Psychothriller-»Tatort« Es blüht der Hass, es sprießt die Mordlust

»Tatort«-Szene mit Karin Hanczewski, Martin Brambach und Leichendarstellerin: Es wuchert die Depression, es sprießt die Mordlust
Foto: Hardy Spitz / MDRDie Gärtnerin gießt mit dem Wasserschlauch das Blumenbeet, während aus der Musikbox der Spaß-Rapper Ali As frohlockt: »Ich krieg Frühlingsgefühle, wenn die Blumen wieder blühen. Lila, gelb, grün! Lila, gelb, grün!«
Frühlingsgefühle stellen sich bei den Menschen in diesem »Tatort«, der überwiegend in einem Betrieb für Landschaftspflege spielt, allerdings eher nicht ein. Menschen liegen erfroren in den Rabatten. Sie treiben tot in der kalten, schwarzen Elbe. Oder man findet sie mit einem tiefen Loch im Kopf an einen Stuhl gefesselt. Es blüht der Hass, es wuchert die Depression, es sprießt die Mordlust.

Kommissarin Gorniak (Karin Hanczewski, l.) und Kollegin Winkler (Cornelia Gröschel): Willkommen in der psychopathologischen Horrorshow!
Foto: Hardy Spitz / MDRErstes Opfer ist die Mutter im Gärtnerei-Familienbetrieb, sie wird mit eingeschlagenem Schädel zwischen frisch gesäten Blumen gefunden. In Verdacht gerät ein geistig behinderter Mitarbeiter, der gesehen wurde, wie er mit Blut an den Händen vom Tatort floh. Doch bei weiterer Betrachtung tun sich vor dem Dresdner Ermittlerteam (Karin Hanczewski, Cornelia Gröschel, Martin Brambach) die üblichen Konfliktanordnungen kleinbürgerlich organisierter Lebenszusammenhänge auf: Der Schwiegersohn hatte offensichtlich Probleme mit der Schwiegermutter, die Tochter neigte angesichts der Überarbeitung zu Depressionen, und war überhaupt schon das Erbe geklärt?
»Der andere Zwilling«
Das Tolle an diesem »Tatort« (Buch: Kristin Derfler, Regie: Andreas Herzog) ist, wie uns die Verantwortlichen vorgaukeln, dass sie uns zu einer dieser konventionellen Arbeits- und Lebensweltbesichtigungen mitnähmen, während sie doch bereits lustvoll die Scharniere der Falltüren ölen, die das Publikum im letzten Drittel in einen grausamen Psychothriller plumpsen lassen.
Es werden also erst mal von den Kommissarinnen und Kommissaren mühselig sämtliche Fakten über Berufsausübung und Beziehungsstatus, Kontostand und Branchenprobleme zusammengetragen – bevor die Geschichte sich auf einmal in eine psychopathologische Horrorshow ähnlich den flotten freudianischen Thrillern François Ozons (»Der andere Zwilling«) wendet.

Kommissar-Karussell: Alle »Tatort«-Teams im Überblick
Dabei verengt sich der Blick immer mehr auf die Tochter des Betriebs, die sich erst deprimiert über die kargen Beete beugt, um später, als sie offenbar erneut in Liebe zu ihrem Gatten erblüht ist, mit diesem am Klavier zärtliche Etüden zu spielen. Die Schauspielerin Kristin Suckow (kennt man aus der Titelrolle in »Ottilie von Faber-Castell – Eine mutige Frau«) spielt die Frau mit Lust an der Doppelbödigkeit, ohne die Rätselhaftigkeit ihres Charakters herauszuschreien.
Über den Inhalt des Krimis können wir an dieser Stelle nicht mehr verraten, wenn wir nicht grob spoilern wollen. Loben können wir indes noch, mit welch reizenden Impressionen sich das ganze Unheil dieser Familientragödie ankündigt: Immer mal wieder wird die Geschichte zum Beispiel aus der Perspektive von im Gewächshaus wachsenden Zitrusfrüchten gezeigt, über die Spinnen krabbeln.
Das Tempo ist über die ersten beiden Drittel gedrosselt, der Tonfall relativ lakonisch. Dafür gönnen sich die Verantwortlichen ein bildgewaltiges, melodramatisches Finale samt genussvoll ausgespielter Powerballade. Das hat sich die zurückhaltend agierende Hauptdarstellerin dann auch redlich verdient.
Bewertung: 8 von 10 Punkten
»Tatort: Totes Herz«, Sonntag, 20.15 Uhr, Das Erste