"Maischberger"-Talk zu Sprache Peter Hahne verliert ein Wort

Peter Hahne bei "Maischberger"
Foto: WDR/ Max KohrEine Ausnahme lasse sie dann doch zu, ergänzte Marlies Krämer. Die deutsche Nationalhymne brauche nicht gendergerecht umgetextet werden, die Europahymne auch nicht, bittschön, dieses "brüderlich mit Herz und Hand" und "Alle Menschen werden Brüder": "Das soll so stehen bleiben, damit klar ist, was für blöde Dinge Männer sich ausgedacht haben." Denn das Beschriebene sei realistisch schließlich nicht möglich, so Krämer, ebenso wenig wie es den juristendeutschen "schwangeren Arbeitnehmer" gebe.
Die 80-jährige Marlies Krämer, zugeschaltet zur Mittwochabendrunde von Sandra Maischberger, hat schon eingeklagt, dass "Ausweisinhaberin" auf Personalausweisen steht und dass es auch weibliche Hochs gibt. Nur mit ihrer Forderung, von der Sparkasse als "Kundin" angesprochen zu werden, war sie im März gescheitert. "Die Dame hat anscheinend Langeweile", kommentierte Rapper Bushido lapidar.
Und damit war das Spektrum der Positionen des Abends klar, an dem Maischberger wissen wollte, wie ernst man Sprache nehmen müsse. Auch wenn die Redaktion die Sendung etwas plakativer überschrieb mit: "Man wird ja wohl noch sagen dürfen!" - und so einfältigerweise just das rhetorische Totschlagargument von rechts- bis konservativen Gruppen zitierte, die wohl solange über vermeintliche Sprechverbote zu unken gedenken, bis wirklich alle glauben, es gebe welche.

Talk-Runde: Rapper Bushido, Schauspielerin Mandeng, Moderatorin Maischberger, Kabarettist Schröder, Journalistin Bücker
Foto: WDR/ Max KohrSchon damit war klar: Das wird wieder eine dieser zermürbenden "Leute, wir waren doch wirklich schon mal weiter"-Sendungen. Wurde es dann auch. Fast: Überraschende Einigkeit in einigen Punkten könnten immerhin dazu führen, dass es nun aber wirklich, echt, garantiert die letzte ihrer Art war. Und, ja, der Ex-Nachrichtenmoderator Peter Hahne möchte nun mal so gerne "Zigeunerschnitzel" sagen, sei doch lecker.
"Na klar interessiert mich dieses Thema, sonst säße ich ja nicht hier"
Maischberger deklinierte die Frage an dreierlei durch: Minderheiten, Frauen, Holocaust. Das erinnerte sehr an die gestrichene MDR-Radiosendung vor zwei Wochen zum gleichen Thema, ebenfalls mit Hahne, aber auch mit Frauke Petry als eine der (stand schon so in Grimms Wörterbuch, sagt Marlies Krämer) Gästinnen.
Maischberger hatte nun auch die Schauspielerin Annabelle Mandeng eingeladen, deren klare Argumentation eine Wohltat war ("Sprache ist ein Werkzeug und hat Macht, das dürfen wir nicht missbrauchen."), die "Edition F"-Chefredakteurin Teresa Bücker, die wie immer mit großer Ruhe richtigstellte, einordnete, präzisierte; der Kabarettist Florian Schröder, der einen großartigen Kurzexkurs über die Logik der Satire einbaute; Bushido, der ungeheuer ernsthaft antrat: "Na klar interessiert mich dieses Thema, sonst säße ich ja nicht hier." Und, ja, Herr Hahne hätte gerne ein "Zigeunerschnitzel".
Einig waren sich alle, dass die "mein Körper definierter als von Auschwitz-Insassen"-Zeile der Rapper Kollegah und Farid Band alle Grenzen überschritten habe. "Man hätte ihnen auf keinen Fall eine Bühne bieten dürfen", fand Bushido. Einig waren sich auch alle über den Rassismus des "N-Worts". Bis auf Bushido auch darüber, dass Eltern sich bewusst machen müssen, welch kontextschwere Worte sie aus Kinderbüchern vorlesen, wenn da "N-könig" statt "Südseekönig" steht und wann sie sie erklären müssen.
Nicht einig wurde die Runde bei der Frage, ob geschlechtergerechte Sprache sinnvoll ist. Das sei bisweilen "Kabarett", so Hahne, es gebe doch Wichtigeres, hieß es immer wieder, etwa Lohn-Ungerechtigkeit. Darauf Krämer, gebetsmühlenartig: "Sprache ist Ausdruck von Denken und Handeln, sie bestimmt unsere gesamte Gesellschaft", die sprachliche Diskriminierung breite sich nun einmal in alle Bereiche aus. Sie sei kein Kunde - Bushido aber, wie sich herausstellte, andererseits auch keine Rapperin. Würde eigentlich reichen als Beweis. Und jaja, wir hatten all diese Debatten schon.
Es war schließlich Peter Hahne, der vormachte, dass die Sache mit der Diskriminierung mitunter einbahnstraßig ist. Er beharrte auf seinem "Zigeunerschnitzel", auch wenn der Begriff Sinti und Roma beleidige. Er stimmte aber zu, dass das "N-Wort" rassistisch sei und warnte vor der zersetzenden Kraft der politischen Korrektheit. Beim Anblick eines ans Kreuz genagelten Plüschhasen sagte er dann, es täte ihm weh.
Was denn so schwer daran sei, auf das "Zigeunerschnitzel"-Wort zu verzichten, so Bücker, "Herr Hahne sitzt doch nicht abends auf dem Sofa und weint".
Die Krux war jedoch die Sendung selbst: Die Ideen von politischer Korrektheit (Sascha Lobo übersetzt sie treffend mit "Anstand") infrage zu stellen, führt letztlich die Strategie der Rechten fort. Sie nutzen den Ausdruck als Kampfbegriff. Und jeder Beitrag dazu meint, deren Ansatz ernst genug zu nehmen. Letztlich dann auch dieser Text, den Sie gerade lesen.
Mehr als diese beiden Gedanken braucht keine Diskussion
Dabei muss man nur zweierlei ernst nehmen: "Es gibt Leute, die fühlen sich von diesen Begriffen diskriminiert", sagte Teresa Bücker schon nach ein paar Minuten, "wieso respektieren wir sie nicht einfach?"
Für den Rest gilt Florian Schröders kristallklare Ansage: "Wir leben in einem liberalen Land, in dem man alles sagen kann. Wir müssen aber damit leben, dass es nicht widerspruchsfrei passiert." Mehr als diese beiden Gedanken braucht keine Diskussion über politische Korrektheit. Spart Lebenszeit in Talkshowstunden. Und Peter Hahne würde nur ein Wort verlieren.