Fotostrecke

"Tatort Internet": Im TV enttarnt

Foto: RTL II

"Tatort Internet" Kinderschützer attackieren RTL-2-Show

Die neue RTL-2-Sendung "Tatort Internet" führt potentielle Pädophile vor. Nach SPIEGEL-ONLINE-Informationen werfen drei angesehene Kinderschutzvereine den Machern jetzt vor, bei der Recherche "manipulativ" vorzugehen und sich "höchst fragwürdiger Methoden" zu bedienen.

Für die RTL-2-Sendung "Tatort Internet" kommt es immer ärger: Jetzt haben drei Kinderschutzvereine das neue Format massiv kritisiert. In einer Stellungnahme, die sie gegenüber SPIEGEL ONLINE abgegeben haben, distanzieren sich die Vereine Dunkelziffer, Kibs sowie die Deutsche Gesellschaft für Prävention und Intervention bei Kindesmisshandlung und -vernachlässigung (DGfPI) "in aller Deutlichkeit" von der Sendereihe. Ein "solch reißerisches und vorurteilsstärkendes" Format leiste keinen Beitrag zum Schutz von Mädchen und Jungen vor sexualisierter Gewalt, heißt es in der Stellungnahme. "Es erfüllt einzig und allein die Aufgabe, potentielle Sexualtäter an den Pranger zu stellen und altbewährte Ressentiments zu verstärken."

In "Tatort Internet" wird gezeigt, wie sich erwachsene Männer in Chats und Social Networks an vermeintlich Minderjährige heranmachen. Hinter den Minderjährigen stecken allerdings Mitarbeiter der Filmproduktionsfirma Diwa. Bei Treffen mit ihren Chatbekanntschaften werden die Männer dann heimlich gefilmt und später von der Journalistin Beate Krafft-Schöning konfrontiert.

RTL 2 zeigt Mitschnitte dieser Treffen, in denen die Gesichter der Männer gepixelt und ihre Stimmen verzerrt werden. Der Schutz der Persönlichkeitsrechte der Betroffenen war aber in mindestens einem Fall unzureichend: Durch Informationen aus der Sendung konnte ein Mann enttarnt werden. Bei der gemeinsamen Beschwerdestelle der Medienanstalten sind bereits mehrere Zuschauerbeschwerden eingegangen, die nun an die Landesmedienaufsicht in Hessen, von wo aus RTL 2 sendet, weitergeleitet werden.

Die drei Kinderschutzvereine werfen den Machern von "Tatort Internet" auch vor, "intransparent" und "manipulativ" vorgegangen zu sein. Repräsentanten der Vereine seien unter Vortäuschung falscher Tatsachen um Interviews gebeten worden. "Dabei wurde behauptet, das Sendeformat sei noch nicht bekannt, obwohl wir heute wissen, dass der Verwendungszweck bereits zu diesem Zeitpunkt feststand", heißt es in der Stellungnahme.

Demnach wurde den Interviewten gesagt, die Aufnahmen würden unter anderem für eine Dokumentation über die Arbeit der Kinderpsychologin Julia von Weiler gemacht. Weiler ist in dem Kinderschutzverein "Innocence in Danger" aktiv. Sie selbst kommt in "Tatort Internet" ausführlich als Expertin zu Wort. Vereinspräsidentin Stephanie zu Guttenberg, Ehefrau von Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, trat in der Auftaktsendung als Co-Moderatorin auf.

Den Verbänden sei zugesichert worden, das Bild- und Tonmaterial vor der Verwendung noch mal sichten zu dürfen. Da dies nicht eingehalten wurde, habe man sich schriftlich an die Produktionsfirma gewandt und die Ausstrahlung der Beiträge untersagt. "Insbesondere der Umgang mit dem Thema sexualisierte Gewalt erfordert einen sensiblen, respektvollen und transparenten Umgang auf allen Ebenen", schreiben Dunkelziffer, Kibs und DGfPI. "Wir bedauern sehr, dass gerade zu diesem Thema mit diesen höchst fragwürdigen journalistischen Methoden gearbeitet wird."

Daniel Harrich von der Produktionsfirma Diwa kontert diese Vorwürfe. "Wir haben bislang nichts von dem Material für unsere Serie 'Tatort Internet' geschnitten und hätten ohne die Zustimmung der Interviewten nichts von dem gedrehten Material gesendet - das haben wir auch klar so kommuniziert", sagte er SPIEGEL ONLINE. Harrich weiter: "Ich betrachte die Vorgehensweise als verleumderisch und schädlich für die Opfer, denn statt geschlossen hinter den Interessen der Opfer von sexuellem Missbrauch zu stehen, schlagen die drei Organisationen den Opfern ins Gesicht." Dass die Verbände unter Vortäuschung falscher Tatsachen um Interviews gebeten worden seien, sei unzutreffend. Die Interviews seien bereits im Frühjahr dieses Jahres aufgenommen worden, zu einem Zeitpunkt, als die konkrete Ausgestaltung des Formats noch nicht absehbar gewesen sei.

Beate Krafft-Schöning sagte SPIEGEL ONLINE, sie habe mit der Kritik gerechnet. "'Tatort Internet' arbeitet eng mit dem Verein Innocence in Danger zusammen. Gut möglich, dass da auch Animositäten zwischen den verschiedenen Vereinen mitreinspielen."

Die Geschäftsführerin der DGfPI, Esther Klees, verwahrt sich gegen diese Mutmaßungen. "Wir möchten Innocence in Danger und seine Arbeit in keinster Weise diskreditieren", sagte Klees SPIEGEL ONLINE. "Wir wehren uns nur gegen die unerträgliche Art, wie Aufnahmen und Interviews eingeholt wurden." Nach Angaben von Klees hat Diwafilm den betroffenen Vereinen mittlerweile schriftlich zugesichert, dass die Aufnahmen nicht gesendet würden.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren