Streaming-Fahrplan fürs Wochenende Superheldin mit Streitaxt

Charlize Theron kämpft sich durch die Jahrtausende, ein junges Paar sucht die Liebe, und Werner Herzog erzählt von Verwandten, die man sich aussuchen kann.
Hollywoodstar Theron in "The Old Guard": Nach jedem Gemetzel wie neu – ihre Wunden verheilen im Nu

Hollywoodstar Theron in "The Old Guard": Nach jedem Gemetzel wie neu – ihre Wunden verheilen im Nu

Foto: Aimee Spinks/ Netflix

"The Old Guard", Netflix

Zeitbudget: zwei Stunden, fünf Minuten

für Fans von: Charlize Theron, Greg Rucka und intelligenten Superheldenfilmen

Stell dir vor, du lebst seit Tausenden von Jahren – und rennst auch im 21. Jahrhundert noch mit einer archaischen Killermentalität samt Schwertern und antiker Streitaxt herum. Okay, das gab’s auch in den Achtzigerjahren schon mal und nannte sich "Highlander". Mit "The Old Guard", einer Adaption der gleichnamigen Comicreihe von Greg Rucka ("Stumptown", "Lazarus") modernisiert Netflix das Konzept der unsterblichen Krieger für die Superhelden-Gegenwart – nicht als Serie, sondern als Film, wobei das Ende bereits sehr eindeutig auf eine Fortsetzung und den Start eines Franchise hindeutet. Mehrere Faktoren machen "The Old Guard", mit 70 Millionen Dollar Budget eine recht teure Pilotepisode, zu einem Überraschungserfolg: Die "Mad Max"-gestählte Charlize Theron ist als welt- und lebensmüde Action-Heroine Andromache "Andy" of Scythia eine Idealbesetzung. Sie kann niedergeschossen und -gemetzelt werden, so oft sie will: Ihre Wunden verheilen einfach wieder. Zumindest bisher. So geht es auch ihren Team-Mitgliedern (u.a. Matthias Schoenaerts), die sich über die Jahrhunderte zusammengefunden haben und sich als geheime, ultimativ tödliche Eingreiftruppe für das Gute in der Welt verstehen.

Wichtiger als der Plot ist allerdings die Entwicklung der Charaktere: Zwischen Andy und der neuen, jungen Rekrutin Nile (KiKi Layne) entspinnt sich eine komplexe Beziehung, der die Regisseurin Gina Prince-Bythewood inmitten kompetent inszenierter, handfester Actionsequenzen genug Raum gibt. "The Old Guard" wirkt einerseits old school mit seinen effizienten, althergebrachten Genretugenden, andererseits hypermodern mit seiner furchtlos präsentierten Sensibilität für gleichgeschlechtliche Liebe, mit gut geschriebenen Dialogen und einem unaufdringlich diversen Cast. Anders als damals bei "Highlander" muss man zombiehafte Fortsetzungen hier nicht fürchten. Hoffentlich. Andreas Borcholte

"Normal People", Starzplay 

Darsteller Paul Mescal und Daisy Edgar-Jones in "Normal People": Gefühlswelten der Millennials

Darsteller Paul Mescal und Daisy Edgar-Jones in "Normal People": Gefühlswelten der Millennials

Foto: INTERTOPICS/ LMKMEDIA/ ddp images

Zeitbudget: zwölf Folgen à 30 Minuten

für Fans von: "Call Me By Your Name" und "Blau ist eine warme Farbe"

"Es ist nicht das Gleiche mit anderen", sagt Marianne einmal nach dem Sex zu ihrem, ja was eigentlich, Freund? "Ich weiß", antwortet Connell. Sie wissen ziemlich vieles nicht: was sie studieren wollen, wie sie mal leben wollen, was genau sie füreinander sein wollen. Aber dass ihre Beziehung eine ganz besondere ist, dass das, was zwischen ihnen passiert und für gewöhnlich mit dem etwas hilflos-naturwissenschaftlichen Begriff "Chemie" beschrieben wird, unschätzbar kostbar und einzigartig ist – das wissen die beiden ganz genau. "Normal People" war der zweite Roman der gefeierten irischen Autorin Sally Rooney, die als Stimme ihrer Generation gepriesen wird, weil es niemandem so gut gelinge, die Gefühlswelten der Millennials so gut darzustellen.

Wer den Roman mochte, dem wird die Serie, die von der BBC produziert wurde und an der Rooney selbst mitgeschrieben hat, noch besser gefallen. In zehn kurzen Folgen wird die Liebesgeschichte zwischen Marianne (Daisy Edgar-Jones) und Connell (Paul Mescal) erzählt, sehr prägnant, kein Wort zu viel, kaum Kitsch, kein nerviges Geigengedudel. Mescal und Edgar-Jones spielen unglaublich präzise, die Dialoge sind auf den Punkt geschrieben. In den meisten Fällen sind Sexszenen in Filmen ja eher peinlich. In manchen Fällen sind sie auch einfach unrealistisch und überdreht. Die Szenen, die zwischen Marianne und Connell hier eingefangen werden, sind aufrichtig, schön, und aufregend. Allein deshalb lohnt es sich, "Normal People" zu sehen. Xaver von Cranach

"Family Romance, LLC", Mubi

"Family Romance, LLC"-Darsteller Mahiro Tanimoto, Ishii Yuichi: Dokumentarisch und philosophisch

"Family Romance, LLC"-Darsteller Mahiro Tanimoto, Ishii Yuichi: Dokumentarisch und philosophisch

Foto: Capital Pictures/ ddp images

Zeitbudget: 89 Minuten

für Fans von: "Wovon träumt das Internet?", "Aguirre, der Zorn Gottes"

Am Yoyogi-Park in Tokio spricht Ishii Yuichi ein Mädchen an. "Du bist Mahiro, oder?", fragt er, und sagt dann: "Ich bin dein Vater." Zunächst reagiert die zwölfjährige Mahiro schüchtern, doch nach ersten Gesprächen schießt sie Selfies vor Kirschblüten mit dem Fremden. Das Problem: Yuichi ist nicht Mahiros Vater. Er tut nur so. Das ist sein Job. Mahiros Mutter hat ihn angeheuert, die Rolle des Vaters zu spielen. Mahiro zuliebe. Der neueste Film des Münchner Filmemachers Werner Herzog, "Family Romance, LLC", seit Kurzem auf der Arthouse-Streaming-Seite "Mubi" zu sehen, lotet die Grauzonen zwischen Inszenierung und Authentizität aus: Herzogs Protagonisten Yuichi gibt es im wahren Leben. Und im wahren Leben leitet Yuichi auch die japanische Firma "Family Romance", bei der man erfundene Familienmitglieder, Kollegen oder Freunde buchen kann. Nur gerät er bei Herzog in fiktionale Szenarien.

Der Spielfilm, über den der Regisseur sagt, außer einigen Schlüsselsätzen sei nichts geskriptet gewesen, wirkt mit seiner Handkameraästhetik irgendwie dokumentarisch. Fakt und Fiktion spielen Pingpong. "Family Romance, LLC" wäre kein Werner-Herzog-Film, wenn er nicht philosophische Fragen aufwerfen würde: Sind wir, die täglich in unterschiedliche Rollen schlüpfen – ob daheim, im Büro, an der Kneipentheke oder auf Instagram – am Ende bloß Performer verschiedener Varianten von uns selbst? Kann Simulation Wirklichkeit werden? Und: Darf man Menschen belügen, um sie glücklicher zu machen? Jurek Skrobala

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