Filme und Serien zu Weihnachten, Teil zwei Auch das Traumschiff legt wieder ab – diesmal nach Hanebüchistan

Eierlikör-Orgien, schreiende Babys, und dann noch ein Auftritt beim Krippenspiel: Andrea Sawatzki in »Familie Bundschuh im Weihnachtschaos«
Foto: Volker Roloff / ZDF»Familie Bundschuh im Weihnachtschaos«, ZDF Mediathek
Die Schwiegermutter hängt am Eierlikör, der Bruder vergeht in Selbstmitleid, irgendwo weint immer ein Baby: Niemand hat behauptet, dass Weihnachten mit der Familie schön sein muss. Allerdings wird das wegen der Kontaktbeschränkungen in diesem Jahr ja anders laufen. Wer jetzt laut »Schade!« ruft, muss auf lieb gewonnene Traditionen aber nicht verzichten: Der ZDF-Film »Familie Bundschuh im Weihnachtschaos« kompensiert alles, was an den Festtagen sonst so nervt. Dabei sollte Hausfrau Gundula (Andrea Sawatzki) mittlerweile Expertin für Familienkatastrophen sein.
Schon in den früheren Teilen der Reihe, deren Vorlagen Sawatzki selbst verfasste, musste sie mit allerlei Wirrwarr zurechtkommen. Doch nun wird es noch einmal besonders eng bei den Bundschuhs: Gundulas fromme Schwägerin (Eva Löbau) ist mit ihrem unehelichen Kind eingezogen, und Schwiegermutter Susanne (Judy Winter) muss plötzlich gepflegt werden. Wer sich das entstehende Chaos ansieht, weiß eine stille Weihnacht plötzlich zu schätzen. Und dass die Bundschuhs nicht in der Nähe wohnen. Elisa von Hof

Vagina-Monologe von Libido-Kaspern: Fahri Yardim und Christian Ulmen als »Jerks«
Foto: Joyn»Jerks« Weihnachts-Special, Joyn
Männer in Kreißsälen sind Katastrophen. So das Klischee. Brechen wimmernd zusammen, statt heldenhaft zu sein. Monologisieren vor sich hin, statt einfach die Klappe zu halten. Fahri Yardim ist ein besonders schwerer Fall von Kreißsaal-Katastrophe: Als er mit seinem Kumpel Christian Ulmen in das Krankenhaus kommt, in dem seine Freundin das gemeinsame Kind zur Welt bringen soll, beginnt er zu räsonieren, was der Akt des Gebärens für den geliebten Körper seiner Partnerin bedeuten würde. Erst gibt er sich einer so detailreichen wie plastischen Beschreibung der Vagina hin, dann malt er die seiner Meinung nach verheerenden Folgen einer natürlichen Geburt für das gemeinsame Liebesleben aus.
Die Vagina-Monologe bilden den Auftakt für ein Weihnachts-Special der Comedy-Serie »Jerks«, in der die Schauspieler Yardim und Ulmen die Schauspieler Yardim und Ulmen spielen – ein Trick, durch den die Zurschaustellung der Hilflosigkeit, die offenbar viele Männer gegenüber ihrer Sexualität haben, grausam authentisch wirkt. Rasende Egomanie, entfesseltes Kopfkino, entgleiste Impulskontrolle – in dem überhaupt nicht festtagstauglichen »Jerks«-Programm wird diese unheilvolle Mischung auf die Spitze getrieben. Das ist schreiend komisch, aber auch abgrundtief böse. Heilung scheint für Yardims und Ulmens Libido-Kasper ferner denn je. Lieber nicht mit der Familie gucken. Christian Buß (ab 23.12.)

Vier Freunde und ein Toter: Das spielfreudige Ensemble von »Unter Freunden stirbt man nicht«
Foto:Frank Dicks / TVNOW
»Unter Freunden stirbt man nicht«, TVNow
Was tun, wenn der beste Freund stirbt, kurz bevor ihm der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften verliehen wird? Man macht der Außenwelt vor, er würde noch leben. Das hat überhaupt nichts mit dem Preisgeld zu tun, sondern nur mit der Ehre! Das reden sich Annette, Ella, Friedrich und Joachim zumindest relativ erfolgreich ein. Und versuchen zunächst mit Räucherstäbchen und Klimaanlage, später mit deutlich rabiateren Methoden, das aufzuhalten, was der natürliche Gang menschlicher Körper ist, wenn sie ausgedient haben.
Ganz so frisch ist die Idee nicht, Leichen als Beschleuniger für einen Komödienstoff zu nutzen, und so weit in Sachen schlechter Geschmack wie zuletzt der Film »Swiss Army Man« geht dieser Vierteiler von RTLs Streamingplattform auch nicht. Glücklicherweise. Dafür ist dem prominent besetzten Ensemble (Iris Berben, Heiner Lauterbach, Adele Neuhauser, Michael Wittenborn und Walter Sittler als Leiche) jederzeit die Spielfreude anzumerken, mit der sie die Geschichte immer tiefer ins Chaos stürzen dürfen. Etwas kürzer und präziser wäre noch besser gewesen, aber als melancholisch grundierte Slapstick-Meditation über die Vergänglichkeit überzeugt die Miniserie durchaus. Oliver Kaever

