RTL-Sendung »Train Your Baby Like a Dog« Mutter-Tochter-Beziehung mit Signalwort und Klicker

Hundetrainerin Aurea Verebes in der Sendung »Train Your Baby Like a Dog« mit Ayla und ihrer Mutter: Zur Belohnung gibt es Himbeeren statt Leberwurst aus der Tube
Foto: TVNOWAm meisten wundert man sich am Ende darüber, dass niemand versehentlich zu einem der Kinder »ja feiiiiin!« sagt. Dass man die kleinen Menschen nicht mit einem Quietschtier bespaßt und ihnen verstohlen einen kleinen Happen vom Esstisch zusteckt, wenn gerade keiner herschaut. Denn mindestens eine teilnehmende Mutter scheint das Konzept der neuen RTL-Scheinlebenshilfe »Train your Baby like a Dog – Die Hund-Kind-Methode« derart verinnerlicht zu haben, dass sie von ihrer Tochter spricht, als sei diese eine renitente französische Bulldogge: »Ayla beißt und kneift und ist manchmal unberechenbar.«
Selten fühlte sich ein Format auf so mannigfachen Ebenen falsch an. Der Titel allein schon, übernommen von der Vorlage aus Großbritannien, der nicht nur suggeriert, Kind und Hund funktionierten grundlegend gleich, hätten dieselben Bedürfnisse und könnten deshalb auch gleich behandelt werden. Die auftretende Hundetrainerin Aurea Verebes, die immer wieder mit eigentlich ganz plausiblen Ideen Empathie antäuscht und dann doch allen Ernstes den Klicker aus dem Tiertraining-Fachbedarf rausholt, um die vorgeführten Kinder mit einem Signalgeräusch zu belohnen, wenn sie das gewünschte Verhalten zeigen.
Apathie der beiden auftretenden Väter
Die Herzlosigkeit, mit der man auch die sichtlich überforderten Eltern vorführt, die ihre Kinder als anstrengend und belastend charakterisieren, weil sie sich vorm Zähneputzen fürchten oder brüllen, wenn sie allein einschlafen sollen. Die Perfidie im Detail, mit der man eine Mutter dabei noch ein Shirt mit der Zier-Aufschrift »Put yourself first« tragen lässt.

Immer wieder direkte Vergleiche zwischen Kind und Hund: Trainerin Verebes etabliert für ein Kind ein Umorientierungssignal
Foto: TVNOWDie Tatsache, dass ein alibimäßig hinzugezogener Kinder- und Jugendpsychologe die ganze Unternehmung »sehr spannend« findet. Und schließlich die wie selbstverständlich ignorierte Apathie der beiden auftretenden Väter, die wie bestellt und nicht abgeholt in den Konfliktszenen herumstehen und -sitzen, als hätten sie mit ihren Kindern nur am Rande zu tun, als sei Kümmern nur Muttersache.
Fühlt sich beim Zusehen einfach falsch an
Es fällt schwer, unter all diesen unguten Dingen die eigentlich erfreuliche Grundidee des hier propagierten Erziehungsansatzes freizubuddeln: Dass man Kinder positiv bestärken sollte, statt sie nur tadelnd zu korrigieren. Dazu braucht man freilich keine konstruierten und bestürzend verkürzten Parallelen zum Hundetraining.
Es fühlt sich auch als kinderunkundige Zuseherin beim Zusehen einfach falsch an, ein Kind zuvor versteckte Haargummis apportieren zu lassen, wie man einen Hund an einem Regentag Leckerlis in der Wohnung suchen lassen würde, um ihn zu beschäftigen – denn »Suchen fördert das Erkundungsverhalten«.
Und wenn Verebes immer wieder direkte Vergleiche zwischen Kind und Hund zieht: Sie will für Pia die Zahnbürste neu und positiv besetzen, wie sie auch ihrem Retriever Charly die Angst vor einem gruseligen Ball abtrainiert hat. Und etabliert für das Mädchen Ayla allen Ernstes ein Umorientierungssignal: Sagt ihre Mutter das Wort »Teddybär«, soll Ayla abbrechen, was sie gerade tut, und ihre Mutter anschauen, als sei sie ein Hund, der verbotenerweise das Blumenbeet umgräbt. Immerhin bekommen die abgerichteten Kinder von ihr zur Belohnung Himbeeren statt Leberwurst aus der Tube.

Kandidatin Christin mit ihrer Tochter Pia: Bestürzend verkürzte Parallelen zum Hundetraining
Foto: TVNOWBegegnungen von Mutter und Kind durch einen Klicker
Wenn dieses Format beständig Kinder mit Hunden vergleicht, erscheint es abschließend nur angemessen, diese Menschenerziehungssendung mit einem Hundetrainerformat zu vergleichen. Dann muss man freilich feststellen, dass in den meisten klassischen Hundesendungen auftretende Probleme und Missverständnisse völlig zu Recht darin begründet gesehen werden, dass der Mensch etwas falsch macht, nicht das Tier. »Train your Baby like a Dog« aber behauptet beharrlich, die ausgestellten Kinder müssten in punktuellen Problemsituationen korrigiert und gebessert werden, statt das generelle Verhältnis zwischen Eltern und Kindern anzuschauen.
Wenn Mutter und Tochter ein Signalwort und einen Klicker brauchen, um echte Begegnungen miteinander zu erleben, ist eine Hundetrainerin sehr wahrscheinlich nicht das geeignete Fachpersonal, wenn man den beiden aufrichtig helfen will. Oder, um es formatadäquat zu formulieren: Pfui, aus!