Der Streit droht die Koalition in Sachsen-Anhalt zu sprengen: Soll der Rundfunkbeitrag erhöht werden? Die Sache ist verfahren – und ARD und ZDF bleibt möglicherweise nur noch der Gang vor das Verfassungsgericht.
Das Ringen um den Rundfunkbeitrag nimmt kein Ende, eine Einigung zwischen den Streitparteien in Sachsen-Anhalt scheint ferner denn je. Nach etlichen Winkelzügen, Hakenschlägen und Aufschüben der Beteiligten in den letzten Tagen gab der zuständige Medienausschuss des Landtags von Sachsen-Anhalt am Mittwoch bekannt, dass er seine Beratungen über umstrittene Erhöhung auf nächste Woche vertagt.
Kaum anzunehmen, dass die zerstrittenen Mitglieder der schwarz-rot-grünen Koalition in Magdeburg bis dahin eine belastbare Lösung finden; die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens ab der Gebührenperiode 2021 steht damit auf der Kippe. Wie konnte es dazu kommen? Und was folgt daraus?
Es war eine Eskalation mit Ansage. Bereits im März dieses Jahres hatten die Ministerpräsidenten die Erhöhung des Rundfunkbeitrags von 17,50 Euro auf 18,36 Euro zur nächsten Beitragsperiode beschlossen, Grundlage der Entscheidung bildete eine Empfehlung der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF).
Kritik auch aus dem bürgerlichen Lager
Es war klar, dass die Umsetzung der Pläne von einer erregten öffentlichen Debatte begleitet werden würde. Schon vor der Entscheidung der Ministerpräsidenten hatte sich eine immer breitere Front gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gebildet – sie reicht von den Rechtspopulisten der AfD, deren Mitglieder ARD und ZDF als »Staatsfunk« schmähen, bis tief in Teile des bürgerlichen Lagers.
Doch schon bald mischte sich in die Grundsatzkritik an ARD und ZDF die angespannte Grundstimmung der ersten Corona-Wochen – und diese wurde, das wird heute oft vergessen, eben nicht nur vom rechten Rand in den ostdeutschen Bundesländern aufgegriffen, sondern auch von CDU-Bundestagsabgeordneten in Berlin: Anfang Mai forderten Unions-Mitglieder wie die stellvertretende CDU-Vorsitzende Silvia Breher in einer Protestnote, die Fernsehanstalten hätten sich solidarisch zu zeigen mit den von Existenzsorgen geplagten Beitragszahlern. Deshalb sollten sie ihre Sparanstrengungen noch einmal verstärken.
Corona war und ist – wie bei so vielen anderen gesellschaftlichen Prozessen – der Treiber für die heute kaum überwindbar erscheinende Spaltung in Sachen Rundfunkbeitrag. Doch die zentralen Figuren in dem Streit versäumten es, den Konflikt mit Blick auf die Pandemie und die damit zusammenhängenden Verhärtungen zu führen – stattdessen versuchten sie die Misere mit einem politischen Kuhhandel zu beenden.
Politischer Kuhhandel?
CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff, der immer als einer der schärfsten Kritiker des öffentlich-rechtlichen Rundfunks galt und ihn gern populär bis populistisch mit Verweis auf die hohen Intendantengehälter zum Sparen anhielt, forderte ARD und ZDF auf, eine der vielen Gemeinschaftsanstalten in seinem in diesem Belang bislang benachteiligten Bundesland anzusiedeln. Große Teile der ARD wollten der Forderung entsprechen.
Das konnte man als Entgegenkommen für den mächtigen Landesfürsten lesen – der damit politisch Einfluss genommen hätte auf die Budgetierung der öffentlich-rechtlichen Sender. Ein Vorgang, der eben gerade dadurch verhindert werden soll, dass die unabhängigen Prüfer der KEF ihre Einschätzung über den Rundfunkbeitrag abgeben.
Gleichzeitig stellte Tom Buhrow, WDR-Intendant und derzeit ARD-Vorsitzender, unmissverständlich klar, dass die Kulturplattform nur dann käme, wenn auch der Rundfunkbeitrag erhöht würde, da das kostenintensive Unternehmen sonst nicht zu stemmen sei.
Aber was passiert denn jetzt, wenn sich der Medienausschuss in Sachsen-Anhalt nächste Woche trotz aller kläglicher Deal-Versuche auf keinen Kompromissvorschlag einigen kann und also die ansonsten auf allen politischen Ebenen durchgewunkene Erhöhung nicht zum 1. Januar durchgesetzt werden kann? Dann würden ARD und ZDF höchstwahrscheinlich das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anrufen, um eine bedarfsgerechte Ausstattung einzuklagen.
Es wäre nicht das erste Mal. 2005 zogen die Anstalten schon einmal nach Karlsruhe – da allerdings um erfolgreich die von der KEF ermittelten Rundfunkgebühren zu kippen, weil diese als zu niedrig empfunden wurden.
Für die Beitragsperiode von 2021 bis 2024 hatte die KEF insgesamt Aufwendungen in Höhe von 38,7 Milliarden Euro für alle öffentlich-rechtlichen Anstalten veranschlagt und damit einen Mehrbedarf von 1,5 Milliarden Euro anerkannt. Bei einer erneuten Anrufung des BVerfG könnte es Jahre dauern, bis ein Urteil gefallen ist. Die Anstalten müssten dann entweder Schulden machen oder ihre Kosten drastisch zurückfahren.
So oder so stünden ARD und ZDF vor erheblichen Legitimierungsproblemen. Dass die Rundfunkerhöhung ausgerechnet auf dem möglichen Höhepunkt der Coronakrise gerichtlich durchgesetzt würde, bestärkte noch einmal alle Kritiker, für die die Öffentlich-rechtlichen sowieso schon entkoppelt von der Wirklichkeit der Menschen wirken. Die Einheitsfront gegen die Anstalten würde noch breiter werden.
So wie die Auseinandersetzung bislang geführt wurde, hat sie ausschließlich Verlierer produziert.