
"Sommerhaus der Stars" bei RTL Feinster Dung für Trashhungrige
Wie schön, wie praktisch, wie knackundbackig patent, wenn eine Sendung gleich ihre eigene Metapher mitbringt! Gerade erst sind sieben mehr oder minder selbsterklärend bekannte Paare in ein mehr-so-okayes portugiesisches RTL-Sommerhaus eingezogen, schon müssen sich sämtliche Frauenparts in einem Güllebecken aalen, um aus dem Fäkalschlick falsche Goldbarren herauszutauchen. Und daheim vor dem Gerät dämmert einem, dass "Das Sommerhaus der Stars" genau das sein könnte: Ein echter Schatzfund im zuletzt so trüben Realityshow-Gekröse.
Dabei klang die Ausgangssituation noch leidlich vielversprechend: Geprüftes TV-Schundpersonal wie Thorsten Legat, Hubert Kah und René Weller verbringen zusammen mit ihren Lebenspartnern ein paar Tage in einer Villa. Joah.
Erste Top-Leistung der Sendung aber schon nach wenigen Minuten: Sie entlarvt das Phantasma "Lass uns ein Landhaus mieten und den Sommer schön mit Freunden verbringen" als den blanken Horror, zu dem es in der Realität zwangsläufig werden muss. Wie hieß gleich noch dieser Erzählband von Judith Hermann? "Sommerhaus, Gezeter", genau.
Zweite bemerkenswerte Leistung: Das "Sommerhaus" verschiebt den gewohnten Fokus des Absurden. Der normale Stutz-und-Spottmoment bei VIP-Einpferchungsformaten wie "Promi-Big-Brother" und Ähnlichem zielt ja gewöhnlicherweise in die Richtung: Haha, die sollen PROMINENT sein? Beim Betrachten des "Sommerhauses" und seiner Insassen fragt man sich dagegen: "U-huuu, die sollen EIN PAAR sein?"
Es ist, wie häufiger mal im Leben, bestürzend, was so alles als Liebe durchgeht. Das "Sommerhaus" fungiert dabei noch wie ein Dampfkochtopf, der fluffige Schäume blitzschnell unter Druck zu klebriger Schlacke eindickt. Am Schönsten ist das zum Auftakt beim Spiel der Männer zu sehen, die intime Fragen ihrer Frauen beantworten und gleichzeitig das Antlitz der Liebsten aus großen Fotowürfeln zusammenpuzzeln müssen. Schon diese relativ überschaubare Aufgabe bringt einige an ihre Grenzen.
Alexandra Legat: Wo liegt meine erogene Zone?
Thorsten Legat: Erogene Zone, w-w-w-watt is los? Was will die von mir, ist die krank?
Noch schöner nur, als er dann notgedrungen beantworten muss, welchen Kosenamen sie für ihn benutzt: "Mann, leck mich am Arsch: Häschen-Häschen". Und aus dem Dialog: "Wo war unser erster Kuss?" - "Im Fitness-Studio" - "Falsch, im Krankenhaus" sowie dem Umstand, dass das erste Legat-Date wohl "beim Tätowierer" stattfand, könnte man im Handstreich eine eigene schorfromantische Soap zusammendengeln.
Auch die anderen Paare kennen sich offenbar eher flüchtig:
Angelina Heger: Was habe ich studiert?
Rocco Stark: Psychologie.
Angelina Heger: Falsch.
Rocco Stark: Irgendwie sowas.
Xenia von Sachsen: Wie oft war ich verlobt?
Rajab Hassan: Sieben Mal? Acht Mal?
Xenia von Sachsen: Sechs Mal, du Penner.
Andere hingegen kennen sich vielleicht ein bisschen zu gut.
Maria Weller: Was ist meine Lieblings-Sexstellung?
René Weller: Alle.
Maria Weller: Richtig.
Ein weiterer überraschender Pluspunkt für das "Sommerhaus": Zwar ist sein Personal größtenteils Realityshow-erfahren: Rocco saß im Dschungelcamp, Angelina ebenso (außerdem hat sie, wie ihr fiesmöppiger Möglicherweisefreund ihr hämisch reindrückt, auch ihren "Bachelor" gemacht), Legat war ebenfalls im Dschungelcamp, Hubert Kah bei "Promi Big Brother". Doch trotz dieser Erfahrungswerte verfällt das Ensemble noch nicht in seine vorgefertigten Rollen-Schablonen.
