

Der Kommissar steht auf dem Land, das schon Vater und Großvater beackert haben. Er streift durch die urwüchsigen, struppigen Bäume und pflückt sich ein Zibärtle, eine Wildpflaumenart, die fast ausschließlich im Schwarzwald wächst und aus der er jedes Jahr ein paar Dutzend Flaschen Schnaps brennt. Erst schnuppert er an der Frucht, dann beißt er rein, der Saft tropft, die Ernte kann beginnen.
Auf dem Revier, so sahen wir es in der ersten Folge des Schwarzwald-"Tatort", hat der Kommissar stets eine Flasche des Selbstgebrannten in der Schreibtischschublade liegen. Vielleicht auch deshalb, um in schwierigen Situationen mithilfe des Zibärtle-Geistes die Geister seiner Ahnen zu rufen.
Eigentlich müsste Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner), der erdverbundenste aller "Tatort"-Ermittler, jetzt ein paar Rumänen als Erntehelfer bestellen, doch da bietet ihm sein Nachbar, der Biobauer Volkmar Böttger (Nicki von Tempelhoff) die Hilfe seiner vielköpfigen Sippe an. Böttger hat gerade seine Tochter Mechthild verloren, Berg und seine Kollegin Franziska Tobler (Eva Löbau) ermitteln, ob sich der Hausarzt einer Diabetesfehlbehandlung schuldig gemacht hat. Von der Erntearbeit verspricht sich die Familie der Toten Ablenkung vom Schmerz.
Bald streift Kommissar und Hobbybauer Berg glücklich zwischen seinen Zibärtle-Bäumen herum, während die Böttgers in ihren selbstgestrickten Pullovern und Kittelschürzen Körbe voll mit Früchten pflücken. Dazu singen sie, wie schon ihre Ahnen, von der Schönheit des Sonnenaufgangs, von dem Glück der Arbeit auf dem eigenen Stück Land. Nachbarbauer Böttger hält eine gepflückte Frucht in die Sonne und erklärt: "Dieses Erbgut ist unbezahlbar, unverändert seit keltischer Zeit."
Schwarzwald-Scholle als Nazi-Biotop
Erst während eines nächtlichen Fackelumzugs für die tote Tochter wird dem Kommissar klar, dass sich der Schutz der heimischen Art, die der Nachbar einfordert, auch auf das proklamierte eigene Deutschtum bezogen ist. Da spricht er von "Wehrbauern gegen die Umvolkung", vom "Bollwerk gegen den Volkstod", von einer Schutzmacht für deutsches Blut und deutschen Boden." Die ökologisch korrekt bewirtschaftete Schwarzwald-Scholle entpuppt sich als Nazi-Biotop.
Nachdem der Aufbau des Makatsch-"Tatort" im äußersten Südwesten des Landes spätestens mit dessen letzter, völlig unausgegorenen Folge gescheitert ist, hat der verantwortliche SWR mit dem Schwarzwaldrevier einen stimmigen Erzählhintergrund entwickelt. Dieses Team steht für düstere, moderne Heimatkunde.
Bettina Müller / HR
Hier wird im konsequent regionalen Setting von den großen globalen Themen berichtet, hier blüht in uriger Kulisse das gesellschaftliche Ungemach der Gegenwart. Und so wie in der ersten Schwarzwald-Episode Großstadtflüchtlinge auf dem gelobten Land mit den Auswüchsen der deutscher Waffenproduktion konfrontiert wurden, so erleben wir in der zweiten, wie ökologischer Artenschutz zu rassistischem "Artglaube" pervertiert.
Stadtflucht als Demokratieflucht
Antidemokratische Aussteiger irgendwo zwischen Öko-Nazismus, Reichsbürgertum, Identitären und Apokalypsen-Apologeten sind zur Zeit das große Thema im Sonntagskrimi. Etwa im letzten, schwierigen "Polizeiruf" aus Brandenburg oder auch im nächsten "Tatort" aus München Ende Mai. Der Fernsehkrimi fängt die großen gesellschaftlichen Bewegungen der Zeit ein, in diesem Fall die als Stadtflucht daherkommende Demokratieflucht breiter Bevölkerungsteile.
