

Ein Pärchen auf der Flucht vor der Welt. Die Straße flirrt verheißungsvoll in der Sommersonne, Mädchenfüße wippen auf dem Handschuhfach, der Hund auf der Rückbank legt den Kopf schief, und im Radio schmachtet Harry Styles sehnsüchtig sein Gegenüber an, dass es endlich an der Zeit sei, zu weinen aufzuhören und gemeinsam abzuhauen. Wem geht bei so einem Ausreißerszenario nicht sofort das Herz auf, vor allem da Liebe im Spiel zu sein scheint.
Der "Tatort" aus dem Schwarzwald, Obacht, beginnt als angetäuschtes Roadmovie. Man will sofort mit den Flüchtigen sympathisieren, doch schon nach wenigen Augenblicken bricht die Auf-und-davon-Stimmung in sich zusammen. Der Mann und das Mädchen im Auto, Martin Nussbaum (Andreas Lust) und Emily Arnold (Meira Durand), reißen nicht aus, sie kehren zurück. Eineinhalb Jahre sind sie mit gestohlenen Autos durch halb Europa gefahren. Jetzt will er seiner alten Mutter in Freiburg die Ersparnisse abluchsen, und sie versucht einen letzten Blick auf den Balkon ihrer Familie zu erhaschen.
Martin und Emily sind kein Paar, dem man wünscht, dass es zusammenbleibt. Er ist Ende 40 und ein notorischer Lügner, sie ist 15 und gilt seit eineinhalb Jahren als vermisst. Liebe ist natürlich doch nicht mit im Spiel; höchstens die Illusion davon. Er missbraucht sie, sie sehnt sich nach Nähe und Bestätigung, ein fatales Abhängigkeitsverhältnis.
Dieser "Tatort" mutet seinem Publikum einiges zu. Denn große Teile werden aus der Perspektive der Flüchtigen gezeigt, wir teilen also ihren illusorischen Blick auf die Welt und ihre verqueren Momente des Glücks, die noch mit Popmusik von Cardi B. bis Rio Reiser verstärkt werden.
Grausame Ambivalenzen
Durch einen tödlichen Unfall, den Nussbaum verursacht hat, wird die Polizei auf die Spur der Flüchtigen gesetzt. Die Schwarzwald-Ermittler Franziska Tobler (Eva Löbau) und Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) recherchieren in der Hochhaussiedlung, wo Emilys Mutter und Schwester wohnen, und in einem Tierheim, wo sie vor ihrem Verschwinden gearbeitet hat. Das emotionale Zentrum aber bleibt die Beziehung von Nussbaum und Emily, deren Welt in all ihren grausamen Ambivalenzen ausgeleuchtet wird.
Der "Tatort" lässt sich Zeit, den Charakter dieser Beziehung zu benennen, das zwingt das Publikum, sich auf Szenen einzulassen, die es beim Sehen noch nicht vollständig auflösen kann. Drehbuchautor Magnus Vattrodt hat mit dem Gerichtsdrama "Das Ende einer Nacht" schon mal einen ähnlich fordernden, weil doppelbödigen Aufbau betrieben. Regisseurin Julia von Heinz, die Mädchenfilme wie "Hanni & Nanni 2" und Reisefilme wie "Hannas Reise" gedreht hat, versteht es, Szenen in der Schwebe zu halten, um dann umso eindeutiger den Einbruch der Gewalt ins Bild zu setzen.
Bettina Müller / HR
Das Einzige, was stört, ist der um Ermittlerin Tobler herumgebaute Schwangerschafts-Subplot; er wirkt, als sollte eine gewisse Stellvertreter-Empfindsamkeit für das aufwühlende Szenario geschaffen werden. Das ist aber gar nicht notwendig, es lenkt nur von der Konsequenz ab, mit der die Filmemacher das verheerende symbiotische Verhältnis der Figuren zeigen, mit der sie deren Fantasiewelten verzahnen: die von dem vernachlässigten Mädchen, das im erwachsenen Mann ernsthaft einen treuen Begleiter fürs Sommerabenteuer sieht, und die des Manns, der in dem Kind eine Sexualpartnerin sieht.
Wenn Emily nicht folgen will, sagt er: "Willst du jetzt zurück zu Mama? Ich sag dir was, wenn du es wirklich wolltest, dann hättest du es getan, hast du aber nicht. Du hast dich umgedreht und bist wieder ins Auto zurückgestiegen. Weil du weißt: In diesen Scheißhochhäusern vermisst dich keine Sau. Die wollen dich gar nicht zurück."