Ariana Grande im Trailer zu »excuse me, i love you«: Der Titel des Films ist ein Zitat aus ihrem Song »R.E.M.«
Foto: Netflix»excuse me, i love you«, Netflix
Für Hardcore-Fans von US-Popstar Ariana Grande ist dieser als »Documentary« angepriesene Konzertfilm eine Offenbarung: »Es ist ein Lifestyle, es ist eine Religion, es ist ein Grund, morgens aufzuwachen, es ist etwas, das die konstante, traurige Monotonie im Leben aufbricht«, twitterte ein Superfan wenige Stunden, nachdem »excuse me, i love you« am Montag bei Netflix veröffentlicht wurde. Kann man so sehen. Wer sich allerdings erhofft hatte, der 27-jährigen Sängerin mit einem Blick hinter die Kulissen ihrer »Sweetener«-Welttournee (März bis Dezember 2019) etwas näherzukommen, muss dann doch wieder viel Monotonie aushalten.
Statt auf der Erforschung ihrer Persönlichkeit liegt der Fokus auf Performance. Gezeigt wird ein Großteil der beiden Londoner Konzerte zum Abschluss der Europa-Gastspiele, dazwischen wird eher erratisch und in kurzen Clips zwischen Albany, New York und Los Angeles hin- und hergesprungen. Es werden Horrorfilme im Flugzeug geguckt, Tänzerinnen und Tänzer geherzt, es wird eine Anekdote über Hundekot erzählt, von Mariah Carey geschwärmt und kurz über Trumps Impeachment gejubelt – und ansonsten viel geschminkt. Oft weiß man nicht, wann und wo man ist oder was das alles soll, dafür aber, dass Grande ihre Crew abfeiert. Interaktion mit den Fans, für die der Film als Dank und Liebeserklärung laut Grande gemacht wurde: eher sparsam. Erkenntnisse oder private Reflexionen über die jüngsten Traumata im Leben des Stars (der Selbstmordattentäter bei einem Konzert in Manchester 2017, der Drogentod ihres Ex-Freunds Mac Miller 2018): nicht Teil dieses feierlichen Programms. Fair enough. Für 97 Minuten Göttinnendienst ist's dann aber doch zu viel Choreo und zu wenig Drama. Andreas Borcholte

Ärgerliche Schwammdrüberhaftigkeit: Marianne Sägebrecht in »Das Traumschiff«
Foto:Dirk Bartling / ZDF
»Das Traumschiff: Kapstadt«, ZDF Mediathek
Offiziell ankert das Traumschiff dieses Jahr vor Kapstadt, in Wahrheit hat es allerdings wieder vor Hanebüchistan angelegt – jenem Land, in dem man immer dann rein zufällig unbemerkt in einem Gebüsch steht, wenn in Hörweite etwas gesprochen wird, dass man auf keinen Fall mitbekommen darf, und in dem Beziehungen allein daran scheitern, dass sie Brille trägt (was er nicht mag) und er sich bevorzugt rosa kleidet (weswegen sie ausrastet). Kapitän Max Parger (Florian Silbereisen) schrappt weiter nur knapp an der Allmacht vorbei – in Kapstadt verschollene Passagiere findet er mühelos, indem er einfach ein Weilchen ziellos auf seinem Motorrad durch die augenscheinlich eher unterzentrumsgroße Stadt gurkt.
Harmloser Feiertagsschmonz, könnte man meinen, aber dann wird es ernsthaft ärgerlich: Ein Handlungsstrang erzählt von einer Ordensschwester (Marianne Sägebrecht), die verzweifelten, alleinerziehenden schwarzen Frauen ihre Babys zur Adoption für deutsche Ehepaare abschwatzte und ihnen dann keine Auskunft über ihren Verbleib gab, als die Frauen ihre Entscheidung bereuten. Den Ärger über die lapidare Schwammdrüberhaftigkeit, mit der dieses Verhalten schließlich begütigend wieder abmoderiert wird, mildert auch nicht der Ballaballa-Blitzauftritt von »Denver Clan«-Alumna Linda Evans. Anja Rützel (ab 25.12. in der Mediathek, am 2. Weihnachtstag auch um 20.15 im ZDF; am 1.1. folgt eine weitere Episode)