Das zieht sich bis zur Sommerpause: Auch der Rostocker "Polizeiruf" Ende Juni behandelt noch einmal den Stoff. Ironischerweise ist der Krimi mit dem Titel "In Flammen" am längsten abgedreht - und legt auch das schlüssigste Szenario vor: extrem hart, extrem ambivalent, aber mit klarer Kante.
Der Schwarzwald-"Tatort" (Buch: Patrick Brunken, Regie: Umut Dag) aber verliert bei aller Stimmigkeit des Settings gegen Ende ein bisschen an Schärfe. Auch wenn der schleichende Einbruch des Rassismus ins Artenidyll visuell bestechend in Szene gesetzt ist - die Verstrickungen mit V-Männern und Staatsschutz wirken pflichtschuldig angepappt, so als wolle man die etwas langsameren Denker im Publikum überzeugen, dass die Bauern wirklich böse sind.
Gleichzeitig nimmt man Kommissar Berg nicht ab, dass er erst eine lange Internetrecherche braucht, um zu erkennen, dass die Erntelieder seiner Nachbarn Naziliedgut sind und dass ihre Heimatseligkeit nichts anderes als Herrenmenschenglaube ist. Das Verhältnis von Berg zu den extremistischen Ökos nebenan ist ein bisschen zu lange undefiniert. Bei aller Heimatverbundenheit bleibt es wenig plausibel, dass ihn erst so spät die Erkenntnis beschleicht: Nazis gehören in die Biotonne.
Bewertung: 7 von 10
"Tatort: Sonnenwende", Sonntag, 20.15 Uhr, ARD
SPIEGEL+-Zugang wird gerade auf einem anderen Gerät genutzt
SPIEGEL+ kann nur auf einem Gerät zur selben Zeit genutzt werden.
Klicken Sie auf den Button, spielen wir den Hinweis auf dem anderen Gerät aus und Sie können SPIEGEL+ weiter nutzen.
Die Trauerfeier als Fackelzug: Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) geht langsam ein Licht auf, dass er unter Nazis ist.
Streit: Volkmar (Nicki von Tempelhoff, links) und Torsten (David Zimmerschied) sind unterschiedlicher Meinung, wie sie mit den Kommissaren umgehen sollen.
Rassismus unterm Zibärtle-Baum: Böttger versucht Berg das "keltische Erbe" schmackhaft zu machen.
Recherche unter Ultra-Ökos: Kommissarin Tobler (Eva Löbau) im Gespräch mit Mechthild Böttger (Janina Fautz)
Zum Teil erinnert die Feldarbeit der völkischen Siedler im Schwarzwald-"Tatort" an Propagandabilder der Nazis - hier ein Plakat zum "Reichserntedankfest".
Traurige Botschaft: Tobler muss die Familie der Toten informieren.
Fehlbehandlung? Gerichtsmedizinerin Dr. Brunner (Christina Große) ist sich noch nicht sicher, an was die Tote verstorben ist.
Verbotene Liebe im Nazi-Biotop: Janina und David - der Exfreund der Toten.
Mein Nachbar, der Nazi: Berg trinkt mit Böttger einen Selbstgebrannten.
Spätzünder: Erst nach langer Internetrecherche erkennt Berg, dass es sich bei seinem Nachbar um einen Öko-Nazi handelt.
Aussprache im Bad: Tobler mit ihrem Freund Dimitri (Saro Emirze)
Und noch ein Aussteiger: Auch der "Polizeiruf" vom 29. April mit Maria Simon und Jürgen Vogel handelte von Leuten, die sich aus dem demokratischen Diskurs verabschiedet haben.
Kein Glück im Südwesten: Im Gegensatz zum Schwarzwald-"Tatort" konnte der Heike-Makatsch-"Tatort" bislang kein starkes Profil entwickeln.
