Sigmar Gabriel im ZDF-Interview Argumente vom Biertresen

SPD-Chef Gabriel hat in Dresden mit Pegida-Anhängern diskutiert. "Was nun?", fragt das ZDF - aber der Vizekanzler bleibt die Antwort schuldig. Er philosophiert lieber über den Alltag der Politik und behauptet, dessen Kern sei es, miteinander zu reden.
Vizekanzler Gabriel (Archivbild): "Was gibt es in der Demokratie anderes an Mitteln, als miteinander zu reden?"

Vizekanzler Gabriel (Archivbild): "Was gibt es in der Demokratie anderes an Mitteln, als miteinander zu reden?"

Foto: AP/dpa

Es war leicht zu erkennen, was dabei rauskommt, wenn man mit Anhängern von Pegida spricht: Die Welt schrumpft, und auch der eigene IQ.

Wie oft hat Sigmar Gabriel eigentlich das Wort "Mensch" gesagt in der ZDF-Sendung "Was nun, Herr Gabriel?"? Mensch, Menschen, menschlich, ach ja, und es ist auch so, dass die "einfach ticken". Im Gegensatz zu Journalisten und Politikern, denn die "denken etwas anders": Fällt dem SPD-Vorsitzenden gar nicht auf, dass er damit das Bild stützt, das Pegida und seine Anhänger von der, wie Gabriel es steif nannte, "tradierten Politik" haben?

Aber er wirkte eh etwas säuselschlaff in dieser Sendung, und so waren seine Antworten einfach und seine Argumente schlicht, auf diese biertresenhafte Art: Man wird doch noch mal...

Nein, weil es nichts bringt.

Sondern im Gegenteil den Teil der Bevölkerung verstört, deren Sorgen niemand hört - und Sorgen muss man hier im Gegensatz zu den irrationalen Islamisierungs-"Sorgen" mal ohne Anführungszeichen schreiben, denn es sind reale Sorgen, die zu tun haben mit Heizung, Miete, Armut, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Sexismus, Umwelt, Gerechtigkeit - die Liste ist lang.

Das Verwerfliche von Pegida ist ja gerade, dass sie dort diffuse Probleme unter dem einfachsten und gemeinsten und gefährlichsten Nenner zusammenfassen: Angst, verbunden mit Nationalismus, völkischem Denken, Fremdenfeindlichkeit.

Sie brauchen grobe Bilder, um ihre grobe Weltsicht mit selbstgezimmerten Wahrheiten zu unterfüttern: Es ist unklar, was Sigmar Gabriels Rolle in diesem Spiel wäre.

Er habe ja nur an einer Veranstaltung der Landeszentrale für politische Bildung in Dresden teilgenommen, sagte Gabriel, ein Drittel Pegida-Anhänger, ein Drittel Gegner, ein Drittel unentschieden. Eingeladen hatte der Leiter der Landeszentrale, Frank Richter, der schon mit seinem Auftritt bei "Günther Jauch" am vergangen Sonntag bewiesen hatte, dass er die Welt am liebsten in einen einzigen Runden Tisch verwandeln will, nur echt mit dem großen R!

Aber es ist nicht immer friedliche Revolution (wer entscheidet überhaupt, wer mit am Tisch sitzt?), und es ist nicht immer nötig und richtig, mit allen zu reden: Politik ist Kompromiss, aber auch Konflikt, es gibt keinen Grund, in Hektik zu verfallen, nur weil 18.000 Leute rufen "Wir sind das Volk".

Rein rechnerisch ist da noch etwas Luft nach oben.

"Was bewegt die Menschen eigentlich", das wollte Gabriel wissen, sagte er, als er nach Dresden fuhr. Er hat in der Sendung nicht gesagt, dass er sonderlich viel erfahren hätte, was er noch nicht wusste, und das wäre ja seine Chance gewesen.

Es sei "das Normalste von der Welt", dorthin zu gehen, sagte er auch noch. Und man muss keine schlechten Erfahrungen mit Versicherungsvertretern gemacht haben, um bei so einem Satz hellhörig zu werden.

Was Sigmar Gabriel da präsentierte als den Alltag der Politik, war tatsächlich Politik als Kitsch: Es ist eben nicht evident, dass "miteinander reden" der Kern des Politischen ist, das kann er so oft sagen, wie er will.

Und als es etwa um die Sorgen der Griechen ging, da wurde sein Ton auch härter: Mehr als 25 Prozent Arbeitslosigkeit, mehr als 50 Prozent Jugendarbeitslosigkeit - Gabriel fiel dazu vor allem ein, dass der deutsche Steuerzahler nicht belastet werden dürfe.

Vielleicht wäre es besser, für Gabriel, für die SPD, am Ende sogar für "das Land", wenn er sich überlegen würde, was eine linke oder eine solidarische oder wenigstens eine sozialdemokratische Politik sein könnte in dieser Zeit.

Eines immerhin wurde noch einmal deutlich: Es kann sein, dass die Politik ein Problem hat, ganz gewiss sogar. Es kann sein, dass der Journalismus ein Problem hat, ganz gewiss sogar. Es braucht aber keine Pegida, um das herauszufinden.

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