Kiel-»Tatort« über Frauenhass
Mario, mach Männchen!
Von Machos in Männerseminaren bis zu misogynen Trollen im Internet: Der Kiel-»Tatort« zeigt Facetten von Frauenhass – und wie er sich in Gewalt entlädt.
Borowski (Axel Milberg) unter beleidigten Männern: »Wir sind viele!«
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Christine Schroeder / NDR
Der Mann ist ein Raubtier. Die Frau seine Beute. An dieser Analogie aus der Bilderwelt eines infantilen Steinzeit-Machismo halten noch immer viele Männer fest. Und vielleicht tun es gerade die am dollsten, die in der – um in ihrem beschränkten Bilderreservoir zu bleiben – freien Wildbahn besonders erfolglos sind. Der nervöse Mario (Joseph Bundschuh), der am Anfang dieses »Tatorts« in einer Diskothek nach Frauenkontakten sucht, hört sich zur Vorbereitung jedenfalls das Online-Tutorial eines Pick-up-Artists an, dessen Geschlechterbild mit »prähistorisch« noch freundlich beschrieben ist.
Pick-up-Artists sind Männer, die das »Aufreißen« zu »Kunstform« erheben, gleichzeitig aber das primitive Erlegen des anderen Geschlechts propagieren. Der, von dem sich Mario vor dem Discobesuch das wackelige Ego aufpumpen lässt, heißt Hank Massmann (Arnd Klawitter) und sagt in seinem Video: »Sei dominant, und du gewinnst.« Er verweist auf Tierfilme, weil man aus dem Jagdverhalten von Löwen oder Leoparden Inspiration ziehen könnte. »Lass sie laufen!«, raunt siegesgewiss der angebliche Chefaufreißer. Und sein junger Fan versucht, die Macho-Tipps brav in die Tat umzusetzen: Mario, mach Männchen!
Sahin und Borowski auf dem Revier: Frauenmord kurz vor dem Frauentag
Foto: Christine Schroeder / NDR
Doch der unbeholfene Junge kommt dann im Klub nicht sehr weit mit seinem mühsam antrainierten Raubtiergebaren. Die linkisch anvisierte junge Frau, der er einen Drink spendiert, lässt ihn nach einem zweifelhaften Spruch am Tresen stehen. Am nächsten Morgen liegt ihre Leiche an einem Ufer unweit der Disco; in den Sand wurde ein Code gezeichnet, der auf eine rechtsextreme Gruppe schließen lässt.
Zum Rechtsextremismus nur zwei Klicks
In ihrem neuen Fall kriegen es Borowski (Axel Milberg) und Sahin (Almila Bagriacik) mit verschiedenen Facetten von Frauenhass zu tun. Es geht um Männer, die in schwitzigen Seminaren ihren atavistischen Impulsen freien Lauf lassen, um sich Mut zu machen gegen das als heimtückisch empfundene Wesen Frau. Und es geht um Männer, die sich in sogenannten Incel-Foren treffen, um dort über ihr »unfreiwilliges Zölibat« (englisch: »involuntary celibate«) zu lamentieren. Schuld an ihrem Zustand geben sie bevorzugt migrantischen Männern, die ihnen angeblich die deutschen Frauen ausspannen. Zum Rassismus ist es bei den »Incels« nur ein Klick – und von dort zum Rechtsextremismus ebenfalls nur ein weiterer.
Die testosteronschwangeren Zusammenrottungen in Veranstaltungen mit Titeln wie »Zurück zum Mann« und das traurige Trolltum der Vereinzelten in den »Incel«-Foren: Die Verantwortlichen dieses »Tatorts« (Regie: Nicole Weegmann, Buch: Peter Probst und Daniel Nocke) beschreiben sie als zwei Seiten der gleichen Misogynie. Unheilvoll lassen sie den Frauenhass beider Kräfte zusammenwirken und verdichten sie zu einem Szenario männlicher Gewalt.
Weltfrauentag im Visier
»Wir sind viele!«, schreien die Männer, während sie sich bei den Gruppenseminaren auf die Brust trommeln. Dieser Albtraum nimmt in »Borowski und die Angst der weißen Männer« die Form eines neuen Terrorismus an.
Während sich Mario, der nervöse Junge aus der Disco, im Laufe der Handlung zu radikalisieren droht, um angestachelt durch die »Incel«-Chatbekanntschaften als Amok laufender Einzelattentäter seinen Frauenhass auszuleben, organisiert im Hintergrund eine nicht näher definierte Terrorgruppe eine Anschlagsserie. Stichtag für die fiktive militante Frauenhasserfraktion ist der Weltfrauentag – der tatsächlich für den Montag angesetzt ist.