Murot in Hessen
Keine Angst vor dem Pianisten! Ob am Klavier, an der Kettensäge oder am Maschinengewehr – Ulrich Tukur als Kommissar Murot ist fast immer eine Sensation. Fast immer: Die Nummer mit den Gauklern in der Zirkus-Folge »Schwindelfrei« von 2013 war wirklich übel, dafür war die Tarantino-meets-Truffault-Folge »Im Schmerz geboren« 2014 ein absolutes Meisterwerk, und auch die Doppelgänger-Folge Und Jacques-Tati-Hommage vom November war ein echter Lichtblick in düsteren Tagen.
Bettina Müller / HR
Lannert und Bootz in Stuttgart
Richy Müller als Thorsten Lannert und Felix Klare als Sebastian Bootz sind prima Kerle. Der eine mit tragischer Undercover-Ermittler-Vergangenheit, der andere als ehrenhaft gescheiterter Ehemann. Seit 2008 sind sie im Einsatz, am Anfang wurden die Fälle noch arg routiniert runtergespült. Doch die jüngsten Stuttgart-Episoden behandelten auf ästhetisch höchstem Niveau Aufregerthemen wie Stuttgart 21, unaufgearbeitete RAF-Geschichte sowie Pflegenotstand. Und der Sniper-Krimi (siehe Bild) bot zuletzt großes Thriller-Kino.
Benoît Linder/ SWR
Die ewigen Junggesellen: Seit weit mehr als einem Vierteljahrhundert sind die beiden älteren Jungs jetzt schon im Einsatz – und immer noch gut für einen Skandal. Unvergessen eine der jüngeren Episoden, in der Kommissar Ivo Batic (Miroslav Nemec, M.) und Kollege Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) im Münchner Porno-Milieu ermittelten. Aber auch der melancholische Surfer-Krimi mit Portugal-Impressionen und das brutal genaue Sittengemälde aus der Münchner Vorstadt vor der Sommerpause waren Vorzeigewerke für den ARD-Sonntagskrimi.
Gorniak, Winkler und Schnabel in Dresden
Lustig ging es los, unentschieden ging es weiter, düster ist es geworden. Alwara Höfels, Karin Hanczewski und Martin Brambach hatten in den ersten Folgen sehr zu kämpfen mit dem unausgegorenen Konzept des MDR. Höfels zog inzwischen die Konsequenzen und verabschiedete sich. Nun hat Cornelia Göschel als Kommissarin Winkler übernommen. Der Dresden-»Tatort« will nun ein harter, zeitgemäßer Cop-Krimi sein.
Berg und Tobler im Schwarzwald
Eva Löbau als Franziska Tobler und Hans-Jochen Wagner als Friedemann Berg benötigen keine Dialogfanfaren oder exotische Rollenbiografien. Sie verwerten, was dieser witterungsintensive Krimi-Schwarzwald hergibt. Ein Heimatkrimi, in dem alles lokal produziert wird: Obst, Schnaps, der Tod. Mit den letzten, exzeptionellen Folgen bewies das Revier in Deutschlands äußerstem Südwesten aber auch eine extreme Risikobereitschaft und zeigte jeweils einen Fall aus der Perspektive eines Schizophrenen, eines Sexualstraftäters und einer Prostituierten.
Boerne und Thiel in Münster
Der Prof und der Proll: Seit 2002 ermitteln Jan Josef Liefers als Gerichtsmediziner Karl-Friedrich Boerne und Axel Prahl als Frank Thiel zwischen Keksdynastien, Kartoffelkönigen und Spargelkaisern. Der eine Snob und eng verbandelt mit der Münsteraner Honoratiorenschaft, der andere St.-Pauli-Fan und Outsider. Eine Kombination, mit der anfangs gekonnt grotesker Humor in den »Tatort« geschmuggelt wurde, der erschöpfte sich in den letzten Jahren aber in Gag-Kanonaden. Trotzdem jede einzelne Boerne/Thiel-Folge ein Quotenhit.
