
"Tatort" aus Köln Dem Kommissar geht's an die Kehle
- • NSU-Mann im ARD-Krimi: Wie ein Foto von Uwe Mundlos in den "Tatort" geriet
- • "Polizeiruf" von Dominik Graf: Wahlkampf in Bayerns Betten
Es gibt "Tatort"-Folgen, die haben auch Jahre nach ihrer Ausstrahlung noch eine enorme Wucht und ein Eigenleben. "Bestien" von 2001 ist so eine. Es ging um Vergewaltigung, Mord und Selbstjustiz. Der Schauspieler Armin Rohde - Lederkutte und fletschendes Gebiss - spielte darin einen Rockervater auf dem Rachefeldzug, und Rohdes Filmfrau brachte den Mörder der gemeinsamen Tochter um. Die Kölner TV-Ermittler ließen Beweismittel verschwinden, damit die Frau nicht ins Gefängnis musste. Eine Legitimierung von Lynchjustiz? Reale Polizeivertreter liefen nach der Ausstrahlung Sturm.
Gut zehn Jahre später geriet die Folge "Bestien" noch einmal in die Schlagzeilen. Wie sich herausgestellt hatte, war in einer Szene des fiktiven Falls ein reales Fahndungsfoto des späteren, inzwischen verstorbenen NSU-Terroristen Uwe Mundlos in die Kamera gehalten worden. SPIEGEL ONLINE berichtete. Ein Zufall wohl - der den Kölner Krimi allerdings noch einmal an Brisanz auflud.
Nun haben sich die Hauptbeteiligten dieses legendären "Tatorts" wieder zusammengefunden. Doch brisant ist an dem neuen Fall gar nichts.
Es geht um den Mord an einem jungen Jazzklub-Besitzer. Kommissar Schenk (Dietmar Bär) und Kollege Ballauf (Klaus J. Behrendt) werden von Drehbuchautor Norbert Ehry und Regisseur Kaspar Heidelbach aufs übliche Verdächtigen-Hopping geschickt. Der Plot ist plump, der Erzählrhythmus eher Bumbum als Jazz, fast alle Figuren wirken konstruiert.
Tödlicher Charme
Nur einer strahlt: Armin Rohde, der Rocker-Rächer von 2001, gibt hier ein weiteres Mal den Knochenbrechervater. Er verkörpert einen kleinen gemeinen Gangster namens Ralf Trimborn, der seinen Sohn mit einem eigentümlichen Verständnis von Liebe drangsaliert. Der ermordete Klubbesitzer war der beste Freund des Sohnes; kann es sein, dass ihn der Alte aus Eifersucht und Gier aus dem Weg geräumt hat?
Rohde muss gar nicht viel machen, mit kleinsten Gesten versprüht er letalen Charme. Wenn er beim Lächeln die Zähne zeigt, wirkt er sanft wie ein Hai im Morgengrauen. Legt er zärtlich die Pranken um die Schulter seines Sohnes, mutet das an wie ein Würgegriff. Philosophiert er über Familie und Blutsbande, hört sich das nach einer Drohung an. Jede Szene mit Armin Rohde ist eine kleine Sensation.
Fast jede andere ist eine Zumutung.
Weshalb passiert in diesem "Tatort" eigentlich so provozierend wenig? Warum geht man zum Beispiel nicht mit der Kamera in den für die Handlung doch sehr wichtigen Jazzklub, zeigt vielleicht gar ein Konzert, so, wie es Dominik Graf in seinem letzten Münchner "Polizeiruf" gemacht hat? Wieso schieben sich die in den letzten Folgen doch wieder aufgeblühten "Tatort"-Oldies Schenk und Ballauf wie Schatten ihrer selbst durchs Bild?
Kommissar Schenk wird am Anfang von zwei jugendlichen Gangstern überrumpelt und mit dem Messer bedroht, aber müssen ihn die Filmemacher deshalb gleich dramaturgisch über die Klinge springen und die ganze Zeit grimmig schweigen lassen? Und weshalb kriegt der neue Assistent Tobias Reisser (Patrick Abozen) so eine undankbare Streberrolle - ausgerechnet jetzt, da er nach einem ersten einzelnen Auftritt fester Sidekick im Kölner Revier geworden ist?
Wir wissen es nicht. Und sind dankbar dafür, dass Armin Rohde als furioses Vatertier wenigstens zeitweise die Langeweile aus dem Plemplem-Plot prügelt.
"Tatort: Dicker als Wasser", Sonntag, 20.15 Uhr, ARD
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Bedrohlich: Kommissar Schenk (Dietmar Bär)wird nachts von zwei Jugendlichen überfallen.
Kennt keine Skrupel: Trimborn (Armin Rohde) bedroht den Dealer, der ihm zuvor eine Schrottwaffe verkauft hat.
Diesmal nur Schatten ihrer selbst: die Kommissare Freddy Schenk (Dietmar Bär, l.) und Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) bei den Ermittlungen
Am Tatort: Schenk und Ballauf mit Laura Albertz (Alice Dwyer), der Freundin des Ermordeten
Diese Liebe tut weh: Trimborn zeigt seinem Sohn Erik (Ludwig Trepte) eine seltsame Art von Zuneigung.
Unter Vätern: Trimborn mit Jürgen Mohren (Jochen Nickel), dem Vater des Mordopfers
Brutaler Genussmensch: Trimborn erklärt Kommissar Schenk bei Wolfsbarsch und einem guten Glas Rotwein seine Sicht aufs Leben.
Weiß nur Schlechtes zu erzählen: Elisabeth Fürg (Karyn von Ostholt) berichtet den Ermittlern über das Vorleben von Trimborn.
Liebe in Gefahr: Laura und Erik leiden unter der Gewalt und der Macht von Eriks Vater.
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