Hoeneß-Debatte bei Jauch Keine Witze über Uli

"Der Fall Uli Hoeneß - vom Saubermann zum Steuersünder": So hieß das aus aktuellem Anlass kurzfristig angesetzte Thema bei Günther Jauch. Der Talk startete trotz merkwürdiger Besetzung gut, versank dann aber in Platituden und drehte sich letztlich im Kreis.
Von Sebastian Winter
Sportreporter-Fossil Kürten als Gast bei Jauch: "Hoeneß ist ein Kämpfer"

Sportreporter-Fossil Kürten als Gast bei Jauch: "Hoeneß ist ein Kämpfer"

Foto: DPA/Paul Zinken

Ganz am Ende versuchte Oliver Pocher, wieder lustig zu sein. "Ich muss jetzt erst mal die Steuererklärung machen", sagte der Fernsehkomiker, der bei Günther Jauch zum Thema "Uli Hoeneß - vom Saubermann zum Steuersünder" eingeladen war. In der Talkshow spielte er eine Mischung aus Bayernfan und interessiertem Normalbürger - doch der Witz am Ende zündete nicht. Nicht bei diesem ernsten Thema, bei dem es um einen mutmaßlich besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung geht. Und um den Umgang mit einem solchen Betrug.

Die Diskussionsrunde hatte sich da bereits schon länger im Kreis gedreht. Jauch blieb nur noch, vage seine Hoffnung zu äußern, dass Bayern Münchens Präsident Uli Hoeneß selbst in der Sendung erscheinen und Licht ins Dunkel bringen möge. Der Mann, der vor ein paar Monaten bei Jauch noch zum Thema Reichensteuer gesagt hatte: "Unsere Spieler kicken schon jetzt eine Halbzeit fürs Finanzamt." Der aber selbst mutmaßlich Millionen Euro am Finanzamt und der Kapitalertragsteuer vorbei auf einem Schweizer Konto gebunkert hatte.

Schade, dass Jauch keinen Normalverdiener geladen hatte, der mal so richtig gegen die fiskalische Abwanderungsmentalität wettert. Schade vor allem, dass nicht jemand da war wie Sylvia Schenk, die energische Sportbeauftrage von Transparency International. Die Juristin hätte diese Runde, die leider nur aus Männern bestand, sicher auf eine andere Ebene gestellt: die der Moral und der Glaubwürdigkeit des Sports. Beides kam so gut wie nicht vor in der Debatte.

"Der Junge geht da durch"

Stattdessen weckte der Fall Hoeneß am Anfang Gefühle: Sportmoderator Dieter Kürten ("Hoeneß ist ein Kämpfer, der Junge geht da durch") zeigte sich "erschüttert, sehr überrascht, traurig". "Enttäuscht" war Norbert Walter-Borjans, SPD-Politiker, Finanzminister in Nordrhein-Westfalen und Steuer-CD-Käufer. Von Hoeneß' Problemen mit dem Fiskus "überrascht" wurden Dieter Ondracek, der Ehrenvorsitzende der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, FDP-Politiker Wolfgang Kubicki, Pocher und auch "Focus"-Chefredakteur Jörg Quoos.

Quoos wusste aber bereits seit 14 Tagen von diesem Thema. Sein Magazin hatte einen Hinweis von einer "über jeden Zweifel erhabenen" Quelle bekommen, wie der Journalist schilderte. Quoos zufolge hatte das Blatt Hoeneß dann am Donnerstag mit den Vorwürfen konfrontiert, Freitagmorgen habe er geantwortet und die Vorwürfe eingeräumt. Elf Minuten vor Fristende. Quoos erzählte auch von einer Hausdurchsuchung von Hoeneß' Anwesen im Tegernseer Tal.

Da kam Spannung auf, zumal Jauch berechtigterweise nachfragte, inwieweit der "Focus"-Herausgeber und Verwaltungsbeirat bei Bayern München, Helmut Markwort, in die Entwicklung eingebunden war. "Er war maximal loyal gegenüber dem Rat und gegenüber dem 'Focus'", sagte Quoos.

"Wir wollen die Kuh nicht umbringen, die wir melken"

"Es geht hier nicht um einen Verdacht, sondern um das Eingeständnis einer schweren Straftat. Das ist nicht mehr Sünde, wenn man hier über Millionen redet", sagte NRW-Finanzminister Walter-Borjans und bekam Applaus. Kubicki warnte davor, Steuersünder durch öffentliche Prangerwirkung von einer Selbstanzeige abzuhalten. Ob die Prangerwirkung denn gewollt sei, fragte Jauch. Walter-Borjans Antwort: "Wir wollen die Kuh nicht umbringen, die wir melken."

Erst ein Drittel der Sendung war vorbei, als sie schon auf ihren Höhepunkt zusteuerte. Da sah der überzeugend auftretende Steuerstrafrechts-Anwalt Kubicki in der angeblichen Hausdurchsuchung bei Hoeneß einen Hinweis darauf, "dass irgendetwas nicht stimmt". Ein Indiz dafür, dass entweder die Selbstanzeige nicht mehr rechtzeitig kam, sie nicht vollständig war oder andere Tatbestandteile eine Rolle spielen. "Er muss Beschuldigter eines Strafverfahrens sein", sagte Kubicki. Denn eigentlich erfahre in 99,9 Prozent der Fälle die Öffentlichkeit nicht von einer Selbstanzeige. Das waren klare Worte.

Danach kam: nicht mehr viel. Mögliche Auswirkungen auf die Bayern-Mannschaft vor dem Barcelona-Spiel streiften Jauch und Pocher phrasenreich, den Rest kann man so zusammenfassen: Der Hoeneß-Freund Kürten wagte einen etwas unausgegorenen Blick in dessen Seelenleben ("Er ist empfindlich, gefühlvoll, das macht ihm zu schaffen"), Journalist Quoos konnte sich durchaus vorstellen, dass Hoeneß bei Straffreiheit Präsident bleibt, wenn ihm die Öffentlichkeit nach einem Läuterungsprozess einen Funken Restsympathie zubilligt. Und Pocher? Fragte zunächst Jauch: "Sind Sie davon betroffen? Bei Ihnen gibt's ja richtig was zu holen." Und dann in die Runde: "Wer gibt mir zehn Millionen, dass ich mal zocken kann?"

Da hatte er seinen Abschlussscherz mit der Steuererklärung noch gar nicht gemacht.

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