Köln-"Tatort" über Sorgerecht Kampfzone Kleinfamilie

Yeliz Simsek mit Klaus J. Behrendt und Dietmar Bär in der neuen "Tatort"-Folge "Niemals ohne mich"
Foto: Martin Valentin Menke/ WDRDies ist ein "Tatort", in dem die Kölner Kommissare bei ihren Untersuchungen wieder an vielen Wohnungstüren klingen. Hinter jeder einzelnen begegnen sie Kleinfamilien, die sich im Ausnahmezustand, im Krieg oder sogar schon in Trümmern befinden. Das wäre beim Zuschauen kaum auszuhalten, würde all das Leid nicht in lakonischen, manchmal sogar lustigen Matter-of-fact-Dialogen vermittelt werden.
Einmal treffen Schenk (Dietmar Bär) und Ballauf (Klaus J. Behrendt) auf eine junge Akademikerin, die im Paketlager schuftet, um sich und ihre kleine Tochter durchzubringen. Das Gespräch geht so:
Mutter: "Ich habe Sozialwissenschaften studiert. Ich war damals ständig unterwegs. Party machen. Dann hab ich Stefan kennengelernt. Den sexy Dachdecker. Ich fand's irgendwie cool und spießig. Dann haben wir zusammengewohnt. Marie kam auf die Welt ..."
Schenk: "Und was lief schief?"
Mutter: "Na ja, auf Dauer... Man kann nicht immer vögeln."

Der Fight um die Familie
Hinter jeder Wohnungstür tut sich in diesem "Tatort" ein Unglück auf, aber jedes Unglück fühlt sich anders an. Eines ist immer gleich: Überall wird über Geld gestritten - wer hat wie viel zu zahlen, wenn die Beziehung zerbricht und die Kinder aufgeteilt werden?
Der Kampf um die Unterhaltsvorschusszahlung
Mitten drin in diesen emotional aufgeladenen Rechenvorgängen: eine Mitarbeiterin des Jugendamts, die bei säumigen Vätern und nachlässigen Müttern auf den Putz gehauen hat. Jetzt ist sie tot, erschlagen liegt sie in einer Unterführung nahe ihrer Wohnung. Verdächtige gibt es so viele wie die Behördenmitarbeiterin "Klienten" hatte. "Klienten" ist das nettere Wort für Fälle, die bearbeitet werden müssen.
Die Ermordete war für die Unterhaltsvorschusszahlung zuständig: Alleinerziehende mit zahlungsunwilligen Ex-Partnern und Ex-Partnerinnen konnten bei ihr Unterstützung beantragen. Allen Erzählungen nach war die Frau vom Jugendamt keine Menschenfreundin; auch nach Feierabend besuchte sie ihre Klienten, um Druck mithilfe der entsprechenden Paragrafen zu machen.

Kommissar-Karussell: Alle »Tatort«-Teams im Überblick
Die Filmemacher zeichnen das Mordopfer als wahres Bürokratie-Biest. Doch auch wenn einige Figuren in diesem "Tatort" schablonenhaft bleiben - wie Drehbuchautor Jürgen Werner, der Schöpfer des Dortmunder "Tatort"-Reviers, und Regisseurin Nina Wolfrum die Familien im Schwundstatus darstellen, das ist sehr zeitgemäß. Stark, wie hier die Milieus ineinander übergehen, wie die Geschlechterrollen offengehalten werden, ohne dass das gewollt wirkt.
Doch egal, wie modern die Lebensentwürfe sind, die alle Beteiligten gepflegt haben, der Kampf um Kinder und Kohle wird hart und schmerzhaft geführt wie eh und je.
Ein Erzählstrang handelt von einem Architektenpaar, bei dem der Mann zur verarmten Hauptbezugsperson für die Kinder geworden ist, während die Frau den Nachwuchs mit Luxus auf ihre Seite zu ziehen versucht. Herzerwärmend, wie die beiden Akademiker bei Debatten über Sorgerecht, Ernährungsfragen und Globuli übereinander herfallen. Auch für Pärchen, die Achtsamkeit in ihrem Leben groß schreiben, gilt offenbar die Regel: Trennungsstreit gibt es nicht in homöopathischen Dosen.
Bewertung: 7 von 10 Punkten
"Tatort: Niemals ohne mich", Sonntag, 20.15 Uhr, ARD