Konflikt um russischen Staatssender RT DE Der Medienkrieg hat gerade erst begonnen

Deutsche Fernsehwächter verweigern der Propagandaschleuder RT DE die TV-Lizenz, Russland schließt die Deutsche Welle. Es tobt ein regelrechter Medienkrieg – hat das hiesige Rundfunkrecht die richtigen Waffen dafür?
Eine Analyse von Christian Buß
RT-DE-Moderator Stefan Pollack am Mittwoch auf Sendung: Wie Autozulieferungen aus dem Ausland

RT-DE-Moderator Stefan Pollack am Mittwoch auf Sendung: Wie Autozulieferungen aus dem Ausland

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So sieht es also aus, wenn sich ein Sender in Stellung bringt: Den ganzen Donnerstag über legte der Fernsehanbieter RT DE Infobänder unter seine Beiträge, die über den aktuellen Stand der Auseinandersetzung der russischen Regierung mit der deutschen Medienaufsicht und der deutschen Politik informierten.

Am Vormittag hieß es noch: »Russisches Außenministerium: Maßnahmen gegen RT-Verbot werden nun umgesetzt.« Am frühen Nachmittag wurde dann gemeldet: »Reaktion auf RT DE-Entscheidung: Russland schließt Deutsche-Welle-Büro.«

Die angedrohte Abschaltung des Auslandsfunks der Bundesrepublik Deutschland ist nur der vorläufige Höhepunkt eines Konflikts, in dem Medienrecht und Geopolitik miteinander verquickt sind – und der gerade erst so richtig Fahrt aufnimmt.

Auf der einen Seite steht die hiesige »Kommission für Zulassung und Aufsicht« (ZAK) der Medienanstalten, die am Mittwoch einen Ausstrahlungsstopp für das deutschsprachige Programm von RT verhängt hat. Auf der anderen Seite der als Propagandainstrument Putins geltende Sender und die russische Regierung, die diesen vollständig finanziert.

Schon am Mittwoch hatte das russische Außenministerium »Vergeltung« für die ZAK-Entscheidung angekündigt, und es ist bezeichnend für diese Zeiten schwelender und entfesselter Konflikte, dass internationale Medienpolitik inzwischen mit kriegerischem Vokabular daherkommt.

Genau diesen Tonfall halten RT-DE-Kritiker auch dem Sender vor: Mit gezielten Falschinformationen, süffigen Verschwörungsmythen und gelegentlichem Säbelrasseln flankiert der Fernsehanbieter den russischen Geltungsanspruch und feiert Putin als Weltenlenker und Heilsbringer.

Putin-Kult pur

Zu diesem Zweck werden von der hiesigen Außenstelle von RT – früher Russia Today – nun eben nicht mehr nur russische Gewährsleute vor das Mikro geholt, sondern auch eingeschworene deutsche Kreml-Fans, die ihre Landsleute vom Segen russischer Politik überzeugen sollen.

Am Donnerstag feierte zum Beispiel Dieter Dehm, Ex-Bundestagsabgeordneter der Linken, in den Elf-Uhr-Nachrichten Putin als einzigartige Persönlichkeit, der kein westlicher Staatsmann das Wasser reichen könne. Kein anderer Politiker bemühe sich zurzeit um mehr Deeskalation im Ukrainekonflikt, so Dehm. Nur eines sorgte den Mann im RT-Interview: Es gebe niemanden, der die Größe hätte, Putin im Amt des russischen Präsidenten zu folgen. Soll wohl heißen: Putin soll am besten Staatenlenker auf Lebenszeit sein.

Das ist der typische RT-Sound, Autoritarismus als Grundprinzip, Putin-Kult pur – nun eben auch auf Deutsch.

Erst am 16. Dezember vergangenen Jahres war die Propaganda-Schleuder auf einem ehemaligen Gelände des DDR-Fernsehens in Berlin-Adlershof mit einem regulären Fernsehprogramm an den Start gegangen. Zuvor hatte die verantwortliche RT DE Productions GmbH, die eine Tochter der staatlichen russischen Fernsehanstalt TV Novosti ist, vor allem Bewegtbildmaterial für Social-Media-Kanäle produziert.

Nach eigenen Angaben soll RT DE für seine Neuaufstellung in diesem Jahr weit über 30 Millionen Euro aus dem russischen Staatshaushalt zur Verfügung gestellt bekommen. Es geht also um stattliche Investitionen – die nun versenkt zu werden drohen.

Wer sendet von wo?

YouTube hatte schon kurz nach Sendestart im Dezember den RT-DE-Kanal auf seiner Seite dichtgemacht. Dabei berief sich die Videoplattform als privatwirtschaftliches Unternehmen auf seine eigenen Richtlinien, unter anderem wurden Corona-Falschinformationen als Grund für die Sanktionen angegeben.