Die größte Inszenierungslust hat sicher Hubert Kah, wenn er sich etwa kurz nach Einzug in einem vage wüstenfuchs-inspiriert scheinenden Outfit in einer Bauerntheater-Interpretation von Klaus Kinski allein am Küchentisch Schnaps eingießt und dazu deklamiert: "Ich trrrrinke für mein Weib, das sich nun im Schlamm suhlen wird." Noch dominieren aber die Momente, in denen die Menschen scheinen, wie sie womöglich sind. Etwa, wenn Ein-Thorsten-Legat beim Einzug die schweren Rollkoffer selbstverständlich schnaufend trägt, statt bequem zu schieben. Statt alter Catchphrases - der Einzige, der nervig "Kasalla!" rief, war Rocco - gibt es von ihm neue Bonmots: "Es ist wie im Fußball: Wer den ersten Platz hat, gewinnt."
Vielversprechender Neuzugang der üblichen Verdächtigen übrigens: Ein Wurstgrillerpaar aus "Goodbye, Deutschland", das sich selbst als "Der Currywurst-Mann" und "Die Frittenfrau" vorstellt und wohl in Los Angeles einen Foodtruck betreibt.
Beispieldialog:
Sie: Ich mach das gut mit den Pommes, ich mach die Pommes gut.
Er: Ja, du machst die Pommes gut.
Ihr Engagement hat sich allerdings bereits für die sekundenlange, zähflüssige Stille gelohnt, mit der ihre ratlosen Mitbewohner die beiden nach ihrem denkwürdigen Vorstellungssätzlein "Wir sind die Currywurstleute aus L.A." übergossen.
Apropos (Entschuldigung für diese Grobheit) Wurst: Faszinierend ist auch, wie ungeschönt das "Sommerhaus" schon in der ersten Folge Intimität als Banalität darstellt und entlarvt. Es ist fast schon auf dem Niveau des rohen Naturalismus eines Gerhart Hauptmanns, wenn Hubert Kah sich am ersten Abend anschickt, bei seiner Freundin beizugehen. "Es ist bei uns so, dass wir eine gewisse Tabulosigkeit pflegen", hatte er bereits im Vorstellungs-Interview gewarnt, "ästhetisch-erotisch-geil" sei das Zusammenleben, und wie dieses ÄEG-Postulat in der Realität aussieht, wollte er dann direkt nach Lichtausknipsung demonstrieren. "Du hast einen geilen Rücken, alles voll mit Muskelfleisch" - "Manchmal muss der Bär auch andocken dürfen" und noch mancherlei halb Weggepiepstes - feinste Fröstelware.

Angelina Heger und Rocco Stark
Foto: Breuel-Bild/ dpaUnd dann, nach zwei kurzweiligen Stunden, brechen endlich die ersten Dämme, angestaut durch die erfreulich hellhörige Konstruktion der gemeinschaftlichen Unterkunft. Bei der öffentlichen Nominierung, bei dem die Sommerhausianer selbst entscheiden, welches Paar ausziehen muss, nominieren die Mitbewohner einstimmig Angelina und Rocco. Begründung: Sie machen nichts im Haushalt, sie lachen zu laut, nerven durch "Mittelpunktsüchtigkeit" (Xenia von Sachsen) und ihr gestampfschauspielertes Beziehungs-Geflattere (das Rocco so umschreibt: "Ich liebe natürlich Angelina und hab mir die auch ausgesucht. Ist aber viel Arbeit. Ne.").
Nun sind Rocco und Angelina allerdings mit dem "Mieten, kaufen, wohnen"-Makler Alexander Posth und dessen Frau befreundet, die sich ebenfalls im "Sommerhaus" befinden - die aber leider nicht mit ihnen, weshalb sie von ihnen ebenfalls nominiert werden. "Die betrügen sich und machen hier ne Show", keift daraufhin die aufgelöste Angelina, worauf der des Fremdgangs bezichtigte Posth ihr seinerseits mit juristischen Konsequenzen droht. All das noch verbrämt von hilfreichen Einwürfen von Maria Weller, die Angelina mit einer scharfen Beobachtung konfrontiert: "Du bist nicht Grace Kelly."
Thorsten Legat fasst den Tumult nach allerhand empörten Abgängen für alle noch mal zusammen: "So ne Scheiße da, ey." Oder, um es anders zu formulieren: Noch schönschlimmer kann das "Sommerhaus der Stars" eigentlich nur noch werden, wenn das geschmähte Ehepaar Posth seine Verleumdungsangelegenheit nun der für derlei Fälle einzig adäquaten RTL-Anwältin Helena Fürst übergibt.
Anja Rützel, Jahrgang 1973, taucht für den SPIEGEL u.a. im Trash-TV-Sumpf nach kulturellem Katzengold. In ihrer Magisterarbeit erklärte sie, warum "Buffy the Vampire Slayer" eine sehr ausführliche Verfilmung der aristotelischen Argumentationstheorie ist. Sie glaubt: "Everything bad is good for you" - und dass auch "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!" tieferen Erkenntnisgewinn liefern kann. Ihr Buch über ihre Liebe zu Take That erschien als Teil der Musikbibliothek bei Kiepenheuer und Witsch.