"Spitzel"-Vorwürfe ZDF-Intendant rügt Brender wegen SPIEGEL-Interview

Beim Zweiten soll es interne Spitzel geben, die den politischen Parteien Senderinterna zutragen. Das hatte der scheidende ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender in einem SPIEGEL-Gespräch erklärt. Intendant Markus Schächter schäumt: Brender diffamiere seine eigenen Mitstreiter.
ZDF-Chefredakteur Brender: Die eigenen Kollegen geohrfeigt?

ZDF-Chefredakteur Brender: Die eigenen Kollegen geohrfeigt?

Foto: DDP

Mainz - ZDF-Intendant Markus Schächter hat die Äußerungen des scheidenden Chefredakteurs Nikolaus Brender über die Einflussnahme der Politik auf den Sender scharf kritisiert. Schächter wies Brenders Darstellung am Montag als "in der Sache falsch und in der Form maßlos und inakzeptabel" zurück.

Brender hatte im SPIEGEL unter anderem gesagt, es gebe im Sender ein internes "Spitzelsystem, das davon lebt, dass Redakteure den Parteien Senderinterna zutragen". Er sprach von "Inoffiziellen Mitarbeitern" der Parteien, "wirklich vergleichbar mit den IM der DDR".

Das "IM"-System erkenne man daran, "dass Politiker einen ganz schnell mit vertraulichen Infos konfrontieren, die sie nur von solchen Zuträgern haben können. Da finden Sie ein fein gesponnenes Netz von Abhängigkeiten, aus dem sich Karrierechancen, aber auch Verpflichtungen ableiten lassen."

Brender erklärte weiter, er habe versucht, "solche Spione wenigstens von Posten mit echter Verantwortung fernzuhalten."

Brender attackierte auch die Landesregierungen und Parteien. "Es gibt Staatskanzleien, die bei den Sendeanstalten ihres Einflussgebiets anrufen und loben oder tadeln - je nach Gefälligkeit der Berichterstattung." Brender zeigte sich erleichtert, dass es für ihn persönlich jetzt beim ZDF zu Ende geht. "Es fällt eine große Last von mir ab." Und was seine Zukunft betreffe: In öffentlich- rechtlichen Sendern könne er sich die nicht mehr vorstellen. "Das System hat mit mir abgeschlossen", so der Journalist. "Das werde ich respektieren."

Schächter erklärte, Brender dürfe aus seiner Enttäuschung über die Ablehnung seiner Vertragsverlängerung im ZDF-Verwaltungsrat nicht die eigenen Redaktionskollegen in dieser Weise ohrfeigen und ihre Arbeit mit solchen Verdächtigungen belasten. "Die ZDF-Redaktionen sind unabhängig von politischen und wirtschaftlichen Einflüsterungen", sagte der Senderchef. Wer etwas anderes behaupte, müsse dies belegen und, wenn er wie Brender in den vergangenen zehn Jahren in der Verantwortung stehe, abstellen.

Diffamierter Diffamierer?

"Man kann nicht gegen Diffamierungen zu Felde ziehen, indem man seine eigenen Mitstreiter diffamiert", so Schächter. Er bedaure sehr, dass sich sein Geschäftsleitungskollege wenige Wochen vor seinem Abschied in dieser Weise ins Abseits stelle, indem er seine langjährigen Kollegen vor den Kopf stoße.

ZDF-Fernsehratsmitglied Hugo Diederich hatte bereits am Wochenende kritisiert, die Äußerung lasse jedes Geschichtsbewusstsein vermissen. "Es ist unverantwortlich, dass Herr Brender als ZDF-Führungskraft seine Redakteure mit der Geheimpolizei der SED-Diktatur vergleicht", sagte Diederich, der stellvertretender Bundesvorsitzender der Vereinigung der Opfer des Stalinismus ist.

Auch der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) sprach sich gegen Brenders Angriff aus. Die Äußerungen des ZDF-Mannes seien "überzogen und zeichneten ein unzutreffendes Bild des Senders", so die Staatskanzlei in ihrer Erklärung.

Ende November hatte sich die Unionsmehrheit im ZDF-Verwaltungsrat durchgesetzt, Brenders Vertrag nicht zu verlängern. Der Vertrag von Brender, der seit April 2000 im Amt ist, endet Ende März. Sein Nachfolger wird der Leiter des ZDF-Hauptstadtstudios, Peter Frey.

dan/ddp
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