Wenig später hatten die Medienwächter der ZAK ein Verfahren gegen RT DE eingeleitet, dessen Ergebnis am Mittwoch nun bekannt gegeben wurde: Weder als Live-Stream noch über Satellitenfernsehen darf der Sender seine Inhalte in Deutschland verbreiten.

Die Medienaufseher vertreten die Position, dass es sich bei dem Programm der RT DE Productions GmbH um Rundfunk handelt – der eben bei hiesiger Verbreitung unter der Maßgabe des deutschen Rundfunkrechts bewertet werden muss. Und der schreibe eine Staatsferne vor, die bei dem russischen Sender ganz eindeutig nicht gegeben sei.

Vertreter der RT-DE-Mutter TV Novosti und deren Schutzbeauftragte in der russischen Regierung sehen das anders. Sie sagen, dass eine Sendeerlaubnis für TV Novosti (und damit auch für RT DE) aus dem Nicht-EU-Staat Serbien vorläge und damit eine Verbreitung von RT DE über den Eutelsat-Satelliten 9B aufgrund des vor über 30 Jahren geschlossenen »Europäischen Übereinkommens über das grenzüberschreitende Fernsehen« zulässig sei.

TV-Konzern gleich Autobauer?

Die medienrechtliche Lage ist komplex – und dazu auch noch ziemlich wackelig. Denn die ZAK baut ihre gesamte Argumentation darauf, dass die in Berlin-Adlershof ansässige RT DE Productions GmbH als veritabler Sender fungiere. RT hält jedoch dagegen, dass man dort nur die Beiträge produziere, die Sendezentrale aber in Moskau liege – weshalb das »Europäische Übereinkommen über das grenzüberschreitende Fernsehen« gelte und die deutsche Medienaufsicht rechtlich überhaupt nicht zuständig sei.

Dieses Lied sang man denn auch Donnerstag immer wieder im laufenden RT-DE-Programm. Der deutsche Nachrichtensprecher Stefan Pollack etwa bemühte in seiner Elf-Uhr-Sendung den Vergleich mit einem Autozulieferer: Für deutsche Autos würde man ja auch Teile im Ausland fertigen lassen, und es seien trotzdem deutsche Autos. So verhalte es sich auch mit den deutschen Beiträgen von RT DE, die demnach aus Moskau versendet werden. Das Produkt RT DE sei sozusagen ein russisches und auch als solches zu bewerten.

Ein fadenscheiniges Argument, das die ZAK aber bei weiteren Maßnahmen gegen ausländische Propagandasender, die deutsche Inhalte verbreiten wollen, noch in Bedrängnis bringen könnte. Denn es wäre ja ein Leichtes für die betreffenden ausländischen Anbieter, ihre Inhalte hierzulande produzieren zu lassen, sie elektronisch an die heimische Basis zu übermitteln, um sie dann von dort aus ohne Kollision mit dem hiesigen Medienrecht nach Deutschland zu versenden.

Oder man macht es wie der deutsche Ableger des türkischen Staatssenders TRT, der Präsident Erdoğan ebenso ergeben ist wie RT Putin. TRT Deutsch hat vor einem Jahr ein Büro in Berlin eröffnet und verbreitet Erdoğan-Propaganda auf Deutsch über Social-Media-Kanäle, unter anderem auch YouTube.

Solange die privatwirtschaftliche Plattform keinen Verstoß gegen den selbst gesetzten Verhaltenskodex sieht, kann das so weitergehen, ohne dass die deutschen Medienwächter darauf Zugriff haben. Den hätten sie erst, wenn der türkische Anbieter Livestreams verbreiten würde – und dann auch nur, wenn TRT Deutsch nicht aus Istanbul sendet, sondern aus Deutschland. Die Presseabteilung der ZAK sagt auf Anfrage: »Den Medienanstalten ist derzeit kein Sachverhalt bekannt, der darauf hindeutet, dass es sich bei TRT Deutsch um ein in Deutschland zulassungspflichtiges Angebot handelt.«

Mit der Schließung der Deutschen Welle in Moskau hat ein Konflikt begonnen, der sich zu einem regelrechten Medienkrieg ausweiten könnte. Ob das deutsche Rundfunkrecht dafür die richtigen Waffen hat, ist nicht ausgemacht.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung dieses Artikels sprachen wir an einer Stelle von einem Verbot von RT DE. Tatsächlich handelt es sich nicht um ein Verbot, sondern um die Nichterteilung einer TV-Lizenz für den Sender RT. Wir haben die Formulierung korrigiert.

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