Spitzen-Quote für "Voice of Germany" Nobody, du bist der Größte
Das Runterputzen der Bewerber gehört zum guten Ton einer jeden Castingshow: Man kritisiert Aussehen, Auftreten und Krächzstimme der Möchtegern-Stars - aber bitte erst, nachdem man diese ausgiebig in der Sendung vorgeführt hat. Die (echte oder inszenierte) Jämmerlichkeit der Bewerber, sie bildet den Hintergrund, vor dem der Witz und die Könnerschaft der Juroren erst richtig strahlen können.
Auch bei der ProSieben-Castingshow "The Voice of Germany" wird ordentlich runtergeputzt - allerdings tun das die vier prominenten Juroren untereinander. Sie kämpfen mit nicht immer freundlichem Vokabular um die Gesangstalente, von denen sie begeistert sind. Gegenüber den Kandidaten indes herrscht ein durchweg korrekter Ton: Entweder man sagt ihnen nach einem kurzen Auftritt höflich und pointiert, weshalb der Funke nicht übergesprungen ist - oder man wirbt mit leidenschaftlichen Worten um sie.
Richtig blöd sehen hier allenfalls die Juroren selbst aus. Es kommt schon mal vor, dass alle vier Parteien von einem "Voice"-Anwärter begeistert sind - und sich drei von ihnen zwangsweise Körbe holen. Herrlich anzuschauen war das in der Sendung am Donnerstag, wo sich die 42-jährige Soul-Sängerin Kim Sanders nach phantastischem Auftritt ausgerechnet ins Team der stimmlich eher bescheidenen Nena wünschte - und die abservierte Deutsch-Soul-Instanz Xavier Naidoo bedröppelt in die Kamera guckte. Und Kuschelrock-Macker Rae Garvey tobte mal wieder unvorteilhaft herum, als ihn die Assis von BossHoss eine, wie es im "The Voice"-Jargon heißt, fucking geile Rockröhre wegschnappten.
Das Ende des Niedermachens?
Kurz, die Pointen gehen hier nicht auf Kosten der Nobodys, sondern immer auf die der Medienprofis. Eine Umkehrung der Demütigungsmechanismen, nach denen bislang fast alle Castingformate - von "Deutschland sucht den Superstar" bis "Germany's Next Topmodel" - funktionierten. Sehr ehrenwert, aber kann man damit überhaupt Quote machen?
Und wie! Die Zuschauerzahlen der Donnerstagsausgabe von "The Voice" waren in jeder Hinsicht spektakulär: Die dritte Folge der "Blind Auditions" auf ProSieben verfolgten 4,58 Millionen Zuschauer, das waren rund 700.000 mehr als am vergangenen Donnerstag - und immerhin noch gut 200.000 mehr als bei der letzten Ausgabe beim Schwestersender Sat.1, wo "The Voice" immer freitags läuft. Der Gesamtmarktanteil lag an diesem Donnerstag bei 14,9 Prozent - was fast der Spitzenplatz an diesem Abend gewesen wäre, wenn "Das unglaubliche Quiz der Tiere" in der ARD (4,95 Millionen Zuschauer, 15,4 Prozent Marktanteil) nicht noch ein paar tausend Zuschauer mehr zum Einschalten bewogen hätte.
Bei der werberelevanten Zuschauergruppe der 14- bis 49-Jährigen lag der Marktanteil der ProSieben-Show allerdings bei satten 27,8 Prozent. Damit toppt ProSieben sogar die Quoten-Hochzeiten des sendereigenen Catwalk-Spektakels "Germany's Next Topmodel".
So gesehen berechtigt der Erfolg durchaus zu großer Hoffnung: Kann es sein, dass das deutsche Fernsehpublikum langsam genug hat vom Vorführen, Niedermachen und Rausfegen in den anderen Castingshows?
Wirklich berührend war am Donnerstag übrigens die Reaktion von Nena, als sich das umworbene Soul-Talent Sanders für ihr Team entschied. Normalerweise geht einem die NDW-Oma mit ihrem Aufmerksamkeitsdefizit in ähnlichen Shows ja mächtig auf den Keks - hier aber wurde Nena vor Stolz auf einmal ganz still und erklärte nur verdutzt, wie glücklich sie über die Entscheidung sei.
Demut statt Demütigung - der neue Stil im Casting-Land?
Mit Material von dpa
"The Voice of Germany", donnerstags, 20.15 Uhr, ProSieben; freitags, 20.15, Sat.1