
TV-Dreikampf der kleinen Parteien: Brüderle gegen Trittin gegen Gysi
Trittin gegen Gysi gegen Brüderle Drei plus zwei, wir sind dabei!
Berlin - Es war, formal gesehen, der Nachtisch - aber der wurde keineswegs am Katzentisch eingenommen, höchstens in einem etwas sonderbaren Ambiente mit dem Charme einer Tiefgarage. Wenn die Großen sich streiten, fürchten die Kleinen ja bekanntlich immer, zu kurz zu kommen. Doch womöglich weckte diese Sorge besondere Kräfte bei den Kombattanten, die sich am Abend nach dem Duell in ihren Dreikampf um die Rest-Aufmerksamkeit stürzen durften. Denn sie taten das geradezu lustvoll. Was Jürgen Trittin (Grüne), Rainer Brüderle (FDP) und Gregor Gysi boten, war politisches Entertainment von der allerbesten Sorte.
Diese Herren im gesetzten bis fortgeschrittenen Alter präsentierten sich von der ersten Minuten an in Top-Form, und zwar ohne langes Aufwärmen und große Vorreden.
Sollte jemand bereits alle Hoffnung aufgegeben haben, dass es möglich ist, einen produktiven Streit zwischen Protagonisten sehr unterschiedlicher, teils konträrer politischer Überzeugung vor laufenden Kameras zu organisieren, der scharf, pointiert, sogar auch polemisch, aber niemals ernsthaft bösartig ist - hier hatte er Gelegenheit, sie wiederzugewinnen.
Drei plus zwei statt zwei plus vier
Drei plus zwei statt zwei plus vier: Schon die Versuchsanordnung erwies sich in puncto Lebendigkeit und Unterhaltsamkeit als durchaus vorteilhaft. Und da es sich bei dem Trio um echte Typen mit langjähriger Kampferfahrung in der politischen Arena handelte, brauchte es nicht lange, bis sich die beiden Moderatoren Jörg Schönenborn (WDR) und Sigmund Gottlieb (BR) ein ums andere Mal in der Rolle von Tiger-Dompteuren hätten fühlen können - wenn sie ihre Aufgabe weniger klug erfüllt hätten.
Denn zum Glück schienen sie selbst derart viel Spaß an dieser Veranstaltung zu haben, dass sie bisweilen schlichtweg vergaßen, schlichtend einzugreifen und sich stattdessen lieber darüber amüsierten, mit welcher Verve und Leidenschaft sich ihre Gäste die Köpfe heiß redeten.
Da wurde tatsächlich miteinander gesprochen, gestritten, argumentativ gezankt, Fassungslosigkeit geäußert, geschimpft, und das ging bis hin in die Mimik und die Körpersprache. Man rollte mit den Augen, blies die Backen auf, gestikulierte mit Armen und Händen, aber man wandte sich auch einander zu. Ausgerechnet der Linke und der Liberale taten das ziemlich oft, Letzterer übrigens mit einem Temperament und einer Eloquenz, die so manchen jüngeren Liberalen neidisch machen müsste.
Der Grüne schloss in solchen Momenten gern mal die Augen, während er die Lippen zu einem schwer ergründlichen Lächeln verzog, um dann im nächsten Moment mit einem entrüsteten "Aha, Aha, Aha" gegen Gysi vom Leder zu ziehen. Der seinerseits brachte es fertig, sich mit einem sehr netten "Liebe Moderatoren, darf ich eine Frage an Herrn Brüderle stellen?" ins Spiel zu bringen, und Brüderle wiederum schnauzte Trittin an: "Jetzt hören Sie mir doch mal zu!"
Aber selbst das klang nicht wirklich unfreundlich. Und sogar als Trittin ihn der Lüge zieh, was einen kleinen Semantik-Disput auslöste, trübte das nicht die bemerkenswert entspannte Stimmung. Ja, es wurde erstaunlich viel gelächelt, auch wenn das selbstverständlich oft ein bewusst eingesetztes Zähnezeigen war.
Sternstunde des Polit-Fernsehens
Manchmal hatte man als Zuschauer den Eindruck, als gebe es eine Art geheime Übereinkunft zwischen den Dreien, den Leuten auf jeden Fall etwas bieten zu müssen, ohne ihnen dabei vormachen zu wollen, dass dies etwas anderes sei als eben - Wahl-Kampf, und zwar pur, als unverfälschter politischer Sport. Die frühzeitige Mahnung von Jörg Schönenborn, doch bitte keine Zahlenschlacht zu veranstalten, verhallte natürlich ungehört, aber das tat dem Unterhaltungswert keinerlei Abbruch. Einmal bat der Moderator auch, die Spielregeln zu beachten. Welche das waren, blieb allerdings sein und seines Kollegen Gottlieb Geheimnis. Und das war auch gut so.
Dies hier war in jeder Hinsicht das exakte Gegenteil des durchreglementierten Duells - ein weitgehend freies Streitgespräch zwischen erfahrenen, versierten, mit allen Wassern gewaschenen Politikern mit Vorstellungen, Ansichten, Konzepten, die auch tatsächlich für den Wähler erkennbar wurden. Mit ein wenig Pathos könnte man auch von einer kleinen Sternstunde des politischen Fernsehens sprechen. Kurzweilig war es allemal. Die Stunde verging wie im Flug.