Gesangs-Mummenschanz »The Masked Singer« Es will einfach nicht langweilig werden

»The Masked Singer«-Kostüm Monstronaut : Das Lovechild zweier ehemaliger Teilnehmer
Foto:ProSieben / Willi Weber
Der Ratespaß
Das Erstaunlichste an dieser immer noch grundbizarren Show ist vermutlich, dass sie auch mit ihrer vierten Staffel heiter Wahrscheinlichkeiten zerdeppert und sich nicht um Plausibilitäten schert, und dass diese wild im Gekröse des deutschen Showbiz-Bestands stochernde Raterei tatsächlich immer noch nicht langweilig wird. Etwa, wenn Jurymitglied Ruth Moschner im singenden Flamingo erst Bill Kaulitz, dann Thomas Hayo vermutet – und schließlich noch die Frage nachlegt, wie groß eigentlich Iris Berben sei. Dass sich unter der Stierverkleidung Thomas Gottschalk verbergen soll, war dagegen wahrscheinlich als Scherz gemeint – angesichts seiner momentanen Allgegenwart wäre es allerdings die größere Überraschung, wenn er nicht auch im Stier stecken sollte. Durchaus überraschend war auch die erste Demaskierung der Staffel: Im Kostüm des putzwütigen Schweinchens mit der integrierten Schirmhaube steckte Sportmoderatorin Kathrin Müller-Hohenstein.

Carolin Kebekus, Ruth Moschner und Rea Garvey bilden die Jury
Foto: ProSieben / Willi WeberDie Jury
»In jeder Staffel ist irgendeine dabei, die man nicht sehen will«, muffelte Rea Garvey, als das überplüschige Küken absichtlich verpiepst »Hollaback Girl« von Gwen Stefani performte – die verstellte Stimme wurde in der vergangenen Staffel von Veronica Ferres als Verwirrungsmanöver kultiviert. Garveys regelmäßige Unkereien funktionieren tatsächlich bestens, weil sie die ungehemmte Hingabe seiner Jurykollegin Ruth Moschner konterkarieren, die diese Show und ihre Figuren augenscheinlich wirklich haltlos und von Herzen liebt – und umgekehrt.
Eine optimale Ergänzung war Gast-Jurorin Carolin Kebekus, die so lustig und spontan war, wie man es von Comedians jenseits ihres geprobten Nummerntrotts sonst überraschend selten erlebt. Auch nicht selbstverständlich: Das jemand sagt, was zu sagen ist. Als die Jury über das vorgeblich helfende Indiz rätselte, das Küken habe sich »ins gemachte Nest« gesetzt, mutmaßte Garvey, es könne sich vielleicht um Anke Engelke handeln, die habe ja schließlich ihre seinerzeitige Late-Night-Show nur übernommen. Kebekus stellte richtig, dass ihre Show ein eigenes Format war, und dass dies damals im übrigen schon zerrissen wurde, bevor es überhaupt gestartet war: »Props für immer an Anke Engelke, dass sie das ausgehalten hat.«
Ganz normale Bizarrheiten
Ein Samba-Flamingo wird umkurvt von Tänzerinnen auf Rollerskates, die zur Stabiliserung goldene Rolatoren vor sich herschieben. Ein Stier, der offenbar als Quarterback tätig ist, hat ein bisschen viel Glitzerhighlighter aufgetragen und singt ein Mashup aus »Seven Nation Army« von den White Stripes und »Heroes« von David Bowie. Für Show und für Menschen gilt ja gleichermaßen: Wer von sich behauptet, total verrückt zu sein, ist in Wahrheit in den allermeisten Fällen ein stinklangweiliger Biederbutz. »The Masked Singer« tischt dagegen immer noch Tableaus auf, die man sonst nur aus wilden Futschiträumen kennt. Dass es dabei kein »zu absurd« gibt, zeigt in dieser Staffel die Existenz des »Monstronauten«, dem angeblichen Lovechild zweier ehemaliger Teilnehmer, des Astronauten und des Monsters.
Nun ist es freilich für Menschen, die »The Masked Singer« vor allem für seine eskapistische Rundumversorgung lieben, eher unangenehm, von dieser Geschichte an die Existenz von Sex erinnert zu werden – die angeschmuddelten Liason-Andeutungen waren ja auch einer der Gründe, die das rasch abgewickelte Konkurrenzformat »Pretty in Plüsch« unschaubar machten. Dass Moderator Matthias Opdenhövel, der das Monster in einer vorausgegangenen Staffel ausgiebig bekuschelt hatte, nun den verschmähten Fast-Lover des Plüschtiers mimen muss, schafft tatsächlich nicht nur erfreuliche Bilder im Kopf.

Das Einhorn auf den Brettern, die die Welt bedeuten
Foto: ProSieben / Willi WeberDie Kostüme, immer noch
Zu den herausragenden Maskeraden gehören in dieser Staffel ein pubertierender Dinosaurier mit Zahnspange und ein monochrom goldgekleideter Quokka-DJ, der von Popper-Erdmännchen umtanzt wird, der Rest ist allerdings verhältnismäßig konventionell gehalten. Für die nächste Staffel wünscht man sich vielleicht einmal einen singenden Snack, womöglich einen trällernden Teller Spaghetti Bolognese. In Großbritannien wurde schließlich vor ein paar Tagen eine Wurst zur Siegerin gekrönt: In der überdimensionierten Snacktüte, angetan mit einem Pommeskragen, steckte die Sängerin Joss Stone . In der gerade gestarteten österreichischen Version performt ein Germknödel. Auch in Sachen Dreistigkeit ist bei der deutschen Interpretation des Formats noch Luft nach oben: Bei den Briten steckte in der jüngsten Staffel Morten Harket von a-ha im Wikingerkostüm – und performte neben Songs von Harry Styles und Coldplay auch keck »Take On Me«.