
Stephanie zu Guttenberg bei Jauch Verspielte Verantwortung
Einmal bei Günther Jauch die Chance auf die Million zu haben - davon träumen viele. Wer das Glück hat, prominent zu sein, kann sich diesen Wunsch bequem erfüllen: Regelmäßig veranstaltet RTL Promi-Ausgaben von "Wer wird Millionär?". Die Fragen sind in den unteren Rängen meist nicht besonders schwer, Jauch hilft gerne mal, wenn es hakt, und auch die anderen Promis dürfen mitraten. Man ist da nicht so streng, denn die Gewinne werden gespendet.
So haben am Ende alle gewonnen: Der Sender und die Prominenten taten Gutes, die wohltätigen Vereine haben Mittel für ihre guten Zwecke eingenommen. Als Quiz ist das oft nicht besonders interessant: Zuerst wird den Promis geholfen, und am Ende scheuen sie das Risiko - sie tragen ja Verantwortung für einen guten Zweck.
Fast neun Millionen Menschen saßen bei der jüngsten Ausgabe so eines Specials vor den TV-Geräten, es waren so viele wie seit 2007 nicht mehr - und sie konnten Zeugen eines bemerkenswerten Auftritts werden. Stephanie zu Guttenberg, Gattin des deutschen Verteidigungsministers, war angetreten, Geld in die Kassen des Vereins "Innocence in Danger" zu spülen, der sich gegen sexuellen Missbrauch von Kindern einsetzt.
Unterhaltungsversion der deutschen Staatsspitze
Zu Guttenberg ist Präsidentin der deutschen Sektion des Vereins und scheut als solche keinen PR-Stunt, der ja auch immer ein öffentliches Risiko sein kann. Jüngst erregte sie Aufsehen mit ihrem Auftritt in der RTL-2-Sendung "Tatort Internet",sie musste dafür viel Kritik einstecken, weil das Format mit obskuren Methoden und Behauptungen arbeitet und Experten bezweifeln, dass damit auch nur ein einziges Kind vor Missbrauch bewahrt werden kann.
Jetzt traf zu Guttenberg auf Günther Jauch, das interessierte mehr Menschen als das RTL-2-Projekt, und die Fallhöhe war nicht unriskant: Der Mann, den die Mehrheit der Deutschen wohl sofort zum Bundespräsidenten machen würde, befragte die Frau, deren Gatte nach Ansicht vieler bald Bundeskanzler werden wird. Das war nicht irgendeine Quizshow - das war die Unterhaltungsversion der deutschen Staatsspitze in Nahaufnahme.
Zu Guttenberg wählte die Risikovariante des Spiels ("Ja, klar"), wusste Fragen zu kettenrauchenden Geigern richtig zu beantworten, schlingerte kurz bei Max Planck, wusste dann wieder perfekt über Schlumpfine Bescheid. Skigebiete in Österreich? Mongolenherrscher Dschingis Khan? "Königlicher Kurzstiel"? Alles kein Problem. Auch ein Vorfahre von Elvis Presley konnte sie nicht aufhalten.
Aber dann wurde es spannend.
"Och, nee", sagt zu Guttenberg
"Wir spielen jetzt um eine halbe Million Euro. Der Autor welches Kinderbuches war Leiter der städtischen Nervenheilanstalt in Frankfurt am Main? 'Der Struwwelpeter', 'Urmel aus dem Eis', 'Der Räuber Hotzenplotz', oder 'Pu der Bär'?", fragt Jauch. Und Stephanie zu Guttenberg glaubt, sich sicher zu sein, dass die erste Antwort die richtige ist. Zur Sicherheit ruft sie ihren Telefonjoker an, ihren Kinderarzt. Der muss leider passen. "Och, nee", sagt zu Guttenberg.
Die Kandidatin strauchelt, ist verunsichert. Wenn 500.000 Euro auf dem Spiel stehen, dann hilft Günther Jauch auch beim besten Zweck nicht mehr beim Raten. Er ist jetzt im normalen Quiz-Modus. Jauch lehnt sich zurück und verschränkt die Arme hinter dem Kopf: "Ich würde das Feld der Ehre hoch erhobenen Hauptes verlassen." Zu Guttenberg will aber nicht. "Aber wenn das jetzt Urmel aus dem Eis war, dann ist das irre ärgerlich." "Es ist alles ärgerlich", kontert Jauch. Zu Guttenberg lässt sich nicht beirren.
