhnlich abläuft.

Insgesamt aber bleibt "Queer Eye" auch in seiner vierten Staffel ein tröstlicher Blick durch Butzenscheiben in eine herzlichere, wohlmeinendere, wattigere Welt. Natürlich ist das stellenweise auch ordentlich cheesy: "Queer Eye" überbackt die Welt mit Käse, aber sie wird dadurch - wie alle gratinierten Dinge - sicher nicht schlechter.


"Queer Eye", auf Netflix

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