Schürk und Hölzer in Saarbrücken
Die neue Düsternis: Nachdem Devid Striesow als Kommissar Stellbrink eher glücklos versucht hatte, gute Laune im Saarland zu verbreiten, ist der Relaunch zum April 2020 im guten Sinne spaßbefreit geraten: Daniel Sträßer (l.) als Adam Schürk und Vladimir Burlakov als Leo Hölzer sind so geheimnisvolle wie grimmige Ermittler. Ihr erster Auftritt war stark und stimmig, der zweite ist noch in Arbeit. Nur an den im Saar-»Tatort« stets fragwürdigen Frauenbildern sollte unbedingt noch geschraubt werden.
Borowski und Sahin in Kiel
Der Weltenwandler: Als Klaus Borowski ist Axel Milberg am besten, wenn er in Parallelkosmen von Psychopathen hinabsteigt – vielleicht weil Borowski selbst nah am Wahnsinn gebaut ist. Seit 2003 dabei, stand er bis 2009 sinnigerweise unter der Beobachtung einer Polizeipsychologin. Doch die Frauen kommen und gehen im Borowski-»Tatort«. Nach Maren Eggert und Sibel Kekilli hat nun die hoch gehandelte türkeistämmige Schauspielerin Almila Bagriacik (»4 Blocks«) die Rolle des weiblichen Sidekicks übernommen.
Tschiller in Hamburg
The Last Action Hero: Der zu Extra-Konditionen engagierte Megastar Til Schweiger brachte der Krimireihe keine Megaquoten als Kommissar Tschiller. Auch nicht durch Panzerfaust- und Helene-Fischer-Einsatz. Nach an der Publikumsfront gescheiterten Action-Blockbuster-Versuchen zeigte die sechste Folge den Haudrauf dann als gebrochene Figur. Mal sehen, wie es weitergeht. Nach der begonnenen Therapie des letzten deutschen Action-Cops darf er jetzt gern wieder zur Schusswaffe greifen.
Dorn und Lessing in Weimar
Ist das noch ein Krimi? Nora Tschirner als Kommissarin Dorn und Christian Ulmen als Kollege Lessing lassen mit lässiger Eleganz die üblichen »Tatort«-Ermittlerstanzen ins Leere laufen – und das ausgerechnet im Einflussgebiet des MDR, wo man sich früher schwertat mit Humor und Subversion. Nach der anfänglich schleppenden Programmierung als Event-»Tatort« ermitteln Dorn und Lessing nun zweimal im Jahr.
Falke in Norddeutschland
Für immer Punk: Wotan Wilke Möhring als Kommissar Falke hört Punk und trägt zum Schlafen wie zum Ermitteln ein fadenscheiniges Ramones-Shirt. Erst war er in Hamburg unterwegs, dann musste er Til Schweiger die Stadt überlassen und zog ins norddeutsche Umland ab, jetzt darf er wieder in Hamburg ermitteln. In der Rolle der Co-Ermittlerin agiert Franziska Weisz als Julia Grosz. Zwei Folgen im Jahr.
Faber und Bönisch in Dortmund
Die Kranken: Jörg Hartmann schluckt als Peter Faber reichlich Pillen und schlägt Toiletten kaputt. Anna Schudt als Kollegin Martina Bönisch steigt mehr zum Frustabbau als zum Lustgewinn mit Callboys und Staubsaugervertretern ins Bett. Eines der wenigen TV-Reviere mit stringenter Figurenentwicklung. Die Elite des deutschen Fernsehkrimis. Bei den jungen Sidekicks herrscht allerdings ein gewisses Kommen und Gehen. Noch dieses Jahr wir Aylin Tezel den Krimi verlassen, als Nachfolgerin wird im nächsten Jahr Stefanie Reinsperger zu sehen sein.