Spielgefährte, väterlicher Freund, Vergewaltiger - Andreas Lust öffnet alle pathologischen Facetten seiner Figur, ohne ihre Schuld auch nur eine Sekunde zu relativieren. Nussbaum ist eine arme Wurst, die nie in der Erwachsenenwelt angekommen ist, und ein genialer Manipulator, der seinem Opfer eine perfide Märchenwelt aufbaut, aus der sie sich im Laufe dieses bis an die Schmerzgrenze aufwühlenden "Tatort" zu befreien versucht.
Bewertung: 9 von 10 Punkten
"Tatort: Für immer und dich", Sonntag, 20.15 Uhr, ARD
Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels wurde der Täter im "Tatort" umgangssprachlich als "pädophil" bezeichnet. Wir haben das geändert. Die Diagnose "pädophil" bezieht sich auf Menschen, die Kinderkörper vor der Pubertät sexuell erregend finden. Was der "Tatort" thematisiert, fällt laut StGB § 176 unter den Straftatbestand "Sexueller Missbrauch von Kindern".
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Recherche in der Hochhaussiedlung: Franziska Tobler (Eva Löbau) und Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) auf den Spuren der vermissten Emily
Warum ist Emily ausgerissen? Die Ermittlerin fordern Antworten von der aufgebrachten Mutter (Kim Riedle)
Martin (Andreas Lust) und Emily (Meira Durand) auf dem Roadtrip - der nicht so sonnig ist, wie er am Anfang erscheint.
Arme Wurst und genialer Manipulator: Nussbaum droht Emily.
Eine Freundin auf Zeit: An der Tankstelle lernt Emily die quirlige Jona (Luisa Céline Gaffron) kennen.
Ein Freund zum Festhalten: Emily mit ihrem Hund Luno
Grausame Ambivalenzen: Emily in dem Versteck, in dem sie Nussbaum einquartiert hat.
Auf der Suche nach Geld: Nussbaum versucht mit Tricks an die Ersparnisse seiner Mutter Luise (Ursula Werner) heranzukommen.
Überfall in der Nacht: Nussbaums Computer wird aus dem Auto geklaut - was zu einer fatalen Verfolgungsjagd führt.
Der Schwarzwald versinkt in Hitze: Die Ermittler brüten und schwitzen über dem Fall.
Untersuchungen in der Nachbarschaft: Tobler befragt die Bewohner der Hochhaussiedlung, ob jemand von ihnen Emily gesehen hat.
Murot in Hessen
Keine Angst vor dem Pianisten! Ob am Klavier, an der Kettensäge oder am Maschinengewehr – Ulrich Tukur als Kommissar Murot ist fast immer eine Sensation. Fast immer: Die Nummer mit den Gauklern in der Zirkus-Folge »Schwindelfrei« von 2013 war wirklich übel, dafür war die Tarantino-meets-Truffault-Folge »Im Schmerz geboren« 2014 ein absolutes Meisterwerk, und auch die Doppelgänger-Folge Und Jacques-Tati-Hommage vom November war ein echter Lichtblick in düsteren Tagen.
Bettina Müller / HR
Lannert und Bootz in Stuttgart
Richy Müller als Thorsten Lannert und Felix Klare als Sebastian Bootz sind prima Kerle. Der eine mit tragischer Undercover-Ermittler-Vergangenheit, der andere als ehrenhaft gescheiterter Ehemann. Seit 2008 sind sie im Einsatz, am Anfang wurden die Fälle noch arg routiniert runtergespült. Doch die jüngsten Stuttgart-Episoden behandelten auf ästhetisch höchstem Niveau Aufregerthemen wie Stuttgart 21, unaufgearbeitete RAF-Geschichte sowie Pflegenotstand. Und der Sniper-Krimi (siehe Bild) bot zuletzt großes Thriller-Kino.
Benoît Linder/ SWR
Die ewigen Junggesellen: Seit weit mehr als einem Vierteljahrhundert sind die beiden älteren Jungs jetzt schon im Einsatz – und immer noch gut für einen Skandal. Unvergessen eine der jüngeren Episoden, in der Kommissar Ivo Batic (Miroslav Nemec, M.) und Kollege Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) im Münchner Porno-Milieu ermittelten. Aber auch der melancholische Surfer-Krimi mit Portugal-Impressionen und das brutal genaue Sittengemälde aus der Münchner Vorstadt vor der Sommerpause waren Vorzeigewerke für den ARD-Sonntagskrimi.
