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"The Meyerowitz Stories": Familienaufstellung

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Sandler, Stiller, Hoffman in Netflix-Komödie Familie ist, wenn man trotzdem lacht

Indie-Starregisseur Noah Baumbach hat seine erste Netflix-Produktion gedreht. In "The Meyerowitz Stories" beobachtet er Ben Stiller, Adam Sandler und Dustin Hoffman bei komischen Familienkämpfen.

Mitten im Satz bricht der Film ab. Gerade wird Danny (Adam Sandler) fast verrückt bei dem Versuch, in Manhattan einzuparken und beschimpft drängelnde Autofahrer hinter ihm. Es ist eng im Auto, Danny ist nervös, er pöbelt ununterbrochen - und dann schneidet Regisseur Noah Baumbach einfach weg.

In seinem neuen Film "The Meyerowitz Stories", der nur auf Netflix startet, setzt Baumbach harte Kanten, fährt die Intensität hoch, lässt zwei Brüder miteinander ringen oder voller Wut eine Scheibe einschlagen, weil die Familie sie mal wieder hineingezogen hat in alte Kämpfe.

Was sich da alles angestaut hat über die Jahre, dafür gibt es keine Ventile mehr. Baumbach und seine Editorin Jennifer Lame nutzen das als filmisches Konzept - und schneiden mitten in Gefühlsausbrüchen einfach weg. Dennoch fühlt sich der Film als Ganzes ungemein weich an.

Der Gegensatz, der "The Meyerowitz Stories" seine Dynamik verleiht, ist einer zwischen seinen neurotisch unglücklichen Figuren und deren romantischer Idee von Familie. Das beginnt bei Danny, dessen ungebrochenes Verhältnis zu seiner gerade erwachsenen Tochter Eliza (Grace Van Patten) in einem zuckersüßen Klavierduo kulminiert, in dem sie die Vater-Tochter-Liebe beschwören.

Stiefmutter betrunken, Vater narzisstisch

Ja, diese Familie will füreinander da sein - auch wenn eine betrunkene Stiefmutter (Emma Thompson) rohen Hai und geschlossene Muscheln zum Essen serviert. Der Motor, der all die Konflikte antreibt, ist schnell erkannt: der narzisstisch um sich selbst kreisende Vater Harold Meyerowitz, in seiner tatterigen Penetranz und beiläufigen Aggressivität von Dustin Hoffman genauso enervierend wie effektiv auf den Punkt gebracht. Matthew (Ben Stiller), der jüngere, erfolgreichere Bruder, der sich vor einem Klienten noch brüstet, sich nicht mehr aufzuregen, ist der erste, dem der Geduldsfaden reißt. Kurz darauf liegt der Vater im Krankenhaus.

Baumbach ist sehr gut darin, das Grundlegende und das Alltägliche miteinander zu verweben: Während er sich voll auf seine Figuren einschießt und sich die meisten stilistischen Entscheidungen (von dem oft kontrapunktischen Musikeinsatz abgesehen) den Handlungen und Bewegungen der Protagonisten unterordnen, haben die Dialoge und das Schauspiel immer auch einen Eigenwert.

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"The Meyerowitz Stories": Familienaufstellung

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Viele der Witze etwa funktionieren weniger über Pointen als über ein System der Akkumulation: Je mehr wir von den Figuren und ihren Eigenarten erfahren, desto lustiger werden sie in der Wiederholung von Spleens, Floskeln und Redewendungen.

Dafür ist das Triumvirat Hoffman-Sandler-Stiller von großer Bedeutung. Natürlich durch die Bedeutung früherer Rollen für ihre Star-Persona. Aber insbesondere wegen ihres jeweils betont körperlichen Spiels. Sandlers offene Verletzlichkeit und tumbe Ignoranz ist von Beginn an in sein Humpeln eingeschrieben, gegen das er nichts unternehmen will. Stillers kompakterer Körper steht immer unter Strom, seine abgehackten Bewegungen zeigen an, wie viel Aufgestautes er unter Kontrolle zu bringen versucht.


"The Meyerowitz Stories"
USA 2017

Drehbuch und Regie: Noah Baumbach
Darsteller: Adam Sandler, Grace Van Patten, Dustin Hoffman, Ben Stiller, Emma Thompson
Produktion: Gilded Halfwing, IAC Films
auf Netflix
Länge: 110 Minuten
Start: 13. Oktober 2017


Hoffman zuzusehen, ist vielleicht am faszinierendsten, weil er entgegen seiner üblichen großzügigen Gewitztheit hier vor allem nach innen gerichtet spielt - der mehr oder minder gescheiterte Künstler, dessen Perspektiven den Film und die Beziehungen seiner Kinder ordnen, ist gleichzeitig überbordend mit Forderungen und Wünschen und gleichzeitig vollkommen abwesend von den Beziehungen im Hier und Jetzt.

Mit Filmen wie "Frances Ha" und "Mistress America" hat Noah Baumbach wiederholt gezeigt, wie unmittelbar und dringlich auch seine Inszenierung von weiblichen Figuren sein kann. In "The Meyerowitz Stories" sind die drei wichtigsten Frauenrollen handlungslogisch an den Rand gedrängt, fordern ihren Platz in der Gesellschaft - und im Film - aber gleichzeitig auf sehr schöne Weise ein.

Dannys und Matthews Schwester Jean (Elizabeth Marvel) hat zunächst eine leise Präsenz als diejenige, die stets übersehen wird und doch immer da ist. Um später nur umso deutlicher zu machen, dass die Männer sich ihre Geschichte nicht aneignen können.

Stiefmutter Maureen lässt sich gar nicht erst hineinziehen in die Familienstreitereien und trifft beiläufig und eigenständig Entscheidungen, die alle betreffen, ohne sich dafür zu rechtfertigen. Dannys Tochter Eliza, die gerade ihr Collegestudium begonnen hat, schickt der Familie Filme, die zeigen, wie sie das Patriarchat aus den Angeln reißt: zum Beispiel als Paginaman, einer Superheldin mit Penis und Vagina.

Von wegen harte Kanten und weiche Anschlüsse: In diesem Familienreigen ist überraschend viel möglich.

Im Video: Der Trailer zu "The Meyerowitz Stories"


"The Meyerowitz Stories": ab Freitag auf Netflix

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