Günther Jauch verliert die Geduld
Jetzt verliert Günther Jauch langsam die Geduld mit der jungen Frau, die hier nicht um Geld für sich spielt, sondern um Geld für einen Verein gegen den Missbrauch von Kindern. "Sie taumeln. Sie taumeln da hin und her. Und die Autoren kennen Sie auch nicht. Das ist sehr eng. Und dann ist es eine Entscheidung: Nimmt man das dann auf sich? Und dann sind es 500."
Jauch will zu Guttenberg retten. Doch die will sich nicht retten lassen. Sie hat jetzt eine ganz andere Idee, die in den Regeln zwar nicht vorgesehen ist, aber die Regeln gelten heute nicht für sie. "Dann frage ich doch jetzt meine Geschäftsführerin: Soll ich auf Risiko spielen - oder soll ich gehen?"
Im Publikum sitzt Julia von Weiler, sie ist Diplom-Psychologin und Geschäftsführerin von "Innocence in Danger". Sie krampft die Hände zusammen. Offenbar leidet sie gerade. Ihre Präsidentin wird zur Zockerin. Bevor von Weiler antworten kann, geht Jauch dazwischen. Und jetzt spricht nicht mehr ein Moderator zur Kandidatin, auch nicht Promi zu Promi, es spricht der Bundespräsident der Umfragen zur Kanzlergattin in spe. Es ist ein bemerkenswerter Dialog.
"Ich würde das nicht machen"
Zu Guttenberg hat gerade angehoben, ihre Geschäftsführerin zu befragen - da sagt Jauch: "Folgendes: Ich würde das aus einem Grund nicht machen. Sie sind die Präsidentin der deutschen Sektion von 'Innocence in Danger'. Es ist - auch in der Politik und im Geschäftsleben - nicht gut, wenn man einfach Verantwortung delegiert, die man eigentlich selbst übernehmen müsste."
Applaus.
Zu Guttenberg: "Also nein."
Jauch: "Doch! Doch! Doch!"
Zu Guttenberg (dreht sich zur Geschäfstführerin): "Soll ich gehen? Oder soll ich Risiko spielen?"
Von Weiler: "Ich würde Risiko spielen."
Zu Guttenberg: "Sie sagt Risiko. Also, sie killt mich nicht, wenn's bei 500 ankommt."
Jauch: "Es bleibt doch trotzdem bei Ihnen hängen, die Verantwortung. Sie sagt jetzt Risiko. Das gibt Ihnen das gute Gefühl, nachher, wenn Sie abgestürzt sind, zu sagen..." (gespieltes Weinen)
Zu Guttenberg: "Aber es ist ja ein Spiel."
Jauch sieht sie kurz an, hebt dann die Arme zu einer abwehrenden Geste, und sagt: "OK."
Zu Guttenberg wählt den Struwwelpeter.
"Bei Kindern sollte man kein Risiko eingehen"
Die Antwort ist richtig, 500.000 Euro gewonnen, Glück gehabt. Auf die Millionenfrage will sie nicht mehr antworten, sie hat keine Ahnung, welches Weihnachtslied in der Urversion auch Pfingsten und Ostern preist ("O du fröhliche"). Sie sagt: "Das wäre blanke Raterei, und das wäre nicht verantwortungsvoll."
"Finden Sie", sagt Günther Jauch.
Die Frage ist: Hat sie sich vorher verantwortungsvoll verhalten?
Als nächster Kandidat sitzt der deutsch-türkische Comedian Bülent Ceylan in der Mitte. Als er bei 125.000 Euro steht und nicht mehr weiter weiß, braucht er nicht lange, um sich mit folgenden Worten zu verabschieden: "Ich gehe deswegen kein Risiko ein, weil es für einen guten Zweck ist. Und es ist ja auch für Kinder. Und bei Kindern sollte man kein Risiko eingehen."
Auch eine Art, Verantwortung zu übernehmen.