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Bettina Müller / HR
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Kommissar-Karussell: Alle »Tatort«-Teams im Überblick
Bislang treten Rechtsextreme mit »Incel«-Hintergrund – auch die Attentäter von Christchurch oder Hanau gehörten dazu – als Einzelgänger auf. Die Plotwendung in Richtung Gruppengewalt ist aber als dystopische Verdichtung schon zulässig. Dass ausgerechnet die weiblichen Charaktere wenig mehr Tiefe haben, ist jedoch ein Problem dieser »Tatort«-Folge. Es reihen sich darin einfach zu viele weibliche Stereotype aneinander.
So wurde das Opfer aus der Diskothek ohne Wissen von ihren dämlichen Freundinnen mit Liquid Ecstasy abgefüllt und auf diese Weise in die Arme des Täters getrieben, was eine gewisse Mitverantwortlichkeit der Frauen für den Tod der anderen suggeriert. Und Mario erhält nach dem gescheiterten Anbahnungsversuch an der Tanzfläche deshalb noch eine weitere Chance auf ein Date, weil er einer überforderten jungen Frau dabei hilft, das Auto auszuparken.
Sagen wir mal so: In Sachen Rollendiversität ist in diesem »Tatort« noch Luft nach oben.
Bewertung: 6 von 10 Punkten
»Tatort: Borowski und die Angst der weißen Männer«, Sonntag, 20.15 Uhr, Das Erste
19 BilderKommissar-Karussell: Alle »Tatort«-Teams im Überblick
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Murot in Hessen
Keine Angst vor dem Pianisten! Ob am Klavier, an der Kettensäge oder am Maschinengewehr – Ulrich Tukur als Kommissar Murot ist fast immer eine Sensation. Fast immer: Die Nummer mit den Gauklern in der Zirkus-Folge »Schwindelfrei« von 2013 war wirklich übel, dafür war die Tarantino-meets-Truffault-Folge »Im Schmerz geboren« 2014 ein absolutes Meisterwerk, und auch die Doppelgänger-Folge Und Jacques-Tati-Hommage vom November war ein echter Lichtblick in düsteren Tagen.
Foto:
Bettina Müller / HR
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Lannert und Bootz in Stuttgart
Richy Müller als Thorsten Lannert und Felix Klare als Sebastian Bootz sind prima Kerle. Der eine mit tragischer Undercover-Ermittler-Vergangenheit, der andere als ehrenhaft gescheiterter Ehemann. Seit 2008 sind sie im Einsatz, am Anfang wurden die Fälle noch arg routiniert runtergespült. Doch die jüngsten Stuttgart-Episoden behandelten auf ästhetisch höchstem Niveau Aufregerthemen wie Stuttgart 21, unaufgearbeitete RAF-Geschichte sowie Pflegenotstand. Und der Sniper-Krimi (siehe Bild) bot zuletzt großes Thriller-Kino.
Foto:
Benoît Linder/ SWR
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Die ewigen Junggesellen: Seit weit mehr als einem Vierteljahrhundert sind die beiden älteren Jungs jetzt schon im Einsatz – und immer noch gut für einen Skandal. Unvergessen eine der jüngeren Episoden, in der Kommissar Ivo Batic (Miroslav Nemec, M.) und Kollege Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) im Münchner Porno-Milieu ermittelten. Aber auch der melancholische Surfer-Krimi mit Portugal-Impressionen und das brutal genaue Sittengemälde aus der Münchner Vorstadt vor der Sommerpause waren Vorzeigewerke für den ARD-Sonntagskrimi.
Foto: Hendrik Heiden/ Hendrik Heiden/ BR
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Gorniak, Winkler und Schnabel in Dresden
Lustig ging es los, unentschieden ging es weiter, düster ist es geworden. Alwara Höfels, Karin Hanczewski und Martin Brambach hatten in den ersten Folgen sehr zu kämpfen mit dem unausgegorenen Konzept des MDR. Höfels zog inzwischen die Konsequenzen und verabschiedete sich. Nun hat Cornelia Göschel als Kommissarin Winkler übernommen. Der Dresden-»Tatort« will nun ein harter, zeitgemäßer Cop-Krimi sein.