Gorniak, Winkler und Schnabel in Dresden
Lustig ging es los, unentschieden ging es weiter, düster ist es geworden. Alwara Höfels, Karin Hanczewski und Martin Brambach hatten in den ersten Folgen sehr zu kämpfen mit dem unausgegorenen Konzept des MDR. Höfels zog inzwischen die Konsequenzen und verabschiedete sich. Nun hat Cornelia Göschel als Kommissarin Winkler übernommen. Der Dresden-»Tatort« will nun ein harter, zeitgemäßer Cop-Krimi sein.
Berg und Tobler im Schwarzwald
Eva Löbau als Franziska Tobler und Hans-Jochen Wagner als Friedemann Berg benötigen keine Dialogfanfaren oder exotische Rollenbiografien. Sie verwerten, was dieser witterungsintensive Krimi-Schwarzwald hergibt. Ein Heimatkrimi, in dem alles lokal produziert wird: Obst, Schnaps, der Tod. Mit den letzten, exzeptionellen Folgen bewies das Revier in Deutschlands äußerstem Südwesten aber auch eine extreme Risikobereitschaft und zeigte jeweils einen Fall aus der Perspektive eines Schizophrenen, eines Sexualstraftäters und einer Prostituierten.
Boerne und Thiel in Münster
Der Prof und der Proll: Seit 2002 ermitteln Jan Josef Liefers als Gerichtsmediziner Karl-Friedrich Boerne und Axel Prahl als Frank Thiel zwischen Keksdynastien, Kartoffelkönigen und Spargelkaisern. Der eine Snob und eng verbandelt mit der Münsteraner Honoratiorenschaft, der andere St.-Pauli-Fan und Outsider. Eine Kombination, mit der anfangs gekonnt grotesker Humor in den »Tatort« geschmuggelt wurde, der erschöpfte sich in den letzten Jahren aber in Gag-Kanonaden. Trotzdem jede einzelne Boerne/Thiel-Folge ein Quotenhit.
Schürk und Hölzer in Saarbrücken
Die neue Düsternis: Nachdem Devid Striesow als Kommissar Stellbrink eher glücklos versucht hatte, gute Laune im Saarland zu verbreiten, ist der Relaunch zum April 2020 im guten Sinne spaßbefreit geraten: Daniel Sträßer (l.) als Adam Schürk und Vladimir Burlakov als Leo Hölzer sind so geheimnisvolle wie grimmige Ermittler. Ihr erster Auftritt war stark und stimmig, der zweite ist noch in Arbeit. Nur an den im Saar-»Tatort« stets fragwürdigen Frauenbildern sollte unbedingt noch geschraubt werden.
Borowski und Sahin in Kiel
Der Weltenwandler: Als Klaus Borowski ist Axel Milberg am besten, wenn er in Parallelkosmen von Psychopathen hinabsteigt – vielleicht weil Borowski selbst nah am Wahnsinn gebaut ist. Seit 2003 dabei, stand er bis 2009 sinnigerweise unter der Beobachtung einer Polizeipsychologin. Doch die Frauen kommen und gehen im Borowski-»Tatort«. Nach Maren Eggert und Sibel Kekilli hat nun die hoch gehandelte türkeistämmige Schauspielerin Almila Bagriacik (»4 Blocks«) die Rolle des weiblichen Sidekicks übernommen.
Tschiller in Hamburg
The Last Action Hero: Der zu Extra-Konditionen engagierte Megastar Til Schweiger brachte der Krimireihe keine Megaquoten als Kommissar Tschiller. Auch nicht durch Panzerfaust- und Helene-Fischer-Einsatz. Nach an der Publikumsfront gescheiterten Action-Blockbuster-Versuchen zeigte die sechste Folge den Haudrauf dann als gebrochene Figur. Mal sehen, wie es weitergeht. Nach der begonnenen Therapie des letzten deutschen Action-Cops darf er jetzt gern wieder zur Schusswaffe greifen.
Dorn und Lessing in Weimar
Ist das noch ein Krimi? Nora Tschirner als Kommissarin Dorn und Christian Ulmen als Kollege Lessing lassen mit lässiger Eleganz die üblichen »Tatort«-Ermittlerstanzen ins Leere laufen – und das ausgerechnet im Einflussgebiet des MDR, wo man sich früher schwertat mit Humor und Subversion. Nach der anfänglich schleppenden Programmierung als Event-»Tatort« ermitteln Dorn und Lessing nun zweimal im Jahr.
