»Tatort« über Counter-Strike-Spieler Bei Mausklick Mord

Gamerszene im »Tatort«: Der visuelle Wagemut fehlt
Foto: Thomas Neumeier / Bavaria Fiction / BRDieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
»Dein ›Knife Kill‹ ist auf Reddit«, sagt der junge Kriminalassistent, der seine Bewunderung für den Messermord eines gefeierten Gamers nur wenig verhehlt. Der München-»Tatort« spielt diesmal in der Szene der professionellen Zocker, da ist es für das ergraute Kommissarteam ein weiteres Mal eine große Hilfe, dass Sidekick Kalli Hammermann (Ferdinand Hofer) den Überblick über die Vergnügungstechniken und Kommunikationsformen der digitalen Gegenwart behält.
Der Mord an einer Polizistin hat Leitmayr (Udo Wachtveitl) und Batic (Miroslav Nemec) zu Gamern geführt, die bei öffentlichen Turnieren mit dem Shooterspiel Counter-Strike um hohe Preisgelder zocken. »Leute, die Leuten dabei zuschauen, wie sie auf Bildschirme starren«, sagt Leitmayr, der genau wie Batic wenig mit der E-Sport-Szenerie anzufangen weiß.

Leitmayr (Udo Wachtveitl, l.) und Batic (Miroslav Nemec): »Leute, die Leuten dabei zuschauen, wie sie auf Bildschirme starren«
Foto: Claudia Milutinov / Bavaria Fiction / BRZum Glück ist Kalli dabei, der Assistent mit dem Kinderschokoladen-Lächeln und der Shooterkompetenz. Der verweist auf den Adrenalinpegel der Gamer, der angeblich so hoch sei wie bei Formel-1-Fahrern. Mit demselben Vergleich hatte Kalli den beiden Chefs allerdings schon mal in der Folge über Hochleistungsmusikerinnen zu vermitteln versucht, was im Körper einer Geigerin passiert, wenn sie ein forderndes klassisches Konzert spielt. Leitmayr winkt angesichts des abgedroschenen Hinweises nur ab.
Eine Szene, die selbstironisch spiegelt, dass nun mal nicht jeden Sonntag der »Tatort« neu erfunden werden kann. Das Enttäuschende ist, dass den Filmemachern nun wirklich nichts Neues einfällt, obwohl sie doch einen Stoff gewählt haben, der noch nicht oft in der Krimireihe behandelt wurde. Doch es fehlt dieser Folge einfach der visuelle und erzählerische Wagemut.
Batic und Leitmayr, die Analog-Bären
Letztlich verharren wir beim Zuschauen in der Position, die auch die beiden älteren Kommissare einnehmen. Wir verfolgen den digitalen Subplot (Polizisten mischen in der Gamerszene mit, Trickser versuchen die Regeln in der E-Sport-Branche zu unterwandern) aus der Perspektive der alten Analog-Bären Batic und Leitmayr – und sehen deshalb eben nur: Leute, die Leuten dabei zuschauen, wie sie auf Bildschirme starren.
Das Autorenduo Stefan Holtz und Florian Iwersen wurde zuvor für die Sky-Miniserie »Die Ibiza Affäre« über die Vorfälle um das Video, das den FPÖ-Politiker Heinz-Christian Strache zu Fall brachte, mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet. Rhythmisch, grafisch und filmsprachlich ließen sich die beiden Autoren da einiges einfallen – diese Gestaltungslust vermisst man nun bei »Game Over« (Regie: Lancelot von Naso) weitgehend.
Auch wird das Verhältnis von digitalem Töten und analogem Töten nicht ergründet. Bei Mausklick Mord? Was könnte es bedeuten, wenn Counter-Strike-Kombattanten diese Logik vom Computer ins reale Leben übersetzen? Da muss gar nicht das Klagelied gegen Shooterspieler angestimmt werden, aber eine klare Erzählhaltung zum gewählten Stoff ist unabdingbar. Es gibt die kindliche Begeisterung von Kalli, und es gibt ein paar pädagogische Einlassungen. Was am E-Sport faszinierend sein könnte, bleibt einem bei diesem »Tatort« ebenso verschlossen wie das, was destruktiv wirken könnte.
Am Ende, so viel darf verraten werden, ordnen Batic und Leitmayr den Polizeieinsatz mit dem ganz großen haptischen Waffenbesteck an. Da kann Kalli von den digitalen Vergnügungswelten schwärmen wie er will – seine Chefs bleiben dabei: Analog ist besser.
Bewertung: 5 von 10 Punkten
»Tatort: Game Over«, Sonntag, 20.15 Uhr, Das Erste

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