

SPIEGEL ONLINE: Herr Posch, Sie sind Anwalt. Nicht nur TV-Anwalt, sondern einer mit einer echten Kanzlei. Was suchen Sie im Fernsehen?
Posch: Was ich im Fernsehen suche? Die Frage könnte man auch an Fernsehköche richten, die Frage könnte man an nahezu jeden richten, der im Fernsehen als Moderator arbeitet.
SPIEGEL ONLINE: Ich richte die Frage an Sie!
Posch: Das hat sich so ergeben. Das sind echte und öffentliche Fälle, insofern tue ich nichts anderes als das, was ich in meinem beruflichen Umfeld auch tue. Angefangen hat das seinerzeit mit einem Mord, der nach 24 Jahren aufgeklärt wurde, und ich in der Nebenklage eine der Angehörigen des Opfers vertreten habe. Da sind wir mit RTL ins Gespräch gekommen, ob es nicht grundsätzlich möglich wäre, dass man echte Fälle begleitet. Weil es so etwas im Fernsehen noch nicht gab.
SPIEGEL ONLINE: Anwälte erscheinen vor Gericht oder verschicken Briefe. Wozu braucht es da noch das Fernsehen?
Posch: Da könnte man auch fragen: "Wozu braucht es das Medium Fernsehen?" Es gibt mit Sicherheit Situationen, da bedarf es dessen nicht. Ich würde auch keinem deutschen Gericht unterstellen, dass es sich davon beeindrucken lassen würde, dass da RTL involviert ist. Aber es gibt auch Situationen, wo man mit einem gewissen Background der Berichterstattung vielleicht das entscheidende Prozent mehr auf der Pfanne hat.
SPIEGEL ONLINE: Sie sind nicht Richterin Barbara Salesch. Sie gehen mit Ihren Kontrahenten auch auf Tuchfühlung, manchmal sogar in den Nahkampf. Würden Sie das als Anwalt auch ohne Kameras tun?
Posch: Ich bin nicht nur ein 08/15-Anwalt, ich habe schon während meines Studiums über den Tellerrand hinausgeschaut. Ich sehe das nicht nur als Akte, sondern ich sehe auch den Menschen dahinter. Da ist es interessant zu fragen: Warum macht der Typ das?
SPIEGEL ONLINE: Und das interessiert Sie als Anwalt?
Posch: Das interessiert mich nicht nur als Anwalt, das interessiert mich auch als Mensch. Das würde mich auch als Fernsehzuschauer interessieren. Oft genug stellen wir ähnliche Recherchen an, bei denen keine Kamera dabei ist.
SPIEGEL ONLINE: Melden sich die Klienten bei Ihnen als Anwalt - oder als Fernsehanwalt?
Posch: Manche melden sich hier in der Kanzlei, und dann schauen wir, ob wir das auch im Fernsehen machen. Die meisten wenden sich aber an RTL.
SPIEGEL ONLINE: In Ihrem aktuellen Fall geht es, vereinfacht gesagt, um ein Opfer sexuellen Missbrauchs, das von den Tätern die Entschädigung nicht ausgezahlt bekommt, zu der diese sich außerhalb des Verfahrens verpflichtet haben.
Posch: In diesem Fall haben alle handwerklich Mist gebaut.
SPIEGEL ONLINE: Das waren Ihre Kollegen. Haben Sie Vertrauen in die Justiz?
Posch: Kann man schon haben. Es hat aber jemand mal einen schlechten Tag oder ist motiviert durch schlechte Erfahrungen, das gibt's in jedem Job. Ich kann allerdings sagen: Lieber jemanden 99 Mal zu Unrecht freisprechen, als ihn ein Mal zu Unrecht verurteilen. Ich denke schon, dass wir in Deutschland auf ein intaktes Justizwesen schauen können, auch wenn es zu fragwürdigen Entscheidungen kommt...
SPIEGEL ONLINE: Und dann geht man mit medialer Unterstützung in den Infight?
Posch: Ich schöpfe als Anwalt alle Mittel für meine Mandanten aus, immer. Das eine ist die rechtliche Seite, das andere hat aber auch mit Anstand zu tun.
SPIEGEL ONLINE: Nun ist Fernsehen nicht die Wirklichkeit. Wie entgehen Sie dem Vorwurf, Ihre Fälle zugunsten der Dramaturgie zu faken?
Posch: Es ist alles echt. Wir haben es mit echten Menschen zu tun, auch wenn die verpixelt sind. Es geht um echte Probleme und echte Lösungen.
SPIEGEL ONLINE: Und da ist öffentlicher Druck ein probates Mittel, die Rechte Ihrer Mandanten durchzusetzen?
Posch: Ja, mitunter gibt es solche Fälle. In der letzten Staffel ging es um einen Lebensversicherer, der unter ganz schmierigen und fadenscheinigen Ausreden einer Witwe, einer alleinerziehenden Mutter, nicht das entsprechende Geld auszahlen wollte. Da ging's um 125.000 Euro. Und da nehme ich den Vorwurf, wir würden Druck ausüben, gerne in Kauf.
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Rechtsanwalt Christopher Posch mit seinen Mandanten. Zum Fernsehen geriet er durch einen Mord, der nach 24 Jahren aufgeklärt wurde. Dabei kam er mit RTL ins Gespräch.
In dieser Folge kämpft Posch für die Interessen eines kranken Mädchens. Bei RTL vertritt er echte Fälle.
Anwalt Christopher Posch (links) mit RTL-Schuldenberater Peter Zwegat.
Anwältin Helena Fürst: Bei RTL gibt sie sich als Anwältin der Armen und hilft Menschen bei Auseinandersetzungen mit Ämtern und Behörden.
Und die Journalistin und Moderatorin Julia Leischik (links) hilft Menschen, ihre Angehörigen zu finden.
Barbara Salesch im Jahr 2008. Von 2000 bis 2012 war sie als Richterin bei Sat.1. zu sehen.
Und noch ein TV-Richter: Alexander Hold stellt Verhandlungen vor der Kamera nach.
Der Klassiker: Rudi Cerne moderiert seit mehr als elf Jahren die ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY... ungelöst". Erst kürzlich griff er den Fall des in Portugal entführten britischen Mädchens Maddie McCann auf.
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