
Polit-"Tatort": DSK lässt grüßen
"Tatort" zum Fall Strauss-Kahn Der Trieb regiert
Brachial schlägt der Körper aus dem vierten Stock auf die Fliesen der Hotellobby auf. Es ist nur die Kunststoffattrappe eines Menschenkörpers, mit der die Kriminaltechniker den Tod eines Zimmermädchens rekonstruieren wollen, aber der unvermittelte, dumpfe Knall erschüttert den Zuschauer bis ins Mark.
Das Szenario bringt die Erzähltechnik dieses effektsicheren Ludwigshafener "Tatort" auf den Punkt: Seine durchaus wuchtige Wirkung erzielt der Politkrimi über Umwege, plakative Szenen werden weitgehend ausgeklammert. Was ja schon an sich eine Leistung ist, wenn man bedenkt, um welches Thema es geht: die sexuellen Ausschweifungen eines Politikers nach Vorbild des Dominique Strauss-Kahn.
Der Schauspieler Peter Sattmann, ansonsten vor allem auf dem Boulevard unterwegs, gibt den Hauptverdächtigen als ambivalente pfälzische DSK-Variante: Früher war der von Sattmann gespielte Joseph Sattler Landesvater von Rheinland-Pfalz, heute ist er EU-Kommissar, und in dieser Funktion setzt er sich rigoros für eine Frauenquote ein.
Mein Mann, das Opfer
Was nicht heißt, dass Sattlers Verhältnis zum anderen Geschlecht auch privat von Selbstlosigkeit geprägt wäre. Immer wieder hat er Affären, seine Frau (Suzanne von Borsody, die hier ihre Rolle aus dem Macho-Psychogramm "Männertreu" neu auflegt) lässt ihn gewähren. Wenn es brenzlig wird - in der Vergangenheit kursierten Vergewaltigungsvorwürfe gegen den Politiker -, übernimmt sie als Anwältin sogar die Verteidigung. Mein Mann, das Opfer. Es werden Erinnerungen wach an Strauss-Kahns reale Ex-Ehefrau Anne Sinclair, die am Anfang um ihren Mann kämpfte.
Auch im "Tatort" ist die Ehefrau wichtige Verbündete. Denn das Zimmermädchen, das sich in einem Fünf-Sterne-Hotel in den Tod gestürzt hat oder gestürzt wurde, hatte zuvor Sex mit dem Politiker Sattler. Der behauptet, der Geschlechtsakt habe einvernehmlich gegen Zahlung von 400 Euro stattgefunden, Kommissarin Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) werden aber auch Hinweise zugespielt, die nahelegen, dass vor dem Tod des Zimmermädchens eine Vergewaltigung stattgefunden haben könnte.
So oder so, Sattmanns Sattler ist alles andere als ein Sympathieträger. Nicht alle Szenen sind subtil geraten, es marschiert hier zuweilen der eine oder andere Pappkamerad durchs Bild. Etwa der rattenartige, räudige Journalist auf Futtersuche, oder der abgebrühte, süffisante Manager, dessen Einfluss bis in die höchsten Ebenen der Politik reicht.
Progressiv, potent, enthemmt
Trotzdem werden in "Roomservice" (Regie: Tim Trageser) spekulative Elemente weitgehend vermieden. Das ganz große Körperflüssigkeitstheater zum Thema DSK ist ja sowieso schon mit Abel Ferraras säftelnder Kolportage "Welcome to New York" auf dem Markt, in dem Gérard Depardieu die Penetration als Fortsetzung männlicher Machtgeilheit bildrahmenfüllend in Szene setzt.
Sattmann wirkt dagegen wie ein ausgemergelter Bademantelwicht, der sich politisch als Kämpfer für Vorstandsquoten ausgibt, während er Frauen privat zu Automaten der Triebabfuhr herabwürdigt. Progressiv, potent, enthemmt: ein Charaktergemisch, das die Figur nicht sympathischer macht.
Die Autoren Stefan Dähnert und Patrick Brunken haben zuvor gemeinsam das Drehbuch zu "Die Fahnderin" über das Aufregerthema Steuer-CDs geschrieben. Dähnert hat schon das Buch zu dem brisanten Furtwängler-Doppel-"Tatort" über den Hannoveraner Politfilz zwischen Wulff, Schröder und Maschmeyer geliefert. In dem recht eng an den Fall DSK angelehnten "Tatort" gelingt es den Verantwortlichen nun, aus der realen Vorlage eine Form der männlichen Selbstauflösung zu generieren.
Es bleibt demnach schwierig, das Private und das Politische auseinanderzuhalten. Wo der Trieb regiert, wird die Haltung zur Attrappe.
"Tatort: Roomservice", Pfingstmontag (!), 20.15 Uhr, ARD