
Weimar-"Tatort": Frauentausch in der ARD
Neujahr-"Tatort" mit Christian Ulmen Wuschig in Weimar
"Dein Macker hat Monogamie für ein Brettspiel gehalten." Von solchen Bonmots gibt es im neuen "Tatort" aus Weimar reichlich, und sie drehen sich meist ums gleiche Thema: den Körperflüssigkeitenaustausch von zwei, drei oder noch mehr Menschen. Das Ganze käme ziemlich schlüpfrig rüber, würden die beiden Ermittler nicht in Parka, Knitteranzug und mit stark gesenktem Hormonspiegel das Treiben der anderen beobachten.
Kommissar Lessing (Christian Ulmen) und Kommissarin Dorn (Nora Tschirner) aber marschieren betont zugeknöpft durch die FKK-Clubs und Sauna-Landschaften Weimars.
Bei einem Raubüberfall auf die Stadtkämmerei wurde eine junge Sekretärin erschossen, die ein Verhältnis mit dem Finanzchef von Weimar hatte. An ihren Stenografie-Kenntnissen lag es offensichtlich nicht, dass sie den Job hatte. Eine eifersüchtige Kollegin macht umständliche, aber eindeutige Bemerkungen über die körperlichen Vorzüge der Toten. Mit dem Chef traf sich die Ermordete in einem örtlichen Nackt-Klub.
Ringelpiez mit Anfassen
Dass der lustvoll verdrehte Plot um Frauentausch und Beischlafschleicherei der Drehbuchautoren Murmel Clausen und Andreas Pflüger - beide haben auch schon die erste Episode des Weimarer "Tatort" geschrieben - an keiner Stelle an einen entgleisten Junggesellenabschied erinnert, liegt auch an der kunstvoll gedrosselten Inszenierung. Regisseur Richard Huber hat einige extrem moderne Hamburger Großstadt-"Tatorte" mit Mehmet Kurtulus gedreht, für die Provinz-Sexschnurre findet er Slow-Motion-Bilder, die Weimar herrlich verstrahlt wirken lassen.
Aufregung ist diesem Event-"Tatort" fremd, der von den ARD-Verantwortlichen passenderweise in die Katerstimmung an Neujahr programmiert wurde. Wie angenehm runtergefahren der MDR-Krimi bei aller Ringelpiez-mit-Anfassen-Dramaturgie ist, wird vor allem im Vergleich mit dem Saarbrücker "Tatort" vom Zweiten Weihnachtstag deutlich. Der wollte ja auch knicke-knacke-komisch sein. Doch als der von Devid Striesow gespielte Saar-Ermittler Stellbrink als Freier getarnt mit einer Prostituierten sprach, wirkte das einfach nur schmierig.
Beim Weimarer "Tatort" gibt es da bei allem Schenkelklopferpotenzial eine gewisse Liebenswürdigkeit. Man kommt nicht mal umhin, den Chef des Reviers zu mögen. Der stratzt nervös durch die Ehebruch- und Partnertauschszenarien, trägt auch noch den ungünstigen Namen Kurt Stich und wird vom Andreas-Dresen-Schauspieler Thorsten Merten bemitleidenswert unterversorgt gespielt. "Mein lieber Spitz!", raunt er irgendwann mit weichen Knien, als ihm das ganze Ausmaß der Betrügerei bewusst wird.
In trockenen Tüchern ist es noch nicht, aber man darf wohl davon ausgehen, dass es in zwölf Monaten einen dritten Weimar-"Tatort" geben wird. Vielleicht denkt man aber auch mal über eine höhere Frequenz nach, so komisch ist das deutsche Fernsehen ja sonst nicht.
"Tatort: Der irre Iwan", Neujahr, 20.15 Uhr, ARD