
Berlin-"Tatort": Das Kreatürliche und das Artifizielle
Roboter-"Tatort" aus Berlin Maschinen sind Schweine
Tiere sind grausam. Maschinen auch. Die Berliner "Tatort "-Ermittler haben in der neuen Episode zwei Fälle kreatürlicher und artifizieller Gewalt parallel zu ermitteln: Eine Joggerin ist nach einem Wildschweinangriff am Rande der Stadt verblutet, der Besitzer eines vollautomatischen Kiosks wurde von einem kaffeekochenden Roboter mit einem präzisen Stich in die Halswirbel umgebracht; Menschen scheinen keinen Einfluss auf die Tötungsakte gehabt zu haben. Maschinen sind Schweine.
Der "Tatort" nähert sich seinem Thema in unaufgeregten, nachtschönen Impressionen: Gleich am Anfang tippelt eine Wildschweinrotte gelassen an der einsam leuchtenden Gedächtniskirche über die leere Straße, später schauen Rubin (Meret Becker) und Karow (Mark Waschke) bei ihren Recherchen in einem stimmungsvoll beleuchteten Technikinstitut kleinen Robotern beim Fußballspielen zu.
Das Tierische und das Künstliche ergeben in diesem klug gebauten und elegant gefilmten "Tatort" ein Spannungsfeld, in dem sich dann doch das allzu Menschliche auftut: Die durch Wildschweinzähne getötete Joggerin führte, so finden die Ermittler heraus, nach dem Tod ihres schwerstbehinderten Kindes eine schwierige Beziehung mit ihrem Mann (Kai Scheve). Auch die Ehe des Roboteropfers kriselte; der Tote bewirtschaftete gemeinsam mit seiner Frau (Valery Tscheplanowa) den computergesteuerten Coffeeshop, war aber schon lange auf dem Absprung in eine andere Beziehung.

Berlin-"Tatort": Das Kreatürliche und das Artifizielle
"Robista" nannten die beiden ihren Kiosk in Anlehnung an die neudeutsche Kaffeekocherbezeichnung Barista. Alles Geld und alle Liebe der beide ging in den transparenten Hightech-Kasten am Ku'damm, der schließlich zum gläsernen Sarg des Mannes wurde.
Kinder kochen keinen Kaffee
Trockener Dialog nach Karow-Art zur Bedeutung des gemeinsamen Robista-Projekts: "Sie haben sich um den Roboter gekümmert wie Eltern, dieser Roboter war wie ein Baby für sie." Antwort: "Baby, na ja. Auf jeden Fall muss man ihm alles nur einmal zeigen. Ich habe gehört, bei Kindern ist das nicht so. Die lernen langsamer." Kommentar Karow: "Kinder kochen einem auch keinen Kaffee, habe ich gehört."
Das Unglück der Beziehungen, die Verstrickungen in Schuld, das alles offenbart sich in diesem Großstadt-"Tatort", in dem vieles parallel läuft, ohne dass die Szenen zu vollgestopft sind, ganz en passant. Drehbuchautorin Beate Langmaack hatte diesen Stil der lakonischen Detailfülle Anfang der Nullerjahre für einige der schönsten Schwerin-"Polizeirufe" entwickelt. Regisseur Roland Suso Richter setzt die Fülle um, ohne sich dabei besinnungslos den Schauwerten hinzugeben.

Fotostrecke: Alle "Tatort"-Teams im Überblick
Nach dem in jedem Sinne formatsprengenden Meta-"Tatort" aus der Berlinale-Zeit Anfang des Jahres ist "Tiere der Großstadt" ein weiterer moderner Berlin-Krimi geworden, der weitgehend ohne Panikmache und Kulturpessimismus über Fluch und Segen des vollautomatisierten Hauptstadtlebens erzählt. Gelegentliche Übertreibungen und Ungereimtheiten verzeihen wir gerne.
Gab es zum Beispiel wirklich keinen anderen dramaturgischen Dreh, um die Einsamkeit aller Figuren offenzulegen, als sich Partystadt-Veteranin Rubin auf der Suche nach Nähe das Koksnäschen reibend auf die Tanzfläche werfen zu lassen?
Ebenfalls verwunderlich in diesem Mensch-Maschinen-"Tatort": Nach der Führung durch das Techniklabor reicht der Leiter zum Abschied Kommissar Karow die Hand - wie sich herausstellt eine Hightech-Prothese, die alle Funktionen einer organischen Hand übernehmen kann. Bleibt die Frage, weshalb sie bei so fortgeschrittenem Entwicklungsstand Geräusche wie der lustige retrofuturistische "Star-Wars"-Roboter C-3P0 macht.
Bewertung: 8 von 10 Punkten
"Tatort: Tiere der Großstadt", Sonntag, 20.15 Uhr, ARD