Brix und Janneke in Frankfurt
Wie sind die denn drauf? So ausgeglichen wie Paul Brix (Wolfram Koch, l.) und Anna Janneke (Margarita Broich, r.) geht sonst niemand in Fernsehkrimideutschland zur Arbeit. Gute Laune als Alleinstellungsmerkmal, ein interessanter Dreh. Statt Reibung die geballte Aufmerksamkeit für den jeweiligen Fall. Brix war früher bei der Sitte, Janneke hat zuvor als Psychologin gearbeitet: Eine gute Ergänzung, um in die harten, kranken und doch oft auch heiter verdrehten Fälle des hessischen »Tatorts« hinabzusteigen. Hier wird gern experimentiert, unvergessen der Geisterhaus-Horror, der für heftige Debatten innerhalb der ARD sorgte. Zwei Folgen im Jahr.
Rubin und Karow in Berlin
Er ein Schwein, sie eine Schlampe: Im Gegensatz zu den einstigen sonnigen Hauptstadt-Cops Ritter und Stark sind »Tatort«-Nachfolger Mark Waschke als Robert Karow und Meret Becker als Nina Rubin mit extrem schwarzem Strich gezeichnet. Während Karow in der ersten Episode krumme Geschäfte mit der Drogenmafia laufen hat, vergnügt sich Rubin bei SM-Spielchen in den Hinterhöfen von Kreuzberger Hipster-Bars. Neben krassen Charakterzeichnungen gibt es im radikal modernisierten Berliner »Tatort« vor allem stimmige Hauptstadtimpressionen. Zwei Folgen pro Jahr. Meret Becker wird die Reihe bald verlassen, ihre Nachfolgerin wird Corinna Harfouch.
Lindholm in Hannover und Göttingen
Die Frau von heute: Seit 2002 ist Maria Furtwängler in der Rolle der Charlotte Lindholm in Niedersachsen unterwegs und wurde in den letzten Jahren zum Inbegriff der modernen weiblichen Ermittlerin. WG-erfahren, hochschwanger während brisanter Ermittlungen, später brachte sie Kind und Karriere gut zusammen. Lindholm ist die personifizierte Selbstoptimierung, im Herzen konservativ, aber offen für Experimente. Inzwischen steht Lindholm die von Florence Kasumba gespielte Kommissarin Anaïs Schmitz zu Seite.
Voss und Ringelhahn in Franken
Die Fremden: Felix Voss ist ein verirrtes und verschlossenes Nordlicht mit Vorliebe für Techno-Exzesse, Paula Ringelhahn machte noch zu Mauerzeiten aus dem Osten rüber, weil sie an Freiheit und Demokratie glaubte. Jetzt ermitteln die beiden Kommissare, die überhaupt nicht zueinanderpassen, in einer Gegend, in der sie zudem noch deplatziert wirken. Eine reizvolle Grundsituation. Einmal jährlich gehen Fabian Hinrichs und Dagmar Manzel als ungleiches Paar im Hinterland von Unter-, Mittel- und Oberfranken auftreten. Hinrichs hatte zuvor schon in einer BR-Episode als Ermittler-Kauz Gisbert für Furore und verliebtes Publikum gesorgt.
Eisner und Fellner in Wien
Der doppelte Espresso: Seit 1999 ermittelt Harald Krassnitzer als Major Moritz Eisner mürrisch, praktisch, gut. An die 5000 Tassen Mokka und andere starke koffeinhaltige Getränke hat er seitdem in sich hineingeschüttet. Seit 2011 wird er von Adele Neuhauser als Bibi Fellner unterstützt, einer (meistens) trockenen Alkoholikerin mit Hang zur Halbwelt am Prater. Wien, düster und kalt wie ein kleiner abgestandener Schwarzer. 2014 gab es den Grimme-Preis.
