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"Hautnah!" auf RTL2: Promi-Magazin ohne Prominente

Foto: RTL II

RTL-2-Magazin "Hautnah!" Nackte Niedertracht

Unsexy, kalt und verachtend: "Hautnah! Das Promimagazin" ist eine weitere Runde im Teufelskreis der Inhaltsleere beim RTL-2-Boulevardfernsehen - moderiert von Micaela Schäfer, einem tristen Nacktmodell ohne jede Ausstrahlung.

Gerade noch zeigte RTL2 ein zu Geld gekommenes Ehepaar namens Geiss mit Gesichtsmasken auf den Straßen von Bangkok, angewidert die Garküchen bestaunend: "Guck mal, wenn wir das essen, sind wir morgen tot." Es folgte Werbung für eine Bank, für Tiefkühlpizza, Handy-Vertrag, Windeln, Waschmittel, einen Discounter, Kinderjoghurt sowie einen 3-D-Film für Minderjährige; eine Einkaufsliste für junge Eltern, für sehr junge Eltern. Passend dazu wird noch die Sendung "Teenie-Mütter - wenn Kinder Kinder kriegen" beworben, und gleich sind wir ganz unten angelangt, am neuesten Tiefpunkt des deutschen Fernsehschaffens: "Hautnah! Das Promimagazin" mit Micaela Schäfer.

Micaela Schäfer erwirbt sich seit einigen Jahren die Aufmerksamkeit der Boulevardmedien, indem sie bereit ist, sich praktisch überall und mutmaßlich auf Bestellung mehr oder weniger nackt zu zeigen. Sie präsentiert sich dabei mit selbst für dieses Gewerbe bemerkenswert kalter Geschäftsmäßigkeit, ihr Körper scheint ihr vollends entfremdet und nur noch ein Werkzeug zu sein, abwaschbar, ohne jede Intimität. Am Anfang sitzt sie nun in einer Badewanne, mit einem altmodischen Telefonhörer am Ohr, wie in einem billigen Werbeclip für Telefonsex. Es ist das Gegenteil von sexy.

Fern von allem Schönen und Wahren betreibt RTL2 am Montagabend mit "Hautnah! Das Promimagazin" eine weitere Umdrehung im Teufelskreis der sich selbst perpetuierenden, hirnerweichenden Inhaltsleere: Ehemalige Trash-TV-Mitwirkende treffen auf Menschen, die deren Wirken im Trash-TV sahen und als vorbildhaft empfinden, und beraten diese nun beim Berühmtwerden im Trash-TV - woraus weiteres Trash-TV entsteht. In diesem Fall will eine junge Frau namens Mieke W. (Name von der Redaktion gekürzt) "genauso berühmt werden wie Micaela". Schäfer nennt Mieke W. die ganze Sendung über "ihre Freundin". Was nur den Schluss zulässt, dass Schäfer auch dem Begriff der Freundschaft entfremdet ist: Während Miekes gesamter Promiausbildung lässt sie keinen Zweifel an ihrer Verachtung für die Aspirantin aufkommen. Der unbedarften Mieke W. ist in dieser Inszenierung von Anfang an die Rolle der chancenlosen Versagerin zugeschrieben.

"Ich würd' Herrn Glööckler wählen als König"

Von der Niedertracht dieser Sendung zeugt in ähnlicher Weise der zweite Erzählstrang. Er handelt von Chantal N., die sagt: "Ich würd' Herrn Glööckler wählen als König." Chantal N. sammelt Glööckler-Produkte und -Devotionalien, nennt den Modedesigner durchgehend "Herr Glööckler", offenbar als Zeichen der Verehrung, und würde Herrn Glööckler gerne treffen und dann erst einmal "abknuddeln" - "auch wenn das Ganze an Wahnsinn grenzt", wie der Kommentar wissend vermerkt. Chantals Mann Tino bekommt von ihr Glööckler-Bodylotion geschenkt, "ich hab sie im Doppelpack gekauft, da sind sie billiger", sagt seine Frau. Man kann nur hoffen, dass sie sich das leisten kann, vielleicht von dem Handgeld, das sie von RTL2 dafür bekommen hat, sich hier vorführen zu lassen.