Foto: MDR/ Wiedemann&Berg/ Daniela Incoronato
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Berg und Tobler im Schwarzwald
Eva Löbau als Franziska Tobler und Hans-Jochen Wagner als Friedemann Berg benötigen keine Dialogfanfaren oder exotische Rollenbiografien. Sie verwerten, was dieser witterungsintensive Krimi-Schwarzwald hergibt. Ein Heimatkrimi, in dem alles lokal produziert wird: Obst, Schnaps, der Tod. Mit den letzten, exzeptionellen Folgen bewies das Revier in Deutschlands äußerstem Südwesten aber auch eine extreme Risikobereitschaft und zeigte jeweils einen Fall aus der Perspektive eines Schizophrenen, eines Sexualstraftäters und einer Prostituierten.
Foto: SWR/Benoit Linder
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Boerne und Thiel in Münster
Der Prof und der Proll: Seit 2002 ermitteln Jan Josef Liefers als Gerichtsmediziner Karl-Friedrich Boerne und Axel Prahl als Frank Thiel zwischen Keksdynastien, Kartoffelkönigen und Spargelkaisern. Der eine Snob und eng verbandelt mit der Münsteraner Honoratiorenschaft, der andere St.-Pauli-Fan und Outsider. Eine Kombination, mit der anfangs gekonnt grotesker Humor in den »Tatort« geschmuggelt wurde, der erschöpfte sich in den letzten Jahren aber in Gag-Kanonaden. Trotzdem jede einzelne Boerne/Thiel-Folge ein Quotenhit.
Foto: WDR/ Martin Valentin Menke
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Schürk und Hölzer in Saarbrücken
Die neue Düsternis: Nachdem Devid Striesow als Kommissar Stellbrink eher glücklos versucht hatte, gute Laune im Saarland zu verbreiten, ist der Relaunch zum April 2020 im guten Sinne spaßbefreit geraten: Daniel Sträßer (l.) als Adam Schürk und Vladimir Burlakov als Leo Hölzer sind so geheimnisvolle wie grimmige Ermittler. Ihr erster Auftritt war stark und stimmig, der zweite ist noch in Arbeit. Nur an den im Saar-»Tatort« stets fragwürdigen Frauenbildern sollte unbedingt noch geschraubt werden.
Foto: Manuela Meyer/ SR
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Borowski und Sahin in Kiel
Der Weltenwandler: Als Klaus Borowski ist Axel Milberg am besten, wenn er in Parallelkosmen von Psychopathen hinabsteigt – vielleicht weil Borowski selbst nah am Wahnsinn gebaut ist. Seit 2003 dabei, stand er bis 2009 sinnigerweise unter der Beobachtung einer Polizeipsychologin. Doch die Frauen kommen und gehen im Borowski-»Tatort«. Nach Maren Eggert und Sibel Kekilli hat nun die hoch gehandelte türkeistämmige Schauspielerin Almila Bagriacik (»4 Blocks«) die Rolle des weiblichen Sidekicks übernommen.
Foto: NDR/ Christine Schroeder
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Tschiller in Hamburg
The Last Action Hero: Der zu Extra-Konditionen engagierte Megastar Til Schweiger brachte der Krimireihe keine Megaquoten als Kommissar Tschiller. Auch nicht durch Panzerfaust- und Helene-Fischer-Einsatz. Nach an der Publikumsfront gescheiterten Action-Blockbuster-Versuchen zeigte die sechste Folge den Haudrauf dann als gebrochene Figur. Mal sehen, wie es weitergeht. Nach der begonnenen Therapie des letzten deutschen Action-Cops darf er jetzt gern wieder zur Schusswaffe greifen.
Foto: Warner Bros.
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Dorn und Lessing in Weimar
Ist das noch ein Krimi? Nora Tschirner als Kommissarin Dorn und Christian Ulmen als Kollege Lessing lassen mit lässiger Eleganz die üblichen »Tatort«-Ermittlerstanzen ins Leere laufen – und das ausgerechnet im Einflussgebiet des MDR, wo man sich früher schwertat mit Humor und Subversion. Nach der anfänglich schleppenden Programmierung als Event-»Tatort« ermitteln Dorn und Lessing nun zweimal im Jahr.
Foto: MDR/ Anke Neugebau
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Falke in Norddeutschland
Für immer Punk: Wotan Wilke Möhring als Kommissar Falke hört Punk und trägt zum Schlafen wie zum Ermitteln ein fadenscheiniges Ramones-Shirt. Erst war er in Hamburg unterwegs, dann musste er Til Schweiger die Stadt überlassen und zog ins norddeutsche Umland ab, jetzt darf er wieder in Hamburg ermitteln. In der Rolle der Co-Ermittlerin agiert Franziska Weisz als Julia Grosz. Zwei Folgen im Jahr.
