Hooligan-»Tatort« aus Saarbrücken Dieses Glück in den Augen, wenn das eigene Blut spritzt

»Tatort«-Kampfszene: Alles ist erlaubt, nur Waffen sind verboten.
Foto: Iris Maria Maurer / SREin verwittertes Industriegelände, in dem die Maschinen schon lange schweigen. Zwei Dutzend emotional unterversorgte Schläger, die erwartungsfroh mit geballten Fäusten voreinander Aufstellung nehmen. Und dann geht es los, das große Gekeile: Schläge auf die Nase, Tritte in den Bauch, Trampeln auf dem Brustkorb. Alles ist erlaubt, nur Waffen sind verboten.
Dieser »Tatort« beginnt als zünftig organisierter Hooligan-Auflauf, wie man ihn schon häufiger in Sonntagskrimis gesehen hat. Gegenüber stehen sich Fans vom 1. FC Saabrücken und 1. FC Kaiserslautern. Eines aber ist anders: Im Mittelpunkt all des Zähneausschlagens und Nasenblutens steht eine Frau.
Fröhlich ballt sich die Faust
Es ist die junge Mutter Alina, die beim sogenannten Ackermatch vor den Toren Saarbrückens gut einsteckt, aber ebenso gut austeilt. Die Schauspielerin Bineta Hansen, bekannt aus der Kaufhaus-Saga »Eldorado KaDeWe« , verkörpert sie mit beängstigender Präsenz. Kündigt sich auch im Alltag nur der kleinste Konflikt mit anderen Menschen an, nimmt sie freudig Kampfhaltung ein: Die Schulter schiebt sie hoffnungsvoll nach hinten, die Faust hebt sich alert an, der Kopf wird genüsslich in Hab-acht-Stellung gedreht. Und dann dieses Glück in den Augen, wenn das eigene Blut spritzt!

Esther Baumann (Brigitte Urhausen) und Pia Heinrich (Ines Marie Westernsröer) mit Verdächtigem: Unter Hooligans
Foto: Iris Maria Maurer / SRDer Saar-»Tatort« wird mit seiner neuen Folge weiblicher, gut so. Und er hält das hohe Gewalt-Level, auch gut. Die ersten drei Folgen des aktuellen Teams waren ja um die von Vladimir Burlakov und Daniel Sträßer gespielten männlichen Ermittlerfiguren herumgebaut, die irre verdichteten Plots stammten von einem männlichen Regie- und Buch-Duo. In der letzten Episode sah man, wie einer der Ermittler von Schlangengift gelähmt erdulden musste, wie sich der Vater vor seinen Augen umbrachte, weil dieser ihm den Selbstmord als Mord anhängen wollte. Kranker Männerscheiß.
Jetzt geht es mit krankem Frauenscheiß weiter. Auch so kann man Geschlechterparität erreichen. Und das Erfreuliche ist, dass das nun weiblich angeführte Filmteam (Buch: Melanie Waelde, Regie: Kerstin Polte) die Handlung der Kollegen horizontal weiterspinnt, um zugleich die zuvor blassen weiblichen Charaktere des jungen Ermittlungsquartetts ein bisschen mehr auszuleuchten.
Kommissarin in Hool-Kaschemme
Ein schöner Drehbuchzufall ist es angesichts des Hooligan-Falles, dass Kommissarin Esther Baumann (Brigitte Urhausen) selbst Fan des FC Saarbrückens ist und mit ihren in Blau ausstaffierten Freundinnen die gleiche Kaschemme frequentiert wie die Ultras von der Saar. Einer der Hooligans, der am Ackermatch teilgenommen hatte, schleppte sich noch blutend bis zur Notaufnahme, um in der Automatiktür liegenzubleiben und zu sterben. Nun muss Kommissarin Baumann ihren coolen Sozialarbeit- und Punk-Freundinnen aus dem Stadion gestehen, dass sie bei der Polizei ist. Da regt sich wenig Begeisterung unter den linken Fußballfrauen.
Und wenig Begeisterung schlägt ihr auch von ihrer Kollegin Pia Heinrich (Ines Marie Westernströer) entgegen, die nichts von der Fußballbegeisterung der anderen wusste. Andererseits: Dass Baumann Verbindungen in die Ultra-Szene hat, ist natürlich hilfreich. So stößt man schnell auf die junge Mutter, die bei den Hools mitboxt und offenbar über ihre Tochter mit dem verbluteten Opfer in Verbindung stand. War das Opfer der Vater des Kindes? Und was haben die schwulen Pflegeväter der Hool-Tochter mit dem Fall zu tun?
Hooliganismus-Action auf die woke Tour? Beachtlich, wie Waelde und Polte diesen mit gebrochenen Rippen und Nasen, mit geschwollenen Gesichtern und Leibern vollen Hool-Krimi modernisieren. Und noch beachtlicher, wie sie dann in einem zweiten Schritt den Krimi über Fußballgewalt recht plausibel in ein Drama mit diversem Familienbild drehen.
Das hätte alles wahnsinnig bemüht wirken können. Aber bei dem geschmeidigen Punch, mit dem uns die Filmemacherinnen den Plot ihres weiblichen Schläger-Schockers um die Ohren hauen, bleibt einfach keine Zeit für Fragen und Zweifel.
Bewertung: 8 von 10 Punkten
»Tatort: Die Kälte der Erde«, Sonntag, 20.15 Uhr, das Erste

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