
Reality über Richard "Mörtel" Lugner: Verstörend un-inszeniert
Eigentlich begafft man sie ja gern, die Schrullen der Reichen. Insofern könnte "Lugner & Cathy - Der Millionär und das Bunny" klassische-schlichte, feinstbräsige RTL II-Late-Neid-Unterhaltung abgeben. Könnte.
Ja, zu Beginn interessiert man sich noch minimal dafür, wie doll der greise Wiener Millionärs-Bauunternehmer Richard "Mörtel" Lugner und seine 57 Jahre jüngere, fünfte Ehefrau Cathy durch ihre junge Ehe glitzern und glamouren. Echauffiert sich über deren Prasssucht und spielt im Kopf heimlich doch eine Runde Was-wäre-wenn, überzeugt, dass man selbst den viel besseren, operettenhafteren Penunzenfürst abgeben würde. Allerdings weicht die Glotzfreude sehr bald beklommenem Mitleid. Und man stellt ernüchtert fest: Er mag ein Millionär sein - aber Lugners schockgrüne Badvorleger sind trotzdem deutlich hässlicher als die eigenen.
Für RTL II verstörend un-inszeniert
Nach ihren Vorgängerinnen Hasi, Katzl, Mausi, Bambi und Kolibri ist Cathy Schmitz die Frau, die bei Lugner zum "Spatzi" wurde. Immerhin muss sie in der Doku-Serie nicht das Tierchen geben, sondern darf unter ihrem echten Namen auftreten. Doch abgesehen davon hat es die gelernte Krankenschwester, die dann zum Playmate umschulte, nicht leicht, denn das Leben als Millionärsgattin kommt - man kennt ähnliche Dilemmata aus Lehrserien wie "Timm Thaler" - mit einem heftigen Preis.
Schon am Frühstückstisch eskaliert der Lugner nämlich, wenn nicht alles nach seinem Willen geschieht. "Das Problem ist, dass ich diese Margarine nicht in ein Buttertöpfchen getan habe", umreißt Cathy die Konfliktlage, die sich zu einem größeren, für eine RTL II-Schaumdoku fast schon verstörend un-inszeniert eingefangenen Ehestreit aufbläht. "Ich habe es satt, mich von dir niedermachen zu lassen", pampt er, "wegen jeder Scheiße wird geschrien, die Scheiß-Margarine interessiert doch keine Sau", heult sie, und fast kommt es einem vor, als würde die 25-Jährige erst während des Butterstreits realisieren, dass ihr Lebensarrangement mit dem 82-jährigen Lugner allerhand sein mag - aber sicher keine Ehe auf Augenhöhe.
Die Erzählstimme spachtelt Schmalz über Risse
Es schmerzt fast, dabei zuzusehen, wie Cathy mühsam die bröcklige Fassade weißelt, den alten Mann im Glanzanzug umschwänzelt, mit ihrer sechsjährigen Tochter, die sie mit in die Ehe brachte (und die mit sechs Jahren ernsthaft Sätze sagt wie "Mama, es wichtig ist, dass mein Teint gut aussieht"), in eine kindliche Prinzessinnenwelt aus Tüllkleidern, Pamela-Anderson-Verehrung und blinder Ausgebewut emigriert: "Näh, ich dreh durch: Ein Eiskönigin-Frisiertisch, Richard!"
Am peinvollsten sind die Szenen, in denen sie die verführerische Sexygattin spielen will, während Lugner offenbar nur seine Ruhe möchte. Im roten Bunny-Outfit kommt Cathy Absatz klackernd und Puschel wackelnd die Treppe runter. "Hallo, du kleiner süßer Rammler", säuselt sie ihrem Altersgefährten zu, der auf dem Sofa rastet - und ein aufrichtig genervtes "Was solln des wieder?" entgegnet, während die enervierend naive Erzählerstimme aus dem Off unverdrossen Schmalz über offensichtliche Risse spachtelt.
Keine Welt, in die man sich gerne hineinfantasieren würde. Nur um eine Sache beneidet man Cathy am Ende aufrichtig: Den Promifriseur, der mit Köfferchen zum Hausbesuch eilt und frappante Ähnlichkeit mit Jaques Palminger in seiner "Fraktus"-Rolle hat.
"Lugner & Cathy - Der Millionär und das Bunny", Folge 2 am 11. Januar, 21.15 Uhr, RTL II
Anja Rützel, Jahrgang 1973, taucht für den SPIEGEL unter anderem im Trash-TV-Sumpf nach kulturellem Katzengold. In ihrer Magisterarbeit erklärte sie, warum »Buffy the Vampire Slayer« eine sehr ausführliche Verfilmung der aristotelischen Argumentationstheorie ist. Sie glaubt: »Everything bad is good for you« – und dass auch »Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!« tieferen Erkenntnisgewinn liefern kann. Ihr Buch über ihre Liebe zu Take That erschien als Teil der Musikbibliothek bei Kiepenheuer und Witsch.