Das Recht auf Party: Feierspaß in »Das Geheimnis der Roseninsel«
Foto:Netflix
»Das Geheimnis der Roseninsel«, Netflix
»You gotta fight for your right to paaaaaaarty«, grölten die Beastie Boys einst, als die Welt noch coronafrei und es ein ganz normaler menschlicher Vorgang war, sich durch Feierei bis zum Morgengrauen in einen rauschhaften Zustand zu versetzen. Nicht mal über den Jahreswechsel ist das jetzt möglich, und wie schmerzhaft dieser Verlust wiegt, wird einem richtig klar, wenn man die Feste sieht, die in dieser italienischen Komödie gefeiert werden. Ein Ingenieur stellt in dieser in den Sechzigerjahren spielenden Geschichte eine Insel aus Beton sechs Kilometer vor die italienische Küste. Eigentlich nur, um seine Ex-Freundin zu beeindrucken. Aber bald taucht allerlei Partyvolk auf, und als der Ingenieur sein Eiland zum souveränen Staat erklärt, folgen auch noch diplomatische Verwicklungen.
Wenn Sie finden, dass das albern klingt, dann lassen Sie sich sagen, dass diese Geschichte auf wahren Begebenheiten beruht. Sehr lustig in Szene gesetzt ist es allemal, und man staunt, wie nah sich Menschen kommen können, wenn sie keine Pandemie-Regeln einhalten müssen – hier gilt das in besonderem Maße, viel Platz ist auf dem Party-Inselchen ja nicht. Vielleicht würde dieser Film in anderen Zeiten gewogen und für zu leicht befunden, jetzt weckt er die Vorfreude auf durchzechte Nächte, die in der zweiten Jahreshälfte 2021 vielleicht wieder vor uns liegen. Oliver Kaever

16 Dosen Cola und ein paar aufgeplatzte Koffer: Teenagerinnen in »The Wilds«
Foto:Matt Klitscher / Amazon
»The Wilds«, Amazon Prime Video
Eigentlich sollen sie im Privatjet nach Hawaii fliegen, zum Empowerment-Retreat für junge Frauen. Aber kaum ist der Schokoladenkuchen der neun Teenagerinnen aufgefuttert, stürzt der Flieger ab. Die ziemlich unterschiedlichen Mädchen stranden auf einer einsamen Insel – mit 16 Dosen Cola, ein paar aufgeplatzten Koffern und einem Feuerzeug. »What the fuck«, sagt Teenager Leah (Sarah Pidgeon) und soll damit Recht behalten. Denn natürlich ist hier nichts so, wie es scheint – nicht nur, weil alle Mädchen den Absturz nahezu unbeschadet überstehen, sondern weil schnell klar wird, dass sie bei ihrem unfreiwilligen Survival Training von Kameras beobachtet werden. Und sie nicht ganz so zufällig zusammen dort strandeten.
Man muss sich nicht gut an die Serie »Lost« erinnern können, um schnell Parallelen zu erkennen. Doch wo »Lost« scheiterte, punktet »The Wilds«: Serienschöpferin Sarah Streicher hat die Serie logisch komponiert, wenig schablonierte Protagonistinnen geschaffen – und auf ätzende männliche Nebenfiguren verzichtet. Damit entpuppt sich die Serie als feministische, antikoloniale Antwort auf William Goldings Romanklassiker »Herr der Fliegen«: Statt meuchelnden Jungs sieht man cleveren Girls dabei zu, wie sie gemeinsam überleben. Dass das einigen trotz beißender Sandmücken, Hunger und Todesangst besser als ihr Alltag gefällt, macht wirklich traurig. Und zeigt wieder einmal, wie hart das Erwachsenwerden in einer patriarchalen Welt ist. Elisa von Hof

Kommt ohne Weihnachtsgebimmel aus: Zendaya (r.) in der »Euphoria«-Weihnachtsfolge
Foto: HBO / Sky»Euphoria« Weihnachts-Episode, Sky
Kein Gejingle, nirgends. Wer die erste, dunkelgelackte Staffel des Taumelteenie-Dramas »Euphoria« gesehen hat, erwartet von der Weihnachtssonderfolge »Trouble Don't Last Always« zu Recht kein versöhnliches Feiertagsgebimmel. Nach ein paar Szenen harmonischer Butzenscheiben-Pärchen-Idylle zwischen Rue (Zendaya) und Jules (Hunter Schafer) wird schnell klar: Alles nur geträumt. Die Wahrheit ist ein verlassenes Diner am Heiligabend, an dem die matte, müde Rue, wieder vollgeschnupft mit Drogen, sich mit ihrem Vertrauten Ali (Colman Domingo) über die Beschissenheit der Dinge unterhält. Aus der Höhle ihrer Pulloverkapuze raunt Rue ihre Hoffnungslosigkeit, ihr Überfordertsein vom Leben, und die fantastische Zendaya braucht tatsächlich eigentlich keine Worte dafür, weil man die kleinste Nuance an ihrem Gesicht ablesen kann. Sehr intim und reduziert ist diese Folge, vor allem verglichen mit dem gewohnten »Euphoria«-Strudelsog. Wer an diesen Feiertagen, die sich so anders anfühlen als sonst, einen Erschöpfungskomplizen braucht, ist in dieser besonderen Folge gut aufgehoben. Anja Rützel
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