»RTL Turmspringen« Untenrum lädiert

RTL versucht sich an einer Neuauflage des Promi-Turmspringens. Weil der ProSieben-Klassiker wieder von Stefan Raab produziert wurde, gab es keine Überraschungen – aber ein paar kleine Heldengeschichten.
Trash-TV-Alumni unter sich: Viel redundantes Rapportieren, wenig Springen

Trash-TV-Alumni unter sich: Viel redundantes Rapportieren, wenig Springen

Foto: Marja / IMAGO

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Mit mehr heiligem Ernst wurde zur TV-Primetime wahrscheinlich noch nicht über Hodenblessuren gesprochen. »Ich habe ein schweres Hämatom«, sprach Thorsten Legat, verletzt ausgefallener Turmspringen-Kandidat, gleich im Anfangseinspieler der neu aufgelegten Promi-Kunstplatscherei: »Mein Ei ist angegriffen, mein Hodensack ist beschädigt.«

Nun wären das bereits mehr Informationen gewesen, als man über das legatsche Untenrum je aktiv hätte einfordern wollen, dennoch legte er in der Sendung als Gast am Moderatorenpult von Frank Buschmann und Jan Köppen noch mal die aktuellsten Einträge aus seiner Patientenakte vor. So weit sei alles gut abgeheilt, doch nächste Woche, so Legat, stehe noch eine richtungsweisende Untersuchung seiner Trainingsverletzung an: »Wenn der Urologe sagt, das Ei ist beschädigt, wird es entnommen.«

Paul Janke und Dominik Stuckmann auf der Rampe: Erstmals veranstaltete RTL das vormalige ProSieben-Turmspringen

Paul Janke und Dominik Stuckmann auf der Rampe: Erstmals veranstaltete RTL das vormalige ProSieben-Turmspringen

Foto:

Jörg Carstensen / dpa

Man kann nicht sicher sagen, ob RTL-Geschäftsführer Henning Tewes solche Stimmungsmomente meinte, als er in einem Interview ankündigte, der Sender wolle das ursprünglich bei ProSieben im »TV total«-Kosmos beheimatete Turmspringen in der übersiedelten Neuauflage »neu aufladen, in unsere Zeit holen und RTL-ig machen«, aber viel RTL-iger kann es an diesem Punkt wahrscheinlich wirklich nicht mehr werden.

Dass das Format ansonsten weitgehend bekannt daherkam, lag freilich auch daran, dass es auch in der RTL-Version von Stefan Raab produziert wurde. Statt der traditionellen Glücksspielsonne grüßte nun Hundefutterwerbung vom Beckenboden, mit dem ulkigen optischen Effekt, dass die Springerinnen und Springer in ein offenes Maul zu fallen schienen.

Auch der 10.000-Euro-Sprung fehlte nicht, bei dem ein Zuschauer seine in der Luft ausgeführten Basketballwürfe dann aber doch nicht im Korb platzieren konnte, bei der Siegerehrung lief ein klassisches Stück »TV total«-Folklore: »Ich liebe Deutscheland« von Verna Mae Bentley-Krause. Und ganz am Ende, auch das höchst traditionell: »One Moment in Time«.

Sichtbar wurde der neue Sender also allein durch die Mitwirkenden: Das »Ninja Warrior Germany«-Moderationsteam, komplettiert durch Laura Wontorra als Sprungturm- und Beckenrandreporterin und die naturgemäß aus der Senderpersonalkartei rekrutierten Sportlerinnen und Sportler.

Das ermüdete dann vor allem bei den langatmigen Vorstellungsfilmchen empfindlich: Wenn von den zehn Einzelspringern schon fünf auch bei »Let's Dance« mitwirkten und alle noch mal erzählen dürfen, wie unerwartet hart das war, und unter den restlichen Beteiligten noch mal ebenso viele Dschungelcamp-Alumni sind, die alle noch mal erzählen dürfen, wie aufregend das war, wird eben viel redundant rapportiert und vergleichsweise wenig gesprungen.

Stimmungsmäßig kontraproduktiv waren auch die Offstimmen-Kommentare der Einspieler, in denen »SchleFaZ«-Präsentator Peter Rütten mit Ironiesprenkeln wie »na super« und »köstlich« gelegentlich schnippisierend eingriff – aber eben nur bei jenen Quasipromis, die ohnehin leichte Ziele abgeben, nicht bei augenscheinlich respektierteren wie Ex-Handballer Pascal Hens oder Paralympics-Athlet Mathias Mester. Das irritierte, weil bei einem Format wie dem Turmspringen doch eigentlich kleine Heldengeschichten erzählt werden sollen und es dabei sonderbar wirkt, das halbe Springerfeld erst mal als Schnacker und Trötinnen anzupiepeln.

Moderatorin Lola Weipert und ihre Schwester entpuppten sich als Überraschungs-Springerinnen

Moderatorin Lola Weipert und ihre Schwester entpuppten sich als Überraschungs-Springerinnen

Foto: Jörg Carstensen / dpa

Tatsächlich waren es nämlich genau diese kleinen Helden- und Heldinnenmomente, die in den teilweise etwas langen Stunden bis 0.30 Uhr am meisten Spaß machten. Dass sportliche Hochleistungsmenschen wie der ehemalige Kunstturner Philipp Boy (der das Einzel gewann) und die »Ninja Warrior«-Größen Stefanie Edelmann und Moritz Hans (die das Synchronspringen gewannen) auch hier gute Leistungen abrufen würden, ist der aus den früheren ProSieben-Ausgaben sattsam bekannte und überschaubar spannende Fabian-Hambüchen-Effekt.

Im Gedächtnis, mindestens bis Sonntagmittag, bleibt aber, wie gut Moderatorin Lola Weippert und ihre Schwester Charlotte harmonierten, wie überraschend respektabel sich (die ja auch schon in ihren Boyband- und Trash-TV-Karrieren ziemlich synchronen) Marc Terenzi und Jay Khan schlugen.

Und vor allem, welche großartige Leistung YouTuberin Jolina Mennen ablieferte. Sie überzeugte nicht nur mit der besten Beckenrand-Rhetorik (»Realistisch betrachtet war das fucking hot«), sondern zeigte auch einen spektakulär mutigen Handstandsalto, vorwärts gehockt, vom 7,5-Meter-Turm, sicherte sich damit den zweiten Platz im Einzelsprung und riss Frank Buschmann zu einem Begeisterungssalto ins Becken hin.

Schreistreamer Knossi, der nach einem verplatschten Synchronsprung mit Mester in der ersten Runde ausgeschieden war, wurde zum Finale für einen Ehrensprung von Jan Köppen auf den Zehnmeterturm geleitet. »Ich bin früher nur ins Freibad gegangen für die Mayonnaise. Für das Pommessalz und für die Mayonnaise«, hatte er seinen mangelnden Sprungdrang wunderschön zusammengefasst, das könnte so auch als Eröffnungssatz in einem retroseligen Poproman stehen. Nun ließ er sich von Köppen, der ihn behutsam lockte wie einen scheuen Angsthund, trotz größter Höhenangst am Ende doch zu einem Sprung verleiten, eingedenk des legatschen Lendendilemmas hielt er dabei seinen Genitalbereich umsichtig fest.

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