Falke in Norddeutschland
Für immer Punk: Wotan Wilke Möhring als Kommissar Falke hört Punk und trägt zum Schlafen wie zum Ermitteln ein fadenscheiniges Ramones-Shirt. Erst war er in Hamburg unterwegs, dann musste er Til Schweiger die Stadt überlassen und zog ins norddeutsche Umland ab, jetzt darf er wieder in Hamburg ermitteln. In der Rolle der Co-Ermittlerin agiert Franziska Weisz als Julia Grosz. Zwei Folgen im Jahr.
Faber und Bönisch in Dortmund
Die Kranken: Jörg Hartmann schluckt als Peter Faber reichlich Pillen und schlägt Toiletten kaputt. Anna Schudt als Kollegin Martina Bönisch steigt mehr zum Frustabbau als zum Lustgewinn mit Callboys und Staubsaugervertretern ins Bett. Eines der wenigen TV-Reviere mit stringenter Figurenentwicklung. Die Elite des deutschen Fernsehkrimis. Bei den jungen Sidekicks herrscht allerdings ein gewisses Kommen und Gehen. Noch dieses Jahr wir Aylin Tezel den Krimi verlassen, als Nachfolgerin wird im nächsten Jahr Stefanie Reinsperger zu sehen sein.
Brix und Janneke in Frankfurt
Wie sind die denn drauf? So ausgeglichen wie Paul Brix (Wolfram Koch, l.) und Anna Janneke (Margarita Broich, r.) geht sonst niemand in Fernsehkrimideutschland zur Arbeit. Gute Laune als Alleinstellungsmerkmal, ein interessanter Dreh. Statt Reibung die geballte Aufmerksamkeit für den jeweiligen Fall. Brix war früher bei der Sitte, Janneke hat zuvor als Psychologin gearbeitet: Eine gute Ergänzung, um in die harten, kranken und doch oft auch heiter verdrehten Fälle des hessischen »Tatorts« hinabzusteigen. Hier wird gern experimentiert, unvergessen der Geisterhaus-Horror, der für heftige Debatten innerhalb der ARD sorgte. Zwei Folgen im Jahr.
Rubin und Karow in Berlin
Er ein Schwein, sie eine Schlampe: Im Gegensatz zu den einstigen sonnigen Hauptstadt-Cops Ritter und Stark sind »Tatort«-Nachfolger Mark Waschke als Robert Karow und Meret Becker als Nina Rubin mit extrem schwarzem Strich gezeichnet. Während Karow in der ersten Episode krumme Geschäfte mit der Drogenmafia laufen hat, vergnügt sich Rubin bei SM-Spielchen in den Hinterhöfen von Kreuzberger Hipster-Bars. Neben krassen Charakterzeichnungen gibt es im radikal modernisierten Berliner »Tatort« vor allem stimmige Hauptstadtimpressionen. Zwei Folgen pro Jahr. Meret Becker wird die Reihe bald verlassen, ihre Nachfolgerin wird Corinna Harfouch.
Lindholm in Hannover und Göttingen
Die Frau von heute: Seit 2002 ist Maria Furtwängler in der Rolle der Charlotte Lindholm in Niedersachsen unterwegs und wurde in den letzten Jahren zum Inbegriff der modernen weiblichen Ermittlerin. WG-erfahren, hochschwanger während brisanter Ermittlungen, später brachte sie Kind und Karriere gut zusammen. Lindholm ist die personifizierte Selbstoptimierung, im Herzen konservativ, aber offen für Experimente. Inzwischen steht Lindholm die von Florence Kasumba gespielte Kommissarin Anaïs Schmitz zu Seite.
Voss und Ringelhahn in Franken
Die Fremden: Felix Voss ist ein verirrtes und verschlossenes Nordlicht mit Vorliebe für Techno-Exzesse, Paula Ringelhahn machte noch zu Mauerzeiten aus dem Osten rüber, weil sie an Freiheit und Demokratie glaubte. Jetzt ermitteln die beiden Kommissare, die überhaupt nicht zueinanderpassen, in einer Gegend, in der sie zudem noch deplatziert wirken. Eine reizvolle Grundsituation. Einmal jährlich gehen Fabian Hinrichs und Dagmar Manzel als ungleiches Paar im Hinterland von Unter-, Mittel- und Oberfranken auftreten. Hinrichs hatte zuvor schon in einer BR-Episode als Ermittler-Kauz Gisbert für Furore und verliebtes Publikum gesorgt.
Eisner und Fellner in Wien
Der doppelte Espresso: Seit 1999 ermittelt Harald Krassnitzer als Major Moritz Eisner mürrisch, praktisch, gut. An die 5000 Tassen Mokka und andere starke koffeinhaltige Getränke hat er seitdem in sich hineingeschüttet. Seit 2011 wird er von Adele Neuhauser als Bibi Fellner unterstützt, einer (meistens) trockenen Alkoholikerin mit Hang zur Halbwelt am Prater. Wien, düster und kalt wie ein kleiner abgestandener Schwarzer. 2014 gab es den Grimme-Preis.
