
Wüstencamp "Wild Girls": Die RTL-Resterampe
RTL-Afrika-Trash "Wild Girls" Die Völkerschau
1874 organisierte der Hamburger Tierhändler Carl Hagenbeck eine der ersten Völkerschauen im deutschen Kaiserreich. Die Menschen waren eigentlich nur eine Beigabe. Hagenbeck hatte sich aus Norwegen ein paar Rentiere kommen lassen, vom Verkäufer gab es gratis ein paar Rentierhirten obendrauf. Also stellte er die Lappen gleich noch mit aus. Auftakt für eine Welle von Völkerschauen im deutschen Kaiserreich, bei der Kulturen anderer Kontinente vorgeführt wurden. Die Wohlfühlwirkung dieser Menschenzoos auf den Betrachter: Egal, was sein gesellschaftlicher Stand war, er konnte auf die als primitiv wahrgenommenen menschlichen Exponate herabschauen.
Die vielen Doku-Soaps und Castingshows von RTL machen eigentlich nichts anderes, als diese Menschenzoos aus der Zeit des deutschen Kaiserreichs für die Mediengegenwart zu variieren: Die Verantwortlichen sperren plump bis depraviert anmutende Kandidaten ins Studiogehege, auf dass sich die mutmaßlich nicht sonderlich kultivierte Klientel an ihnen ergötze.
Es schwante einem also nichts Gutes, als es hieß, dass RTL nun für eine weitere Menschenschau mit großem Team ins Stammesgebiet der Himba in Namibia einfliegt. Ausgerechnet in Namibia, der einstigen Kolonie des deutschen Kaiserreichs, über die vermutlich schon der Nachschub für so manche Völkerschau geregelt wurde. Zwölf Doku-Soap-Veteraninnen aus dem RTL- (und ProSieben-)Stall sollen hier in Lehmhütten der Himba leben und deren für europäische Mägen ungewohnte Nahrung zu sich nehmen. Sie sollen beim Schlachten der Ziegen helfen und sich den strengen Regeln eines betont patriarchal organisierten Stammes unterwerfen.
Da staunen die Himba
Wird in der am Mittwoch mit eher mauen Quoten angelaufenen Realityshow "Wild Girls" etwa deutscher Überlegenheitsglaube im Geiste Hagenbecks wiedererweckt? Der berühmte Zoodirektor notierte schon anlässlich der Lappen-Ausstellung im Jahr 1874 über seine Exponate: "Ihre Hautfarbe ist ein schmutziges Gelb, der runde Schädel ist mit straffem schwarzem Haar bewachsen, die Augen stehen ein wenig schief, die Nase ist klein und platt."
Tatsächlich lädt die RTL-Menschenschau zu solch herabwürdigenden Charakterisierungen ein - allerdings vor allem im Hinblick auf die eingeflogenen Brachialblondinen und Busenwunder. Um mit Hagenbecks trivial-anthropologischem Idiom zu sprechen: Ihre Hautfarbe ist krustiges Kunstbraun, auf den quadratischen Schädeln wuchern absurde Frisuren, die Augen sind verkniffen, die Botox-Lippen riesig und aufgeplustert.
Das Staunen jedenfalls ist ganz auf der Seite der Himba. Ausgestellt werden in "Wild Girls" die deutschen Frauen - die namibischen Steppenbewohner sind eher die Zuschauer innerhalb des aberwitzigen RTL-Treibens. Sie fassen den aufgerüsteten TV-Weibchen ungläubig an die Silikonkissen, beömmeln sich über ihr linkisches Stöckeln im Sand.
Eurozentrische Überheblichkeit lässt sich der Inszenierung nicht anlasten. Eher die totale Gleichgültigkeit gegenüber Menschen und Umgebung. Was für ein Szenario: Da werden zwei Flugzeugladungen Plastikbräute und Fernsehfuzzis auf einer Sandpiste im namibischen Nirgendwo abgeworfen, um sich bei einem bedrohten Urvolk einzumieten.
Die Kultur und die spezifischen Probleme der Himba - ihr Volk soll sich in den vergangenen zehn Jahren halbiert haben - sind dem RTL-Team offenbar herzlich schnurz. Man schaut auf den für europäische Augen unappetitlichen Brei in ihren Töpfen oder mokiert sich über die Unterwerfungsgesten der Himba-Frauen gegenüber ihrem vielfach verheirateten Häuptling. Ist das primitiv?
Auf jeden Fall nicht so primitiv wie das Treiben der freilaufenden Busenwunder aus der deutschen Privatfernsehzucht. Der gute alte Hagenbeck hätte sofort eine Ladung von den RTL-Exponaten erworben.