»Tatort« über dysfunktionale Familie Geschichten aus der Patchwork-Gruft

»Tatort«-Szene: Was wissen die Eltern schon über ihre Kinder?
Foto: Benoît Linder / SWRWissen Sie, was Ihre Kinder tun, wenn sie morgens das Haus verlassen, um zur Schule oder zur Uni gehen? In diesem »Tatort« dealen die Kids mit Kokain oder versuchen, über ihre Laptops in Kryptowährung zu investieren, um die Schulden begleichen zu können, die sie durch die riskanten Kokaindeals beim örtlichen Arm der Drogenmafia angesammelt haben.
Und an den jüngeren Teil des Publikums die Frage: Wissen Sie, was ihre Eltern tun, nachdem sie sich morgens an der Haustür mit einem Küsschen verabschiedet haben? In diesem »Tatort« radelt die Mutter in ihre Geigenbauwerkstatt, während der Vater, ein durch Corona arbeitslos gewordener Musiker, ohne Umschweife eine niedliche Pension in der Altstadt aufsucht, wo er sich immer freitags für Schäferstündchen mit einer Affäre trifft.

Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) und Franziska Tobler (Eva Löbau): Die Generation Z im Visier
Foto: Benoît Linder / SWRWas weiß die eine Generation schon über die andere. »Das geheime Leben unserer Kinder« heißt die aktuelle »Tatort«-Episode aus Freiburg, und hier offenbaren sich all die Geheimnisse der jüngeren Generation (der älteren aber auch), nachdem ein Abiturient mit eingeschlagenem Kopf aufgefunden wird. Die Untersuchungen zu dem Fall führen Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) und Franziska Tobler (Eva Löbau) zu einer Patchworkfamilie, deren Kinder mit dem Mordopfer befreundet waren.
Sehnsucht nach Neuseeland
Eigentlich lebt die Familie in einem sympathisch anmutenden Arrangement zusammen: Die Mutter (Susanne Bormann) hat einen Sohn aus erster Ehe in die Beziehung mitgebracht, der gerade mit dem Abitur fertig ist. Der Vater (Christian Schmidt) eine etwas ältere Tochter, die schon im Studentenwohnheim lebt.
Die beiden Stiefgeschwister verstehen sich prächtig – jedenfalls prächtiger als ihre Eltern, die sich ständig wegen des Geldes in den Haaren liegen und in eher nicht so kultivierten Streitgesprächen Rotwein aus großen Gläsern picheln. Die beiden Kids träumen indes davon, am anderen Ende der Welt, in Neuseeland oder so, ein ganz neues Leben zu beginnen. Deshalb die Drogengeschäfte.
Drehbuchautorin Astrid Ströher und Regisseur Kai Wessel haben bereits den ambitionierten Freiburger »Tatort« über die Macht der Gerüchte mit Johanna Wokalek gedreht. Ihren Generationenkrimi gehen sie ebenfalls stilbewusst an: Am Ende gibt es ein Finale, das wie ein Showdown in einem Arthouse-Thriller von Brian De Palma (»The Untouchables«) angelegt ist: Regen, Zeitlupe, Gewalt. Und schnittige Splitscreens sollen im Laufe der Handlung zeigen, wie die Mitglieder der Familie aneinander vorbeileben oder sich sogar betrügen.

Kommissar-Karussell: Alle »Tatort«-Teams im Überblick
Doch ach, der regnerische Showdown vermatscht, und die Splitscreens können das Versprechen auf Entlarvendes bis auf ein paar wenige Ausnahmen nicht einhalten. Gerne hätte man zum Beispiel mehr über die Lügenkonstrukte erfahren, mit denen die Eltern ihr dysfunktionales und totes Beziehungsarrangement zum Schein am Laufen halten.
Noch enttäuschender ist es, dass trotz des universal anmutenden Titels »Das geheime Leben unserer Kinder« wenig über die ins Visier genommene Generation Z erzählt wird. Ein-, zweimal wird die Klimaangst thematisiert, ansonsten kommt das Publikum den jungen Menschen nicht recht nahe. Ein bisschen tiefer hätte man für dieses Patchwork-Familiengrab schon schaufeln können.
Bewertung: 4 von 10 Punkten
»Tatort: Das geheime Leben unserer Kinder«, Sonntag, 20.15 Uhr, Das Erste