Sat.1-Promiboxen Banalst-Fehden in Zeiten poröser Schädeldichtungen
"Das große Sat.1-Promi-Sandkastenförmchen-Wegnehmen" hätte es auch getan. In Gottes Namen auch "Das große Promi-Brennnessel-am-Arm-Machen" oder "Das große Promi-in-die-Backe-Zwicken". Das wären adäquate Kampfdisziplinen gewesen, die der Reife und Güte der Banalst-Fehden entsprochen hätten, die an diesem Abend durch direkte, körperliche Konfrontation angeblich final geklärt werden sollten - Schlägern als Friedensverhandlung, das klingt nach einer absolut plausiblen Idee. Gerade in einer Stimmung und in einem Jahr, in der die Dampfkochtopfdichtungen in den Schädeln so porös sind, wo überall so viel Wut und das Konzept von Verhältnismäßigkeit längst flöten gegangen ist.
"Ich mach die Sau fertig", keucht Schauspielerin Doreen Dietel also in ihrem Trainings-Einspielerfilm, die Sau ist in diesem Fall Gisele Oppermann, denn das "Germany’s next Topmodel"-Opferlamm nervte sie 2019 bei der gemeinsamen Zeit im Dschungelcamp. Die Trash-TV-Tinglerinnen Jade Übach und Carina Spack wollen sich prügeln, weil sie irgendwie das Kleingedruckte in ihren Formatverträgen übersehen haben müssen, also die Passage, in der erklärt wird, dass einem die möglichen Liebespartner im Bachelorversum nicht hygieneversiegelt und appetitlich unbefummelt zugeführt werden, sondern dass sie vielleicht schon jemand anderes angeleckt hat. Und die Kuppelformat-Gockel Oliver Sanne und Yasin Cilingir tragen seit geraumer Zeit mit viel Kikeriki eine Insta-Story-Fehde über den Streitpunkt aus, wer von ihnen denn nun der gockeligere ist.
Moderiert wird der lange, sehr lange Abend von Matthias Killing, Sarah Valentina Winkhaus und Melissa Khalaj, und dazu muss man vor allem eins sagen: Man hat Cathy Hummels für ihre jüngsten Auftritte als Stammelkarten-Vorleserin viel Unrecht getan. Seelenlose Satzstacksereien und kompletter Unsinn schinden unverfroren Sendezeit, die meisten Interaktionen von Killing und Winkhaus bestehen darin, dass er ihr eine Frage stellt und sie darauf, nun ja, eine Art von Antwort gibt. Beispielhafte Konversation vor dem Kampf von Doreen Dietel und Gisele Oppermann: Killing: "Was glaubst du, wird man Tränen sehen?" Winkhaus: "Ich glaube, man weiß es nicht." Zwischendurch macht Winkhaus das bei jüngeren Menschen gerade noch beliebte Symptominterjektion "çüş" für alle Zeiten unbenutzbar, indem sie damit zuerst einen Kampf ("Shüüsh, wie das abgeht!"), dann den Wert des in der Pause zu verlosenden E-Bikes bestaunt: "Shüüsh, 10.000 Euro!".
Backstage-Reporterin Melissa Khalaj liefert immerhin den besten, eigentlich einzigen Scherz dieses Abends, als sie sagt: "Ich stehe hier mitten im Hexenkessel, hier brodelt es", in Wahrheit steht sie in der traurigsten Halle der Welt. Später hat sie beim Interview mit einem Geschlagenen noch Erhellendes zum Boxsport allgemein mitzuteilen: "Es gibt beim Boxen einen Gewinner und einen Verlierer, und der warst leider du."
Gackernd belachte Wattebäuschchen-Witzversuche
Irgendwo dazwischen wird dann tatsächlich auch gekämpft, und diese Duelle fallen sehr unterschiedlich aus: Mal vier Runden lang wüstes Gekloppe bei Jade Ürbach und Carina Spack, dann ein fast sportlich gemeinter Kampf zwischen Oliver Sanne und Yasin Cilingir, schließlich ein überraschend schneller technischer K.o., als Gisele Oppermann eine taumelnde Doreen Dietel in zwei Runden abfertigt.
Ausgesprochen gruselig verlief der Kampf zwischen "Love Island"-Mensch Marcellino Kremers und "Goodbye Deutschland"-Auswanderer Steff Jerkel: Komplett von Sinnen drosch Kremers auf Jerkel ein, mit rudernden Schlagarmen, wie man sie sonst nur bei rennenden Figuren in alten koreanische Zeichentrickserien sieht, und das einzig annähernd Interessante an diesem Abend wäre tatsächlich das Ergebnis seines Dopingtests gewesen.
Im letzten Kampf traten Julian F.M. Stöckel und Matthias Mangiapane an, und wahrscheinlich muss man nicht mehr darauf warten, dass ein Boxkampf zweier schwuler Männer irgendwann einmal nicht mehr mit der Frage "Kämpfen die nach Männer- oder nach Frauenregeln?" und mit gackernd belachten Wattebäuschen-Witzversuchen kommentiert wird. Oder, um es mit dem Moderations-Tiefpunkt von Winkhaus zu sagen: "Jetzt werden die wilden Hunde aufeinandergehetzt, oder doch die läufigen Hündinnen?"
Duellant Stöckel, wie immer angetan mit Turban, war dann der Einzige, der die bizarre Verbissenheit der restlichen Teilnehmer schon bei seinem tänzeligen Einlauf mit heiterer Grandezza zumindest kurz auflockerte, auch die Zwischenrunden-Anweisungen seines Trainers waren amüsant: "Dann machst du die Bärchen!" Leider musste er rasch aufgeben, der Kampf war dann doch zu strapaziös. Mangiapane gewann also, ebenso wie Carina Spack, die beide mit ihrer Teilnahme die ohnehin halbherzigen Anti-Mobbing-Einlassungen von Sat.1 nach dem Debakel von "Promis unter Palmen" vollends als halblebiges Geplapper entlarvten: Spack und Mangiapane hatten sich in diesem Trash-Format als hochgiftige Figuren erwiesen, nun durften die beiden, weil stumpfe Hetze ja so amüsant ist, also auf der Boxbühne weitermachen. "Wenn ich dich schon seh, krieg ich Ausschlag/Vielleicht wird es besser, wenn ich draufschlag" lauten die ersten Zeilen von Spacks eigens verfasstem Diss-Lied gegen Jade Übach, mit dem sie in den Ring einlief. Und im Anschluss an das Promiboxen lief die Wiederholung von "Promis unter Palmen". Wie lange dauert es wohl noch, bis Bastian Yotta gegen den Currywurstmann boxt?