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Götz George ist Schimanski: Duisburg-Ruhrort forever!

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Schimanski-Comeback Steh auf, Zombie!

Der Untote des deutschen TV-Krimis zieht wieder seine Runden: Als Schimanski kämpft der unkaputtbare Götz George in "Schuld und Sühne" in seiner alten Nachbarschaft Duisburg-Ruhrort gegen Korruption, Frauenhandel und Modernisierungsirrsinn - und läuft dabei zu ganz großer Form auf.

Wenn der Mensch alt wird, sehnt er sich an die Orte zurück, an denen alles seinen Anfang nahm. Bei der Fernsehfigur Horst Schimanski sind das die Kneipentresen und Imbisse von Duisburg-Ruhrort, jenem ehemaligen proletarischen Quartier, nach dem schon die allererste " Tatort"-Episode mit dem Stahlschnauzer aus dem Jahr 1981 benannt ist.

Über die Jahrzehnte weitete er sein Wirkungsgebiet ja immer stärker aus; die Grenzzäune Europas fielen, er schlug sich bald für seine Ermittlungen und einige der spektakulärsten "Schimanski"-Folgen irgendwo zwischen Belgien und dem Balkan herum. Doch seit einiger Zeit agiert der Alte wieder in seinem angestammten Revier, und in dem wird er mehr denn je gebraucht.

Die Stahlkessel sind längst nach Rumänien oder in andere Länder des ehemaligen Ostblocks verlegt worden, dafür boomt jetzt auf dem heimischen Straßenstrich die Prostitution mit Frauen aus eben diesen Ecken Europas. Nein, auf die Karte mit den Globalisierungsgewinnerregionen gehört Duisburg wirklich nicht. Und der Umbau der Industrieruine zur Fun-City ist mit der Love-Parade-Katastrophe des letzten Jahres tragisch gescheitert.

Das alles kommt einem so in den Sinn, während man Schimanski die erste Viertelstunde der aktuellen Episode "Schuld und Sühne" beim Nichtstun in der alten Nachbarschaft zusieht. Während er am Stammimbiss seine Pommes rot-weiß vertilgt, schaut er neugierig dabei zu, wie junge Gangster ihre Drogen verticken. Und während er zur Wirtin (Ulrike Kriener) der örtlichen Bullenkneipe hinter den Tresen springt, um sich noch schnell ein halbes Pils für den Nachhauseweg zu zapfen, wird er der Korruption gewahr, die sich unter den Ex-Kollegen des Reviers (unter anderem Hannes Jaennicke) ausgebreitet hat.

Schimanski, der zähnebleckende Anachronismus

"Alles geht den Bach runter" heißt es einmal. Das ist natürlich Quatsch. Vor 30 Jahren, als Schimanski seinen Fernsehdienst angetreten hat, war die Jugend genauso, wie es der Kraftklotzkommissar selbst nennen würde, "im Arsch". Auch da war der Polizeiapparat schon korrupt, und natürlich haben sich irgendwelche Gewerkschaftsbosse hinterm Rücken der Kumpels die Streikkassen in die eigenen Taschen geschüttet. Nein, besser, herzlicher oder menschlicher ging es damals auch nicht zu.

Die Gemeinheiten der Menschheit schlagen Schimanski inzwischen nur stärker aufs Gemüt - weil er jetzt noch isolierter wirkt. Regisseur Thomas Jauch und Autor Jürgen Werner, die schon für die letzte angenehm altmodische Schimanski-Folge "Schicht im Schacht" von 2008 verantwortlich zeichneten, setzen den inzwischen 72 Jahre alten Hauptdarsteller Götz George konsequent als zähnebleckenden Anachronismus in Szene - und zwar dankbarerweise ohne übertriebene Ironie. Auf Rheumawitze à la Stallone verzichtet man zum Glück. Die Gesellschaftskritik, das muss man zugeben, bleibt leider trotzdem dünn.

Doch hier wird ja eben auch nicht die Veränderung analysiert, sondern die Beständigkeit zelebriert. Schimanski ist Schimanski, er wird es immer bleiben. Allein was der Prolet mit seinen Pommes alles anstellt: Er kann sie lässig in den Mund stecken und so totales Desinteresse zeigen, wenn ihn irgendein dahergelaufener krimineller Straßenpinscher anbellt, er kann sie aber auch samt Ketchup und Mayo mit bösem Blick an der Windschutzscheibe eines Streifenwagens zerdrücken, um seine Verachtung für die korrupten Ex-Kollegen auszudrücken.

Drecksarbeit ist bei dem Malocher-Cop Ehrensache

Bei Schimanski ist alles Handarbeit: Statt Informationen mit dem Handy einzusammeln, düst er lieber mit dem alten Citroen CX von Ort zu Ort. Statt ehemalige Kollegen zu Hilfe zu rufen, erledigt der längst verrentete Beamte die körperlichen Knochenjobs lieber selbst. Im dreißigsten Jahr seiner Fernsehexistenz bleibt Schimanski also ein Malocher-Cop im besten Sinne: Drecksarbeit ist für ihn Ehrensache.

So einer steht immer wieder auf. Wenn sich Schimanski in "Schuld und Sühne" bei seinen Nachforschungen in verwaisten Industrieanlagen und heruntergekommenen Sexshops immer neue Blessuren zuzieht, dann wirkt er wie ein Zombie, dem Kugeln, Knüppel, ja nicht mal sich überschlagende Autos etwas anhaben können.

Tatsächlich ist Schimanski ja der große Untote des deutschen Fernsehkrimis, und das schreiben wir hier mit allem Respekt: Er steigt alle paar Jahre aus der Fernsehgruft der achtziger Jahre und schiebt seinen massigen unkaputtbaren Körper durch die Zumutungen der Gegenwart. Jugendkriminalität? Frauenhandel? Modernisierungsirrsinn? Alles einerlei! Instinktiv teilt Schimi an die Richtigen aus.

Für uns könnte das noch jahrzehntelang so weiter gehen. Da sind wir nicht anders als die Fernsehfigur Schimanski: Wir sehnen uns in jene Zeit zurück, als alles losging, damals in Duisburg-Ruhrort. Doch das Quartier, so wie wir es kannten, gibt es eben schon lange nicht mehr. Umso mehr brauchen wir den stolzen Zombie Schimanski, der immer wieder aufsteht, um sich schlägt und das Fernsehrevier unserer proletarischen Träume verteidigt.


"Schimanski: Schuld und Sühne": Sonntag 20.15 Uhr, ARD

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