Ballauf und Schenk in Köln
Das Ehepaar: Klaus J. Behrendt als Max Ballauf und Dietmar Bär als Freddy Schenk standen lange für den guten alten Soziokrimi – kein Thema, das von den beiden nicht warmherzig wegermittelt und wegerklärt wurde. Schenk hat zu Hause eine Frau, die man noch nie gesehen hat. Aber mal ehrlich: Was kann die schon gegen seine große Liebe Ballauf ausrichten? Seit 1997 dabei, drei bis vier Fälle im Jahr. Nachdem Anfang 2014 Assistentin Franziska grausam aus dem TV-Revier gemordet wurde, geht es bei den Kölnern düsterer und unversöhnlicher zu. Steht den beiden »Tatort«-Oldies eigentlich ganz gut.
Odenthal in Ludwigshafen
Die Experimentiermaschine: Hier gab es die schönsten amourösen Eskapaden und die verwegensten Storys – samt Ausflug ins All. Ulrike Folkerts als Lena Odenthal ist seit 1989 im Einsatz, Andreas Hoppe als Mario Kopper stieß 1996 dazu, hat aber den »Tatort« 2017 wieder verlassen. Zurzeit stellt der SWR mit dem TV-Revier allerhand Versuche an, die beiden Impro-Folgen blieben aber weit hinter den Erwartungen zurück. Trotzdem: Bitte weiter experimentieren!
Murot in Hessen
Keine Angst vor dem Pianisten! Ob am Klavier, an der Kettensäge oder am Maschinengewehr – Ulrich Tukur als Kommissar Murot ist fast immer eine Sensation. Fast immer: Die Nummer mit den Gauklern in der Zirkus-Folge »Schwindelfrei« von 2013 war wirklich übel, dafür war die Tarantino-meets-Truffault-Folge »Im Schmerz geboren« 2014 ein absolutes Meisterwerk, und auch die Doppelgänger-Folge Und Jacques-Tati-Hommage vom November war ein echter Lichtblick in düsteren Tagen.
Foto:Bettina Müller / HR
Lannert und Bootz in Stuttgart
Richy Müller als Thorsten Lannert und Felix Klare als Sebastian Bootz sind prima Kerle. Der eine mit tragischer Undercover-Ermittler-Vergangenheit, der andere als ehrenhaft gescheiterter Ehemann. Seit 2008 sind sie im Einsatz, am Anfang wurden die Fälle noch arg routiniert runtergespült. Doch die jüngsten Stuttgart-Episoden behandelten auf ästhetisch höchstem Niveau Aufregerthemen wie Stuttgart 21, unaufgearbeitete RAF-Geschichte sowie Pflegenotstand. Und der Sniper-Krimi (siehe Bild) bot zuletzt großes Thriller-Kino.
Foto:Benoît Linder/ SWR
Die ewigen Junggesellen: Seit weit mehr als einem Vierteljahrhundert sind die beiden älteren Jungs jetzt schon im Einsatz – und immer noch gut für einen Skandal. Unvergessen eine der jüngeren Episoden, in der Kommissar Ivo Batic (Miroslav Nemec, M.) und Kollege Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) im Münchner Porno-Milieu ermittelten. Aber auch der melancholische Surfer-Krimi mit Portugal-Impressionen und das brutal genaue Sittengemälde aus der Münchner Vorstadt vor der Sommerpause waren Vorzeigewerke für den ARD-Sonntagskrimi.
Foto: Hendrik Heiden/ Hendrik Heiden/ BRSchürk und Hölzer in Saarbrücken
Die neue Düsternis: Nachdem Devid Striesow als Kommissar Stellbrink eher glücklos versucht hatte, gute Laune im Saarland zu verbreiten, ist der Relaunch zum April 2020 im guten Sinne spaßbefreit geraten: Daniel Sträßer (l.) als Adam Schürk und Vladimir Burlakov als Leo Hölzer sind so geheimnisvolle wie grimmige Ermittler. Ihr erster Auftritt war stark und stimmig, der zweite ist noch in Arbeit. Nur an den im Saar-»Tatort« stets fragwürdigen Frauenbildern sollte unbedingt noch geschraubt werden.
Foto: Manuela Meyer/ SRMelden Sie sich an und diskutieren Sie mit
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