Foto: NDR/ Marion von der Mehden
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Faber und Bönisch in Dortmund
Die Kranken: Jörg Hartmann schluckt als Peter Faber reichlich Pillen und schlägt Toiletten kaputt. Anna Schudt als Kollegin Martina Bönisch steigt mehr zum Frustabbau als zum Lustgewinn mit Callboys und Staubsaugervertretern ins Bett. Eines der wenigen TV-Reviere mit stringenter Figurenentwicklung. Die Elite des deutschen Fernsehkrimis. Bei den jungen Sidekicks herrscht allerdings ein gewisses Kommen und Gehen. Noch dieses Jahr wir Aylin Tezel den Krimi verlassen, als Nachfolgerin wird im nächsten Jahr Stefanie Reinsperger zu sehen sein.
Foto: ARD
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Brix und Janneke in Frankfurt
Wie sind die denn drauf? So ausgeglichen wie Paul Brix (Wolfram Koch, l.) und Anna Janneke (Margarita Broich, r.) geht sonst niemand in Fernsehkrimideutschland zur Arbeit. Gute Laune als Alleinstellungsmerkmal, ein interessanter Dreh. Statt Reibung die geballte Aufmerksamkeit für den jeweiligen Fall. Brix war früher bei der Sitte, Janneke hat zuvor als Psychologin gearbeitet: Eine gute Ergänzung, um in die harten, kranken und doch oft auch heiter verdrehten Fälle des hessischen »Tatorts« hinabzusteigen. Hier wird gern experimentiert, unvergessen der Geisterhaus-Horror, der für heftige Debatten innerhalb der ARD sorgte. Zwei Folgen im Jahr.
Foto: ARD/ Bettina Müller
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Rubin und Karow in Berlin
Er ein Schwein, sie eine Schlampe: Im Gegensatz zu den einstigen sonnigen Hauptstadt-Cops Ritter und Stark sind »Tatort«-Nachfolger Mark Waschke als Robert Karow und Meret Becker als Nina Rubin mit extrem schwarzem Strich gezeichnet. Während Karow in der ersten Episode krumme Geschäfte mit der Drogenmafia laufen hat, vergnügt sich Rubin bei SM-Spielchen in den Hinterhöfen von Kreuzberger Hipster-Bars. Neben krassen Charakterzeichnungen gibt es im radikal modernisierten Berliner »Tatort« vor allem stimmige Hauptstadtimpressionen. Zwei Folgen pro Jahr. Meret Becker wird die Reihe bald verlassen, ihre Nachfolgerin wird Corinna Harfouch.
Foto: ARD
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Lindholm in Hannover und Göttingen
Die Frau von heute: Seit 2002 ist Maria Furtwängler in der Rolle der Charlotte Lindholm in Niedersachsen unterwegs und wurde in den letzten Jahren zum Inbegriff der modernen weiblichen Ermittlerin. WG-erfahren, hochschwanger während brisanter Ermittlungen, später brachte sie Kind und Karriere gut zusammen. Lindholm ist die personifizierte Selbstoptimierung, im Herzen konservativ, aber offen für Experimente. Inzwischen steht Lindholm die von Florence Kasumba gespielte Kommissarin Anaïs Schmitz zu Seite.
Foto: ARD
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Voss und Ringelhahn in Franken
Die Fremden: Felix Voss ist ein verirrtes und verschlossenes Nordlicht mit Vorliebe für Techno-Exzesse, Paula Ringelhahn machte noch zu Mauerzeiten aus dem Osten rüber, weil sie an Freiheit und Demokratie glaubte. Jetzt ermitteln die beiden Kommissare, die überhaupt nicht zueinanderpassen, in einer Gegend, in der sie zudem noch deplatziert wirken. Eine reizvolle Grundsituation. Einmal jährlich gehen Fabian Hinrichs und Dagmar Manzel als ungleiches Paar im Hinterland von Unter-, Mittel- und Oberfranken auftreten. Hinrichs hatte zuvor schon in einer BR-Episode als Ermittler-Kauz Gisbert für Furore und verliebtes Publikum gesorgt.
Foto: BR
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Eisner und Fellner in Wien
Der doppelte Espresso: Seit 1999 ermittelt Harald Krassnitzer als Major Moritz Eisner mürrisch, praktisch, gut. An die 5000 Tassen Mokka und andere starke koffeinhaltige Getränke hat er seitdem in sich hineingeschüttet. Seit 2011 wird er von Adele Neuhauser als Bibi Fellner unterstützt, einer (meistens) trockenen Alkoholikerin mit Hang zur Halbwelt am Prater. Wien, düster und kalt wie ein kleiner abgestandener Schwarzer. 2014 gab es den Grimme-Preis.