Der Gatte ist Polizist. "Wie halten Sie das nur aus?", fragt ihn das Fernsehteam. Er antwortet wohl wahrheitsgemäß, dass es sonst ein tristes Dasein wäre, früh raus, spät zurück, "so ist wenigstens etwas Leben in der Bude". Chantal lässt sich "Herr Glööckler 2012" auf den linken Arm tätowieren. Am rechten Arm prangte früher Daniel Küblböck, dort ist jetzt etwas Großes, Dunkles, das aussieht wie ein Sarg. Dann wird der Beamte Tino professionell und zur höchsten Freude seiner Frau zum Harald Glööckler umgestylt, auch sie bekommt ein Make-up verpasst.

Die dritte Erzählung dieses Promi-Magazins ohne Prominente handelt von der ehemaligen Top-Model-Teilnehmerin Gina-Lisa Lohfink, einer bereits in jungen Jahren vom Leben für die und mit den Boulevardmedien gezeichneten Frau. Einblendungen aus nicht näher identifizierten Presseerzeugnissen legen Alkoholprobleme nahe. Offenbar wurde Lohfink gesagt, sie könne nun ihre Sicht der Dinge in die Öffentlichkeit tragen, was jedoch in einen süffisanten Beitrag mündet, der Lohfink in schlechtestem Licht zeigt. "Ich bin keine Schlampe, keine Tussi, kein ich weiß nicht, irgendwas, ich bin einfach ein ganz normales Mädchen", sagt die junge Frau.

Peinlichkeiten an der Glööckler-Front

Die drei Erzählstränge wechseln sich ab, unterbrochen von Werbeblöcken: Mieke W. muss sich auf einem Event von der ebenfalls im Trash-TV bekannt gewordenen Sarah Knappik belehren lassen, dass man "ein Handwerk" beherrschen müsse, um prominent zu werden. Es folgt der gemeinsam mit Micaela Schäfer vorgenommene Eingriff einer Brustvergrößerung (für Schäfer ist es laut Kommentar bereits die vierte).

Nach der Werbung geht es weiter: Bei einem Fotoshooting für das Plakat einer Erotikmesse darf die mittlerweile brustvergrößerte Mieke W. probeposieren. Sie ist jetzt etwas selbstbewusster und wagt sogar die Bemerkung, ihre "Nippel" seien größer als jene der Schäfer, worauf diese zunächst empört reagiert. Doch das ist nur ein Missverständnis: Mieke meinte die Nippel, nicht die Brüste. Dann kommt die dritte Frau eines Bordellbesitzers herein und soll fotografiert werden. In einer Disco sollen Micaela und Mieke später leichtbekleidet das Publikum erfreuen. Schäfer überredet die völlig verunsicherte Mieke dazu, das deutlich geschmacklosere Oberteil anzuziehen. Das Publikum zeigt sich mäßig begeistert.

Die Peinlichkeit wird auch an der Glööckler-Front vorangetrieben, als Chantal N. ihren Herrn Glööckler persönlich treffen soll. Diesmal lässt RTL2 die dafür offensichtlich wenig begabte Frau N. ihren Mann selbst zum Glööckler schminken. Das Ergebnis ist dann so, dass es beim echten Glööckler kaum Bewunderung wecken kann. Ohne jede Emotion und nur für die Kamera lässt der Designer die ihm peinlichen und als peinlich dargestellten plumpen Freundlichkeiten Chantals über sich ergehen.

Das passt. "Hautnah!" heißt die Sendung, der Titel soll die Zuschauer wohl heiß machen auf Nähe, doch muss man schon gefühllos sein wie ein abgehärtetes Nacktmodell, um nicht zu frösteln in diesem tristen Herbst auf RTL2, wo die letzte Wärme verglommen ist und kein warmes Herz mehr schlägt.

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