Finanzskandal Sky plant großes Doku-und-Fiktion-Projekt zu Wirecard

"Gier, Verrat und Werteverlust": Sky bereitet den Wirecard-Skandal als Dokumentation und als Serie auf. Auch ein öffentlich-rechtlicher Sender ist beteiligt - aber nur ein bisschen.
Foto: Thomas Kronsteiner / Getty Images

Es ist ein Finanzskandal, der das Land noch Jahre beschäftigen wird. 3,2 Milliarden Euro Schulden hinterlässt der Zusammenbruch des Aschheimer Unternehmens Wirecard, das erst als Fintech-Wunderkind gehandelt wurde und sich dann als mit hoher verbrecherischer Energie zusammen gelogene Finanzdienstleistungs-Attrappe entpuppte. Wie viel Schuld Aufsichtsbehörden und Politik an dem Fiasko tragen, soll nun ein Untersuchungsausschuss klären.

Parallel zu der parlamentarischen Aufarbeitung plant der Pay-TV-Anbieter Sky ein mehrere Elemente umfassendes Fernsehprojekt. Schon in den nächsten Wochen soll der Dreh zu einer aufwendigen Dokumentation zum Fall Wirecard beginnen. Der Neunzigminüter entsteht in Kooperation mit dem Rundfunk Berlin-Brandenburg; nach der Sky-Auswertung soll er in der ARD zu sehen sein. Es ist nicht die erste Zusammenarbeit mit einem öffentlich-rechtlichen Partner für Sky; der Bezahlsender hatte schon zuvor für das Serien-Großprojekt "Babylon Berlin" - die ersten 16 Folgen kosteten an die 40 Millionen Euro - mit verschiedenen ARD-Anstalten zusammengearbeitet.

Zudem entwickelt Sky eine Miniserie zu der Aufschneider-Firma Wirecard, die 2019 sogar geplant haben soll, die Deutsche Bank zu übernehmen . Denkbar sind zum Beispiel sechs 45-minütige Teile, die international ausgewertet werden könnten. Die Dreharbeiten dazu sind für das nächste Jahr angedacht. In Deutschland soll die Serie nur bei Sky zu sehen sein - eine Kooperation mit einem öffentlich-rechtlichen Partner wird hierbei vom Sender ausgeschlossen.

"Gier, Verrat und Werteverlust"

Treibende Kraft hinter dem gesamten Projekt ist die Produzentin Gabriela Sperl. Sie will sowohl in dem Doku- als auch dem Fiktionsformat nach eigenen Worten nicht nur "Gier, Verrat und Werteverlust" nachzeichnen, sondern auch eine "Geschichte der Aufrechten" erzählen, die gegen alle Widerstände um Aufklärung kämpfen.

Sperl hat zuvor für ARD und ZDF einige der avanciertesten Fernsehmehrteiler zu schwierigen historischen und politischen Stoffen umgesetzt. Vor fünf Jahren produzierte sie zum Beispiel den mit dem Grimme-Preis ausgezeichneten Dreiteiler "NSU - Mitten in Deutschland", der sich sowohl mit den Opfern als auch den Tätern der Neonazi-Mordserie beschäftigte. Das 270-Minuten-Unterfangen war beispielhaft dafür, wie sich Filmemacher einem Thema nähern können, dessen Aufarbeitung gerade noch in vollem Gang ist. Öffentlich-rechtliche Fernsehwertarbeit sozusagen.

Dass Sperl nun den größeren Teil des "Wirecard"-Projekts mit dem Bezahlsender eines internationalen Medienkonglomerats umsetzt, ist deshalb von großer Bedeutung. Es zeigt, wie Pay-TV-Sender und Streamingplattformen internationaler Medienkonzerne hierzulande mit viel Geld in öffentlich-rechtliches Hoheitsgebiet vordringen. Im großen Verdrängungswettbewerb, den sich Netflix, Amazon, Disney und all die anderen zurzeit liefern , wird nicht nur in Serien und Spielfilme Kapital gepumpt, sondern zunehmend auch in hochwertige Reportagen und Informationsprogramme.

Das Thema Wirecard etwa wird auch von TVNow, dem Streamingdienst von RTL, aufgegriffen. Dort soll der Betrugsskandal in Form eines neunzigminütigen Dokudramas nacherzählt werden, Drehbeginn ist aber erst im nächsten Jahr. Als Regisseur für das Projekt des Privatsenders fungiert ebenfalls ein öffentlich-rechtlicher Leistungsbringer: Raymond Ley perfektionierte für ARD und ZDF das Format der Doku-Fiction, zuletzt zeichnete er in "Gier frisst Herz" nach, wie sich die Lehman-Pleite 2008 auf deutsche Kleinsparer auswirkte.

Und auch Netflix wildert demnächst in öffentlich-rechtlichem Terrain: Am 25. September stellt der Streamingdienst seine vierteilige Dokuserie "Rohwedder - Einigkeit und Mord und Freiheit" zum Abruf bereit. Die Recherche über den Mord an dem Chef der Treuhand-Anstalt wird dann fast weltweit zu sehen sein. Weitere Dokumentationen aus Deutschland sind bei Netflix in Planung.

Mal sehen, wie ARD und ZDF auf die massive Informationsoffensive der Streamingkonkurrenz reagieren.

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