Foto: ARD
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Ballauf und Schenk in Köln
Das Ehepaar: Klaus J. Behrendt als Max Ballauf und Dietmar Bär als Freddy Schenk standen lange für den guten alten Soziokrimi – kein Thema, das von den beiden nicht warmherzig wegermittelt und wegerklärt wurde. Schenk hat zu Hause eine Frau, die man noch nie gesehen hat. Aber mal ehrlich: Was kann die schon gegen seine große Liebe Ballauf ausrichten? Seit 1997 dabei, drei bis vier Fälle im Jahr. Nachdem Anfang 2014 Assistentin Franziska grausam aus dem TV-Revier gemordet wurde, geht es bei den Kölnern düsterer und unversöhnlicher zu. Steht den beiden »Tatort«-Oldies eigentlich ganz gut.
Foto: ARD
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Odenthal in Ludwigshafen
Die Experimentiermaschine: Hier gab es die schönsten amourösen Eskapaden und die verwegensten Storys – samt Ausflug ins All. Ulrike Folkerts als Lena Odenthal ist seit 1989 im Einsatz, Andreas Hoppe als Mario Kopper stieß 1996 dazu, hat aber den »Tatort« 2017 wieder verlassen. Zurzeit stellt der SWR mit dem TV-Revier allerhand Versuche an, die beiden Impro-Folgen blieben aber weit hinter den Erwartungen zurück. Trotzdem: Bitte weiter experimentieren!
Foto: ARD
Murot in Hessen
Keine Angst vor dem Pianisten! Ob am Klavier, an der Kettensäge oder am Maschinengewehr – Ulrich Tukur als Kommissar Murot ist fast immer eine Sensation. Fast immer: Die Nummer mit den Gauklern in der Zirkus-Folge »Schwindelfrei« von 2013 war wirklich übel, dafür war die Tarantino-meets-Truffault-Folge »Im Schmerz geboren« 2014 ein absolutes Meisterwerk, und auch die Doppelgänger-Folge Und Jacques-Tati-Hommage vom November war ein echter Lichtblick in düsteren Tagen.
Foto:
Bettina Müller / HR
Lannert und Bootz in Stuttgart
Richy Müller als Thorsten Lannert und Felix Klare als Sebastian Bootz sind prima Kerle. Der eine mit tragischer Undercover-Ermittler-Vergangenheit, der andere als ehrenhaft gescheiterter Ehemann. Seit 2008 sind sie im Einsatz, am Anfang wurden die Fälle noch arg routiniert runtergespült. Doch die jüngsten Stuttgart-Episoden behandelten auf ästhetisch höchstem Niveau Aufregerthemen wie Stuttgart 21, unaufgearbeitete RAF-Geschichte sowie Pflegenotstand. Und der Sniper-Krimi (siehe Bild) bot zuletzt großes Thriller-Kino.
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Benoît Linder/ SWR
Die ewigen Junggesellen: Seit weit mehr als einem Vierteljahrhundert sind die beiden älteren Jungs jetzt schon im Einsatz – und immer noch gut für einen Skandal. Unvergessen eine der jüngeren Episoden, in der Kommissar Ivo Batic (Miroslav Nemec, M.) und Kollege Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) im Münchner Porno-Milieu ermittelten. Aber auch der melancholische Surfer-Krimi mit Portugal-Impressionen und das brutal genaue Sittengemälde aus der Münchner Vorstadt vor der Sommerpause waren Vorzeigewerke für den ARD-Sonntagskrimi.
Foto: Hendrik Heiden/ Hendrik Heiden/ BR
Schürk und Hölzer in Saarbrücken
Die neue Düsternis: Nachdem Devid Striesow als Kommissar Stellbrink eher glücklos versucht hatte, gute Laune im Saarland zu verbreiten, ist der Relaunch zum April 2020 im guten Sinne spaßbefreit geraten: Daniel Sträßer (l.) als Adam Schürk und Vladimir Burlakov als Leo Hölzer sind so geheimnisvolle wie grimmige Ermittler. Ihr erster Auftritt war stark und stimmig, der zweite ist noch in Arbeit. Nur an den im Saar-»Tatort« stets fragwürdigen Frauenbildern sollte unbedingt noch geschraubt werden.