Ballauf und Schenk in Köln
Das Ehepaar: Klaus J. Behrendt als Max Ballauf und Dietmar Bär als Freddy Schenk standen lange für den guten alten Soziokrimi – kein Thema, das von den beiden nicht warmherzig wegermittelt und wegerklärt wurde. Schenk hat zu Hause eine Frau, die man noch nie gesehen hat. Aber mal ehrlich: Was kann die schon gegen seine große Liebe Ballauf ausrichten? Seit 1997 dabei, drei bis vier Fälle im Jahr. Nachdem Anfang 2014 Assistentin Franziska grausam aus dem TV-Revier gemordet wurde, geht es bei den Kölnern düsterer und unversöhnlicher zu. Steht den beiden »Tatort«-Oldies eigentlich ganz gut.
Odenthal in Ludwigshafen
Die Experimentiermaschine: Hier gab es die schönsten amourösen Eskapaden und die verwegensten Storys – samt Ausflug ins All. Ulrike Folkerts als Lena Odenthal ist seit 1989 im Einsatz, Andreas Hoppe als Mario Kopper stieß 1996 dazu, hat aber den »Tatort« 2017 wieder verlassen. Zurzeit stellt der SWR mit dem TV-Revier allerhand Versuche an, die beiden Impro-Folgen blieben aber weit hinter den Erwartungen zurück. Trotzdem: Bitte weiter experimentieren!
Murot in Hessen
Keine Angst vor dem Pianisten! Ob am Klavier, an der Kettensäge oder am Maschinengewehr – Ulrich Tukur als Kommissar Murot ist fast immer eine Sensation. Fast immer: Die Nummer mit den Gauklern in der Zirkus-Folge »Schwindelfrei« von 2013 war wirklich übel, dafür war die Tarantino-meets-Truffault-Folge »Im Schmerz geboren« 2014 ein absolutes Meisterwerk, und auch die Doppelgänger-Folge Und Jacques-Tati-Hommage vom November war ein echter Lichtblick in düsteren Tagen.
Foto:Bettina Müller / HR
Lannert und Bootz in Stuttgart
Richy Müller als Thorsten Lannert und Felix Klare als Sebastian Bootz sind prima Kerle. Der eine mit tragischer Undercover-Ermittler-Vergangenheit, der andere als ehrenhaft gescheiterter Ehemann. Seit 2008 sind sie im Einsatz, am Anfang wurden die Fälle noch arg routiniert runtergespült. Doch die jüngsten Stuttgart-Episoden behandelten auf ästhetisch höchstem Niveau Aufregerthemen wie Stuttgart 21, unaufgearbeitete RAF-Geschichte sowie Pflegenotstand. Und der Sniper-Krimi (siehe Bild) bot zuletzt großes Thriller-Kino.
Foto:Benoît Linder/ SWR
Die ewigen Junggesellen: Seit weit mehr als einem Vierteljahrhundert sind die beiden älteren Jungs jetzt schon im Einsatz – und immer noch gut für einen Skandal. Unvergessen eine der jüngeren Episoden, in der Kommissar Ivo Batic (Miroslav Nemec, M.) und Kollege Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) im Münchner Porno-Milieu ermittelten. Aber auch der melancholische Surfer-Krimi mit Portugal-Impressionen und das brutal genaue Sittengemälde aus der Münchner Vorstadt vor der Sommerpause waren Vorzeigewerke für den ARD-Sonntagskrimi.
Foto: Hendrik Heiden/ Hendrik Heiden/ BRSchürk und Hölzer in Saarbrücken
Die neue Düsternis: Nachdem Devid Striesow als Kommissar Stellbrink eher glücklos versucht hatte, gute Laune im Saarland zu verbreiten, ist der Relaunch zum April 2020 im guten Sinne spaßbefreit geraten: Daniel Sträßer (l.) als Adam Schürk und Vladimir Burlakov als Leo Hölzer sind so geheimnisvolle wie grimmige Ermittler. Ihr erster Auftritt war stark und stimmig, der zweite ist noch in Arbeit. Nur an den im Saar-»Tatort« stets fragwürdigen Frauenbildern sollte unbedingt noch geschraubt werden.
Foto: Manuela Meyer/ SRMelden Sie sich an und diskutieren Sie mit
Anmelden